Stadtfinanzen: Wörgl muss den Rotstift ansetzen

Ein drastisches Einsparungsprogramm mit Auswirkungen auf alle BürgerInnen steht der Stadt Wörgl ins Haus, will man nicht in absehbarer Zeit zum Sanierungsfall und unter Fremdverwaltung gestellt werden.  3,3 Millionen Euro sollen bis 2021 jährlich durch Ausgabenkürzungen hereingebracht werden. Ein Ziel, das trotz mit der ICG Unternehmensberatung ausgearbeitetem Maßnahmenpaket  nicht erreicht wird. Am Donnerstag, 21. September 2017 wird das Ergebnis der Budget-Task force dem Gemeinderat vorgelegt.

Ein „Konsolidierungsprogramm, um Wörgl zukunftsfit zu machen“ kündigte im Rahmen einer Pressekonferenz  Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner am 19. September 2017 an. Dieses sei „eine Herausforderung für alle Mitarbeiter und die Politik und deutlich spürbar für die Bürger“. Wo der Rotstift konkret angesetzt werden soll, das muss der Gemeinderat entscheiden – und da ist vom Zusperren der Erste Hilfe-Ambulanz im GZW ab 2019 ebenso die Rede wie von der Auslagerung des City-Busses, von Steuer- und Gebührenerhöhungen und Kürzungen bei den Vereinssubventionen.

Bürgermeisterin Hedi Wechner begründete die notwendigen Einsparungen mit der mittelfristigen Finanzprognose. Wörgl habe ein hohes Bevölkerungswachstum, damit bevorstehende Infrastrukturausgaben für Kinderbetreuung, Schulen etc. Steigende Ausgaben werden durch Bundesvorgaben verursacht, die u.a. mehr Personal in der Kinderbetreuung vorschreiben und durch die Nachmittagsbetreuung Freizeitpädagogen erfordern. Eine laufende Steigerung sei auch bei den Kosten der Mindestsicherung zu erwarten, die zu 30 % aus der Stadtkasse finanziert werden muss. Weitere Kostensteigerungen im Sozialbereich stehen beim Sozialsprengel an, da die Fahrzeiten des ambulanten Personals nicht mehr in der Dienstzeit abgerechnet werden können und Kosten für Todesfälle ohne Hinterbliebene künftig nicht mehr vom Sozialamt bezahlt werden. Dazu kommen sinkende Abgabenertragsanteile auf der Einnahmenseite. Um nachhaltige Budgets erstellen zu können, müsse „Geld frei werden für Bauprojekte“, u.a. für die anstehende Sanierung des Sportzentrums.

Deshalb habe der Gemeinderat im März 2017 die Einsetzung einer Budget Taskforce und die Einbindung der Unternehmensberatungsfirma ICG beschlossen, die in Österreich auch andere Gemeinden berät. Ohne Rücksicht auf politische Befindlichkeiten hätten fünf thematische Fachbereichsgruppen, bestehend aus Mitarbeitern der Stadtgemeinde unter Federführung von Dr. Andreas Pölzl von der ICG insgesamt 214 Einsparungspotenziale ermittelt. Daraus wurde nun vom erweiterten Finanzausschuss als politischer Steuerungsgruppe ein Maßnahmen-Paket mit 95 Vorschlägen erarbeitet, das den gemeinderätlichen Ausschüssen vorgelegt wird. „Dabei wurde kein Bereich ausgenommen, nur die sozialen Grundaufgaben der Stadt sind nicht betroffen“, so Wechner, die einräumt, dass anstehende Ausgaben für den Hochwasserschutz noch garnicht in das Szenario bis 2021 eingepreist sind.

Wörgl ist mit seinen Budgetsorgen österreichweit nicht allein, wie Dr. Andreas Pölzl weiß, der Städte   in sechs Bundesländer begleitet: „Die Herausforderung für die Zentralorte zwischen 10.000 und 20.000 Einwohnern besteht darin, dass sie fürs Umland viel Infrastruktur bieten und der Finanzausgleich nur nach Kopfquote, nicht auf Ausgaben basiert ist. In den letzten Jahren wurden viele Aufgaben vom Bund auf die Gemeinden abgewälzt, besonders im Sozialbereich.“ Die Schuldenstände seien nicht nur in Wörgl hoch. Die erforderlichen Einsparungen von 3,3 Millionen Euro seien nicht durch Bugdetkosmetik zu erzielen. „Wir haben tabulos alles aufgezeigt. Es ist die Aufgabe der Politik, dem die Giftzähne zu ziehen“, so Pölzl. Einmaleffekte wie der Verkauf von öffentlichem Vermögen sei nicht vorgesehen. Allerdings reiche das nun geschnürte 95-Maßnahmen-Paket nicht aus, weitere „Begleitmaßnahmen“ seien erforderlich. „In der 5-Jahresprognose geht die Lücke deutlich auf. Jetzt ist der letztmögliche Zeitpunkt für eine Konsolidierung. In 2-3 Jahren würde sonst Wörgl zum Sanierungsfall werden und im Extremfall unter Landesverwaltung gestellt“, so Pölzl.

