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Kommunikationstrainer Stefan Thies leitete Wochenend-Seminar mit BRG-SchülerInnen
vero / 11.11.2008 18:26
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Wörgl  BRG  Scheffau  Schule  Schulprojekt  Kommunikation  Pferde 

Das Glück der Erde lag am vergangenen Wochenende für die MaturantInnen der 8 AB-Klasse des Bundesrealgymnasiums Wörgl nicht auf dem Rücken der Pferde, sondern auf Augenhöhe mit den Vierbeinern: Wie bringe ich das Pferd ohne Halfter oder andere Hilfsmittel dazu, mir zu folgen? Wie klar ist meine Kommunikation? Bin ich authentisch? Bravourös meisterte Theresia Baumgartinger die Aufgabe, "Schuschu" durch den Parcours in der Reithalle des Ralserhofes zu führen.

Spannendes Schulprojekt am BRG Wörgl: Das Pferd als Spiegel der Psyche

„Nehme ich mich wahr und reagiere ich auf meine Bedürfnisse? Viele Menschen spielen ständig Rollen, verdrängen die Selbstwahrnehmung durch Alkohol, Zigaretten, Computerspiele, Fernsehen und Handys“, erläutert die engagierte Lehrerin den Beweggrund für das Schulprojekt, das den Jugendlichen Spielregeln gewaltfreier Kommunikation ebenso erfahrbar macht wie die Wahrnehmung der eigenen Persönlichkeit.

„Das Pferd erkennt, ob wir mit unseren Absichten und unserem Verhalten im Einklang sind. Körpersprache macht den Großteil unserer Kommunikation aus, die unbewusst wahr genommen wird. Die Reaktionen des Pferdes sind unmittelbar und unmissverständlich. In dem Moment, in dem ein Mensch klar, unmissverständlich und präsent signalisiert, was er will, akzeptieren ihn die Pferde als Leitung. Sobald er unkonzentriert und unentschieden ist, übernehmen sie selber die Führung“, erklärt Stefan Thies.

„Es war komisch, sonst sitzt man auf dem Ross – und plötzlich macht man gemeinsam etwas“, schildert Lena ihre Erfahrung, aus der sie ihre Schlüsse zieht: „Zuhause habe ich meinen Hund auf einmal ganz anders wahrgenommen. Was ich gelernt habe? Man braucht Geduld, mit sich selbst und den anderen. Und man sollte mutiger sein.“ Diese Einschätzung teilt auch Monika: „Man sollte sich sicherer sein und weniger Angst haben.“

„Das Pferd als Spiegel der eigenen Kommunikation verhilft dazu, authentischer zu agieren, lehrt die eigene Körpersprache besser auszudrücken und zeigt, ob man andere motivieren kann. Ziel ist dabei immer gewaltfrei zu agieren. Wie baue ich meine Beziehungen auf? Kann ich mich in andere einfühlen? Wie weit erkenne ich Grenzen? Das hat auch viel mit Respekt zu tun und lädt ein, den anderen jeden Tag neu zu sehen“, fasst Stefan Thies das Ziel seines praxisnahen Kommunkationstrainings zusammen und lud die SchülerInnen ein, „zu den eigenen Gefühlen zu kommen und den eigenen Weg zu gehen.“

Ermöglicht wurde dieses außergewöhnliche Lernen fürs Leben auch durch die Bereitschaft des Ralserhofes in Scheffau, der den Reitstall und das Pferd unentgeltlich zur Verfügung stellte. Reitstallbesitzerin Anke Dingrefe-Grander beobachtete interessiert, was da vor sich ging. Üblicherweise spielen die Pferde am Reiterhof eine andere Rolle - das Angebot reicht vom Westernreiten über Voltigieren, Englisches Dressurreiten bis zum Freizeit-Ausritt.

