Ganztageskindergarten zum Halbtagespreis – Schaden für die Stadt

Als „unfreiwillige familienfördernde Maßnahme“ bezeichnete Bürgermeisterin Hedi Wechner am 21. Mai 2016 in einer Pressekonferenz im Stadtamt den Fehler bei der Einhebung von Kindergartengebühren, der die Stadt Wörgl seit 2007 rund 200.000 Euro gekostet hat. Statt des Ganztages-Tarifes wurde allen Eltern der Halbtagestarif vorgeschrieben. Der peinliche Fehler des Stadtamts-Personals wurde im Zuge der Tarif-Gespräche mit dem neuen Betriebskindergarten im Berger-Logistic-Zentrum bemerkt.

Welcher Indiskretion zufolge auch immer die Fakten den vertraulichen Rahmen der Gemeinderatsitzung am 10. Mai 2016 hinter sich ließen, ist nicht geklärt. Die Sache sollte nach Wunsch der Stadtführung amtsintern „saniert“ und nicht öffentlich werden. „Der Fehler liegt bei der Stadt“, räumt die über die unerwünschte TT-Berichterstattung über den Vorfall verärgerte Bürgermeisterin ein und relativiert: „Seit 2007 sind durch den ordentlichen Haushalt der Stadt 278.111.919 Euro geflossen. Der zur Diskussion stehende Betrag macht gerade einmal 0,09 % davon aus.“ Dass die Ganztagesgebühr nicht eingehoben wurde, sei keiner Kontrollinstanz aufgefallen – auch nicht bei der Rechnungshofprüfung –  „weil sie nicht vorgeschrieben wurde, konnte der Fehler auch nicht erkannt werden“, so Wechner, die die Behandlung im „vertraulich-vertraulichen“ Teil der Sitzung unter Personelles mit dem Schutz der betreffenden Person in der Finanzabteilung begründete, die seit vielen Jahren „hervorragende Arbeit leistet und immer alles zur vollsten Zufriedenheit erledigt“, so Wechner.

Ein Gemeinderatsbeschluss wurde u.a. im Hinblick auf die Amtshaftung nötig, nachdem in der Finanzabteilung von Controllerin DI Carola Schatz das „Megaproblem“ entdeckt wurde. „Wir befassten die Gemeindeaufsichtsbehörde, deren Rechtsabteilung und unseren Rechtsanwalt damit. Es liegt keine Fahrlässigkeit und kein Vorsatz vor“, schildert Wechner ihre Vorgangsweise. Zudem habe sie alle Fraktionsführer zu einer Sitzung einberufen und darüber informiert. „Alle waren einhellig damit einverstanden, die Sache streng vertraulich zu behandeln. Dort wurde dann laut Bürgermeisterin Wechner folgende Vorgangsweise einstimmig beschlossen: Schadenersatzforderungen wird es keine geben, weder gegen die Eltern noch gegen den/die MitarbeiterIn. Bis 2011 seien die Ansprüche ohnehin verjährt. Auf eine nachträgliche Einhebung bis zum Jahr 2014 wird verzichtet, für das Kindergartenjahr 2014/15 sowie für das laufende werden die Ganztagesgebühren eingehoben. „Wir werden mit den Eltern auch Einzelgespräche führen, um Notlagen zu vermeiden“, so Wechner.

Die 12 mal pro Jahr fällige monatliche Kindergartengebühr für Ganztagesbetreuung inklusive Mittagessen beträgt um 127 Euro pro Monat mehr als die Halbtagesgebühr. Wörgls Kindergärten besuchen rund 330 Kinder, 45 bis 50 davon in der Ganztagesbetreuung.

Bürgermeisterin Hedi Wechner bei der Pressekonferenz am 21. Mai 2016. Foto: Veronika Spielbichler

Bürgermeisterin Hedi Wechner bei der Pressekonferenz am 21. Mai 2016.

Nicht aufgefallen ist jahrelang nicht nur die zu niedere Gebührenvorschreibung, sondern auch der Umstand, dass eine einzige Mutter in all den Jahren mittels Dauerauftrag für ein Jahr den Ganztagestarif eingezahlt hat. Die Recherchen bei der Fehlersuche zeitigen nun Maßnahmen für die Zukunft: „Die Verrechnungsart wird umgestellt. Es gibt künftig keine Erlagscheine mehr, nur mehr Daueraufträge. Die Vorschreibungen werden künftig von zwei Mitarbeitern bearbeitet, weiters soll ein weiterer Dienstposten für Controlling geschaffen werden“, kündigt Wechner an. Dieser zusätzliche Controller sei auch im Hinblick auf die Umstellung der Gemeindebuchhaltung ab 2019 von der Kameralistik auf Bilanzierung nötig und habe damit weitere buchhalterische Aufgaben zu erwarten. Neu ist auch, dass nun einheitliche Formulare für die Kindergartenverwaltung geschaffen wurden.

Wechner dementierte im Zuge des Pressegespräches, dass der Vorfall vertuscht werden sollte. Bei der vertraulichen Abhandlung sei es nur um „Schadensbegrenzung für die Person in der Finanzabteilung“ gegangen.