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Gemeinderatsbeschluss am 2. Juli 2009 |
Die Finanzabteilung arbeitete mithilfe externer Gutachter den von der SPÖ Wörgl Ende 2008 geforderten Kassasturz der Stadtfinanzen aus und hielt sich dabei an die Anforderungen, die die Fraktionsführer am 19. Februar 2009 formuliert hatten. Die "Bilanz" beinhaltet die Ist-Situation der acht städtischen Tochtergesellschaften, die Vermögen und Schulden, eine Auflistung aller Kredite und Leasinggeschäfte sowie der Haftungen, die Entwicklung der Rücklagen sowie eine Überarbeitung der Finanzplanung 2010 und die vorhersehbaren Abweichungen.
Das unbewegliche Vermögen an Baugründen, Freiflächen, Grundstücke, Gebäude, Grünflächen, Spielplätze und Straßen weist einen Gesamtwert von rund 71,3 Millionen Euro aus, wobei die Straßen nur mit den Baukosten berücksichtigt sind. Der Fuhrpark von Bauhof und Feuerwehr wurde mit 1,2 Mio. Euro bewertet. Zu diesen Vermögenswerten kommen Kapitalbeteiligungen der Stadtgemeinde an den Tochterunternehmen mit 26,8 Mio. Euro sowie Rücklagen per 31.12.2008 mit 4,46 Mio. Euro.
Zur Bewertung der Stadtwerke informierte Bgm. Abler ließ Bgm. Arno Abler eine Bemerkung des Gutachters Dr. Braito einfließen: Die Stadtwerke stehen mit 26 Mio. Euro Eigenkapital in der Vermögensbilanz. Das Unternehmen müsste allerdings mit dem Ertragswert bewertet werden, der bei rund 35 Mio. Euro liege. Abler stellte allerdings sofort klar, dass an einen Verkauf der Stadtwerke nicht gedacht sei und das auch nicht gewollt sei.
Die offenen Darlehen werden mit 14,5 Mio. Euro ausgewiesen, die offenen Leasingraten der Stadtgemeinde mit 4,2 Mio. Euro und offene Haftungen mit 30,3 Mio. Euro. "Zum jährlichen städtischen Schuldendienst von 1,2 Mio. Euro kommen rund 870.000 Euro Ausgaben für Leasing", teilte Carola Schatz mit.
Sinkende Einnahmen, steigende Ausgaben
Die Kommunalsteuereinnahmen (aktuell 1,3 % weniger als 2008) sinken ebenso wie Transferzahlungen an die Stadt. Verringern werden sich in den nächsten Jahren auch die Einnahmen aus Bundessteuern: 2009 wird mit minus 254.000 Euro gerechnet, 2010 mit 813.000 Euro und 2011 mit 741.000 Euro weniger als in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen war. Im Herbst 2009 erwartet man zudem nochmals eine Korrektur nach unten. Dazu verändert sich die Ausgabenseite, wobei hier ein Anstieg beim Personal (rund 13 Dienstposten, vor allem im Bereich Jugend und Kinderbetreuung), der Transferzahlungen ans Krankenhaus sowie beim Sozialbeitrag und bei den Leasingraten bevorsteht.
Die Abweichungen zur Planung der Wörgl 2010-Projekte: Nach Überarbeitung des Budgets aufgrund der neuen Gegebenheiten stehen heuer um 415.000 Euro weniger für bereits beschlossene Projekte zur Verfügung als geplant.
Von den Projekten, die im Rahmen von Wörgl 2010 in Aussicht gestellt wurden, sind derzeit vier Projekte (Jugendzentrum, Kindergarten-Erweiterung, Erweiterung der Volksschule und Bau von 2 Multifunktionsplätzen/Funcurts) umgesetzt. An Kosten wurden dafür 3,9 Mio. Euro veranschlagt, tatsächlich verursacht wurden mit 5,1 Mio. Euro etwa ein Drittel mehr. Zu den Projekten Wörgl 2010 zählen weitere fünf Projekte, für die noch kein Umsetzungsbeschluss vorliegt: Ausbau des Feuerwehrhauses, Landesmusikschule neu (ohne Tiefgarage und Galerie), Erweiterung der Hauptschule, Bau einer 2-Feld-Turnhalle sowie Nachnutzung der alten Landesmusikschule. Für diese wurden ursprünglich Kosten von 9,2 Mio. Euro angenommen. Mit Juni 2009 werden sie mit 12 Mio. Euro beziffert, wobei hier der Kostenanstieg von 2 auf 3 Mio. Euro bei der Landesmusikschule hinterfragt wurde. Die 3 Mio. beinhalten den Einbau eines Saales im Dachgeschoß.