„Ein NoGo bei der Durchleuchtung waren die internen Strukturen der Stadtwerke und ein aktiver Personalabbau im Stadtamt, es wird zu keinen Freistellungen kommen“, erklärte Wechner, die sich bei allen Stadtamtsmitarbeitern  – die Koordination der Arbeitsgruppen lag in den Händen von Stadtamtsleiterin Mag. Simone Riedl – für die Mitarbeit bedankte. Personalreduktion komme nur über natürlichen Abgang zustande. „Wir wollen als Opposition mitarbeiten und einen Konsens über alle Fraktionen hinweg erzielen“, kündigte Vizebgm. Hubert Aufschnaiter von der Bürgerliste Wörgler Volkspartei deren Zustimmung zur Vorgangsweise im Gemeinderat an. Hier sei der richtige Weg eingeschlagen worden.

„Vieles ist unpopulär, aber wichtig und richtig. Schon der letzte Rechnungsabschluss hat gezeigt, dass 3 Millionen Euro fehlen“, erklärte Finanzkontroll-Ausschussleiter GR Christian Huter. Die Summe der Einsparungen müsse aber noch höher sein als im jetzt vorliegenden Maßnahmenpaket: „Ich wäre froh über weitere Vorschläge aus dem Gemeinderat.“

Welche Einsparungen konkret mit den 95 Maßnahmen zu erzielen sind, rechnete Dr. Pölzl vor: „2018 liegen sie bei einer Million, 2019 bei 2 Millionen, 2020 bei 2,3 und 2021 bei 2,4 Millionen Euro.“ Was nun diese 95 konkret enthalten, dazu kündigte Wechner im November 2018 eine Gemeindeversammlung an und ließ durchblicken, dass Erhöhungen bei gemeindeeigenen Gebühren und Abgaben wie Erschließungskosten oder Friedhofsgebühren ebenso bevorstehen wie die vermehrte Verrechnung von Bauhofleistungen an Vereine. Der City-Bus-Abgang sei ein weiterer großer Brocken, wobei hier eine Fahrpreiserhöhung zur Weiterführung ebenso im Raum steht wie eine Abgabe an den Verkehrsverbund. „Auch die Vereine müssen sich Gedanken machen, wo sie künftig Geld herbekommen“, kündigte Wechner auch hier Kürzungen an. Wenn das alles nicht reicht, was dann? Eine Möglichkeit sei die Anhebung von Gebühren durch die Stadtwerke und Abschöpfung der Dividende fürs Stadtbudget.

Noch nicht eingepreist in die Prognose bis 2022 sind die nun mit 6,4 Millionen Euro bezifferten Kosten für die Errichtung des Hochwasserschutzes durch den Wasserverband. „Ich bin nicht der Ansicht, dass das Sache der Gemeinde ist. Wir können das jetzt noch nicht einpreisen, der Wasserverband ist noch nicht einmal gegründet“, so Wechner.

Belastet wird Wörgls Budget bis 2037 durch Projekte, die nicht in den ureigenen Zuständigkeitsbereich der Gemeinde fallen: „Fürs Wave zahlen wir bis nach 2030 jährlich 770.000 Euro und für die Nordtangente jährlich bis 2037 über 800.000 Euro Schuldendienst“, so Wechner. Bei geplanten Einsparungen sei Wörgl zudem an Verträge gebunden – wie jenen mit der Kursana zum Betrieb der Erste Hilfe-Ambulanz. Der läuft 2019 aus. „Wörgl hat kein schlechtes Rating und wir wollen auch kein schlechtes bekommen“, sieht Wechner einen weiteren Grund, der sich bei den Kosten für Kredite auswirkt. Abseits des Kürzungskurses werde es aber auch Mehrausgaben der Stadt geben – etwa für die Wirtschaftsförderung, denn damit erwarte man langfristig mehr Kommunalsteueraufkommen: „Die Kriterien sind bereits ausgearbeitet und werden dem Gemeinderat vorgelegt“, so Wechner.