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15 Jahre Fluckingerpass - Perchtenbrauchtum in Wörgl
vero / 02.12.2012 14:50
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Treffpunkt für viele Perchtenfans und Mitglieder von gut einem Dutzend "Passen" ist alljährlich das Glühweinstandl der Wörgler Fluckingerpass, das heuer am 24. November 2012 erstmals im Kargl-Anger stattfand und sich bis in die Abendstunden mit hunderten BesucherInnen füllte. Die Mitglieder des Perchtenvereins sorgen für den Ausschank, aus dessen Erlös sie regelmäßig soziale Initiativen unterstützen. Wie bei allen anderen Passen gibt beim Perchtentanz der Fluckinger auch die "Hex" das Kommando. Neben dem spektakulären Auftritt des Feuerteufels Alex Gindu hat die Hex Martin Tomann in der Gunst des Publikums allerdings kein leichtes Spiel - im Bild rechts Obmannstellvertreter Alex Gindu, Fluckinger-Hex  Martin Tomann und Obmann Martin Ascher.

Vor 15 Jahren zählte Alex Gindu zu den Gründungsmitgliedern der Fluckinger Pass, die heute als älteste aktive Wörgler Perchtengruppe gilt und seither am Fluckingerhof in der Bodensiedlung ihren Stützpunkt hat. 15 Perchten, vier Fellteufel und die „Hex“ bereiten hier seit Wochen die diesjährige Tour vor, die traditionellerweise auf den 5. und 6. Dezember mit Auftritten in Wörgl, Kirchbichl und Hopfgarten begrenzt ist. Während der 15 Jahre hat es trotz langer Hörner und Feuerzauber keinen einzigen Vorfall mit Verletzungen gegeben, weder beim Publikum noch in den eigenen Reihen.

Für Sicherheit bei den Auftritten sorgen einerseits die Fellteufel, die darauf achten, dass das Publikum Abstand hält, sowie fünf Betreuer, die  beim An-und Ausziehen helfen und mit Feuerlöschern und Löschdecken ausgerüstet sind. Alex Gindu, der nach seinen ersten Jahren als Perchtl seit 2004 als Fellteufel seine Feuershow beständig weiterentwickelt, liebt zwar das Spiel mit dem Feuer, geht es aber mit Respekt und entsprechender Ausbildung an. Davon zeugt ein Zertifikat über die Teilnahme an einer pyrotechnischen Unterweisung, die er vor acht Jahren auf eigene Kosten bei einer Firma absolvierte. Heute gibt´s dafür schon Wifi-Kurse.

Alex Gindu beim Reparieren seiner Teufelsmaske, die durch das Anzünden der Hörner arg in Mitleidenschaft gezogen wird. Das alte Fellteufelgewand hat allerdings ausgedient - heuer kommt eine eigens entwickelte, feuerfeste Spezialanfertigung aus der Werkstatt von Sigi Sanoll zum Einsatz.

Der richtige Umgang mit bengalischem Feuer und Brennspiritus ist ein Teil der Risikominimierung, der andere die Ausrüstung. Für die heurige Saison lässt er sich beim Wörgler Kürschner Siegfried Sanoll eine österreichweit einzigartige Spezialanfertigung aus Material, das in der Hochofenproduktion verwendet wird, herstellen. Der Reiz, Neues auszuprobieren, hat aber Grenzen: „Was zu gefährlich ist, lehne ich ab“, erklärt Alex, der übrigens während der Auftritte nüchtern bleibt.

Für spektakuläre Auftritte sorgt Alex Gindu nicht nur als Feuerteufel bei den Fluckingern, sondern auch als Sänger zweier Metal-Bands: Alex steht mit der Tiroler Deathcore-Metalband Fadenkreuz (Bild links, Foto und Info: http://www.myspace.com/fadenkreuzmetal) und der international erfolgreichen Metalband "Watch me Bleed" (Foto Mitte und rechts, Fotonachweis und Info auf http://www.watchmebleed.com/) auf der Bühne. Wobei er auch sportliche Fitness an den Tag legt wie beim Festival "Hell over Vellach" - Headbangen in luftiger Höhe ist nicht jedermanns Sache! Früher zählte Sportklettern zu Alex´ Hobbies, mittlerweile hat er sich aufs Snowboarden und Mountainbiken verlegt.

Lieber zu Limo statt zu Alkohol greifen mittlerweile viele der Aktiven bei den Passen, was sich aus der Weiterentwicklung des Brauchtums ergeben hat. Die selbst hergestellten Bratschengewänder wurden schwerer, bringen trocken zwischen 60 und 70 kg auf die Waage und die Tamper-Rhythmen entwickelten sich von einfachen hin zu komplexen Schlagabfolgen, bei denen natürlich keiner sich Patzer leisten will.