Damit das Kommunikationstraining mit den Pferden gelingen kann, erfordert artgerechte Tierhaltung. "Dafür eignen sich nur Tiere in Offenstallhaltung, die im Herdenverband leben", erklärt Thies. Der gelernte Architekt sattelte in seinem Leben schon öfter um, eröffnete ein Architekturwettbewerbsbüro, arbeitete als leitender Bühnenbildner an einem deutschen Theater, gündete eine Firma für Projektentwicklung mit mehreren Niederlassungen in Norddeutschland und absolvierte nebenbei eine Reihe von Ausbildungen und erlernte u.a. die gewaltfreie Kommunikation bei Dr. Marshall Rosenberg. Seit fast zehn Jahren bietet er nun Kommunikationstrainings mit seinen beiden eigenen Pferden an. Der Mediator, Supervisor und Coach arbeitet mit Patienten aus der Psychiatrie ebenso wie mit Führungskräften aus der Wirtschaft.

"Pferde leben in der Herde, für sie ist Kommunikation gleichbedeutend mit Beziehung. Als Fluchttiere sind sie aufeinander angewiesen und sind in ihrer Wahrnehmung, auch im Kontakt mit Menschen, ganz und gar darauf ausgerichtet zu überprüfen, ob sie sich ihrem Gegenüber anvertrauen können", erklärt Stefan Thies. Menschen reagieren im Grunde ebenso, wobei die Wahrnehmung aber oft verfälscht wird: "Das Pferd handelt direkt und ohne jegliche Wertung, es fällt kein Urteil über das Aussehen der Person. Es ist unbestechlich, entscheidet in jedem Moment neu - das macht die Begegnung ehrlicher. Die zentrale Frage,  die wir im Kontakt mit dem Pferd immer wieder überprüfen können, lautet: was versuchen wir durch unser Handeln zu erreichen? Versuchen wir unser Gegenüber zu manipulieren?"

Das Kommunikationstraining mit dem Partner Pferd hilft bei der Persönlichkeitsentwicklung, der Selbst- und Fremdwahrnehmung, der Körpersensibilisierung, schult Achtsamkeit und Einfühlungsvermögen, entfaltet persönliche Potentiale und stärkt das Selbstvertrauen. Es erweitert Verhaltensspielräume, macht aber auch Grenzen setzen und akzeptieren klar. Wenn das Tier zum Beispiel signalisiert, dass es genervt ist, nicht folgen will. Wie also reagieren? In diesem Fall bricht der Trainer die Übung auch schon mal ab: "Stopp - so etwas kann in einen Kampf ausarten. Es geht aber nicht darum, das Pferd zu besiegen - sondern es zu begeistern, es zu motivieren." Und es funktioniert - davon konnten sich alle SeminarteilnehmerInnen selbst eindrucksvoll überzeugen.

Kommunikationstrainer und Mediator Stefan Thies und die Lehrerin Elke Wampera-Gröller ermöglichten den SchülerInnen ein unvergessliches Lernen fürs Leben (Bild links). Gearbeitet wurde einzeln, aber auch in der Gruppe, in der jeder seine Erfahrungen auch selbst reflektierte (Bild Mitte) und den anderen mitteilte. Die Stute signalisierte klar und unmissverständlich, wenn sie dem Menschen die Leitung nicht zutraute - das reichte von Gähnen bis zum unwilligen Schwenk mit dem Kopf.

Mutmacher Stefan Thies - er gab den SchülerInnen wertvolle Tipps zur Kommunikation mit anderen, aber auch zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Videos vom Auftritt im Parcours führen den SchülerInnen zur Analyse nochmals nachträglich ihre Verhaltensmuster vor Augen (Bild Mitte). Dem Kommunikationstraining der MaturantInnen, hier im Bild mit Lehrerin Elke Wampera-Gröller und Kommunikationstrainer Stefan Thies - schloss sich auch ein Vater an.

Weitere Bilder gibt´s hier in der Galerie

Für Interessierte die Kontaktdaten von Stefan Thies: THIESUNDPFERDE@T-ONLINE.DE