Mit der Weiterentwicklung des alten Fruchtbarkeits-Brauchtums entstand eine lebendige Jugendkultur mit nach wie vor ungebremstem Zulauf, wie das ständige Entstehen neuer Passen und Perchtentreffen zeigt.  Während sich die Breitenbacher und Angerberger als Traditionshüter alter Riten verstehen, verändern außerhalb dieses Gebietes aktive  Perchtengruppen den Brauch. Wer Hollywood-Horror kennt und mit Gruseln Dämonen erschrecken will, greift zu modernen Ausdrucksformen.

Die „Brauchtums-Modernisierung“  im Raum Wörgl brachte auch neue Umgangsformen. Gewalt gegenüber Zuschauern ist heute tabu, und früher übliche Raufereien – wenn zwei Passen aufeinandertrafen – gehören auch der Vergangenheit an. „Unter den Passen herrscht gegenseitiger Respekt und vielfach ein freundschaftliches Verhältnis“, erklärt Alex Gindu. Was aber nach wie vor dazugehört, ist das Anschwärzen. Schuhcreme und Ruß gehören zumindest bei den Fluckingern der Vergangenheit an - sie verwenden eine Mischung aus Aktivkohle und Babyöl.

Kreativität zeigt sich nicht nur bei den Masken, sondern auch darunter. Fürs gute Aussehen sind Friseurtermine keine Seltenheit mehr: gezopfte Bärte und Haare, Undercuts und Irokesen-Schnitt, auch Haarefärben  gehört dazu. Alex hat im Chaos-Friseurinnen-Team seine Fans gefunden, die ihm in stundenlanger Arbeit die Cornrows zopfen.

"Rauhe Gesellen" mit Herz

Ansonsten gilt aber bei den Fluckingern, dass Perchtenlaufen immer noch reine Männersache ist und bleiben soll.  Für die alle, die mitmachen, viel Zeit und Geld investieren. Larven und Fellgewänder kauft jeder selbst, die Bratschengewänder werden in Gemeinschaftsarbeit hergestellt. Zu den Ausgaben des Vereins zählen die Kosten für den Skibus, der alljährlich für die Tour angemietet wird. Einnahmen bringen Mitgliedsbeiträge, freiwillige Spenden und das seit Jahren in der Bahnhofstraße im November organisierte Glühweinstandl, aus dessen Erlös die Fluckinger immer auch für soziale Zwecke spenden. Heuer erhalten der Verein Vaterland und „ Licht für Wörgl“ je 500 Euro. Der Verein "Vaterland" (Info: http://www.vaterland.biz/) unterstützt getrennt lebende Väter und will auf die Ungleichstellung von Vätern bei Scheidungen hinweisen.

Seit 15 Jahren beherbergt der Fluckingerhof in Wörgl die Fluckingerpass. Im Vereinslokal werden die Gewänder angefertigt und aufbewahrt, hier werden auch die Tamper-Rhtythmen geübt - auf einem Blechtisch. Die Spenden aus dem Erlös des Glühweinstandls gab die Perchtenpass bereits weiter: je 500 Euro an Ernst Schiller vom Verein Vaterland (Bild Mitte links) sowie an die Wörgler Charity-Initiative des Stadtmarketings "Licht für Wörgl" - hier im Bild rechts die Spendenübergabe beim Christkindlmarkt im Stadtpark Seniorenheim: Obmann Martin Ascher, Bürgermeisterin Hedi Wechner, Stadtmarketing-Geschäftsführer Mario Wiechenthaler, Sozialreferentin Vizebgm. Evelin Treichl und Obmannstellvertreter Alex Gindu.

Mit den restriktiven Wörgler Sicherheitsvorschriften und Beschränkungen des Perchtenlaufes haben sich die Fluckinger arrangiert. Auftritte sind einerseits privat bei Bauern oder bei angemeldeten, bewilligten Perchtentreffen wie beim City-Pub in der Speckbacherstraße am 6. Dezember um 19 Uhr. Bei der Perchtentour 2012 werden die Fluckinger schwarze Armschleifen tragen, im Gedenken an die heuer verstorbene  Fluckingerbäuerin Erika Ascher, die die Pass über all die Jahre unterstützt und bestens versorgt hat.  

Der Tourplan 2012:

Mittwoch, 5. Dezember: 13:00 Uhr Branzen Bauer Wörgl, 16:00 Uhr Papp Toni Wörgl, 19:30 Uhr Contrast Kirchbichl-Grattenbrücke, 21:30 Uhr Fohringer Bauer Wörgl.

Donnerstag, 6. Dezember: 13:00 Uhr Waller Bauer Wörgl, 16:00 Uhr Kargl Bauer Wörgl, 19:00 Uhr City Pub Perchtentreffen in der Speckbacherstraße in Wörgl, 21:30 Uhr Perchtentreffen Hopfgarten.

Weitere Infos online auf www.fluckingerpass.at

und weitere Bilder, u.a. vom Glühweinstandl 2012, vom Auftritt beim Perchtentreffen beim City-Pub 2011 hier...

sowie vom Auftritt beim Fohringerbauer 2011 hier...