Der Kassasturz beinhaltete abschließend noch die Aufstellung bekannter Finanzierungserfordernisse bis 2015 für Projekte, die im außerordentlichen Haushalt umgesetzt werden sollen. 2009 sind das der Ausbau der Sprungschanze (171.000 Euro), Kunstrasen Sportzentrum (221.000 Euro), Hochwasserschutz Gießen mit 325.000 Euro Stadtanteil, Beiträge Gebäudeerhaltung an die VermögensverwaltungsKG (142.000 Euro) und die Dorferneuerung Bruckhäusl (100.000 Euro).
Finanzamt will in die Stadtkasse greifen und fordert 2,2 Mio. Euro Mehrwertsteuer-Nachzahlung
Bei den bis 2015 erwarteten Finanzierungserfordernissen scheinen mögliche Steuernachzahlungen ans Finanzamt auf: 2 Mio. Euro für die Wörgler Infrastruktur-Gesellschaft WIG und 200.000 Euro für die Stadtmarketing GmbH. Bei einer Überprüfung der Stadt stellten Finanzprüfer fest, dass der Vorsteuerabzug durch die städtischen Tochtergesellschaften zu unrecht erfolgt sei und forderten die Mehrwertsteuer nach. UFW-GR Herbert Pertl hakte hier nach: "Uns wurde der Vorsteuerabzug als sicher verkauft - und jetzt droht eine Nachzahlung. Wie kann das sein?"
"Vor Gründung der WIG holten wir die Stellungnahme vom Finanzministerium ein und bekamen die Bestätigung, dass diese Konstruktion umsatzsteuerfrei ist. Der Staat hat nun offenbar seine Meinung geändert. Wir beharren aber auf der seinerzeitigen Aussage des Finanzministeriums und bekämpfen diese Entscheidung bis zum Höchstgericht", erklärte Bgm. Arno Abler.
Die Schlussfolgerung aus dem Kassasturz
Das vorliegende Ergebnis führt dazu, dass keine neuen Projekte kurz- und mittelfristig umgesetzt werden können und bei den bestehenden Projekten Prioritäten gesetzt werden müssen. Bis zur Einnahmen-seitigen Erholung heißt es Spar-Budgets erstellen und Budgets konsequent einzuhalten sowie Korrekturmaßnahmen bei weiteren Einnahmeverlusten durchzuführen. Den Vorschlag der Finanzabteilung rundet eine Verwaltungsreform mit budgetwirksamen Maßnahmen ab. Kurz gesagt: "Sparen, sparen, sparen, sparen", schloss Carola Schatz ihre Ausführungen.
Ausgabenkürzungen beschlossen
Durch die Finanzkrise rechnete die Stadt bereits im April 2009 mit einem Minus von 250.000 Euro bei den Abgabenertragsanteilen (Anteil an den Bundessteuern) sowie mit einem Minus von 250.000 Euro bei der Kommunalsteuer. Um darauf zu reagieren, beschloss der Gemeinderat einstimmig Budgetsperren bei den einmaligen Ausgaben in Höhe von 220.700 Euro sowie bei den AOH-Projekten um 115.000 Euro. Die laufenden Sportsubventionen werden um 10.100 Euro (4 %) gekürzt, die laufenden Kultursubventionen um 10.100 Euro (7 %).
Kommentare aus den Fraktionen
Bgm. Arno Abler merkte an, dass eine Bilanz einer öffentlichen Körperschaft nicht direkt vergleichbar mit der Bilanzierung privater Unternehmen sei. Wörgl sei aufgrund der guten Konjunktur in den vergangenen Jahren viel reicher geworden. "Der Finanztsunami, den Lehman Brothers entfacht haben, trifft 2010 auch die öffentliche Verwaltung. Das wird extreme Konsequenzen haben und wir brauchen den Mut zu drastischen Kürzungen und Einsparungen."
"Die Finanzkrise ist nicht an unserer Budgetsituation 2009 schuld - die ist hausgemacht", merkte UFW-GR Herbert Pertl an. Auf die geschaffenen Werte wie Seniorenheim, Kindergarten, Schulzubau, Wave, Trainingszentrum und Jugendzentrum wies GR Bettina Müller hin. FWL-GR Ekkehard Wieser regte an, die Einnahmenseite zu verbessern und brachte dazu den Vorschlag, Rücklagen der Stadtwerke sowie eine jährliche Gewinnbeteiligung von 25 % von den Stadtwerken in die Hoheitsverwaltung zu überführen. Dem Vorschlag, den Citybus-Betrieb in die Stadtwerke auszulagern, stand GR Daniel Wibmer kritisch gegenüber - damit könnten Förderungen verloren werden.
Als hinterfragungswürdig bezeichnete Grün-GR Alexander Atzl anhand der neuen Finanzsituation den Bau der Doppellooping-Rutsche beim Erlebnisbad. Er findet es nicht richtig, hier 1,5 Mio. Euro auszugeben und "auf der anderen Seite können wir uns die Musikschul-Umsiedelung und den Seniorenheim-Ausbau nicht leisten."
Vizebgm. Maria Steiner appellierte für einen überparteilichen Schulterschluss zur Umsetzung von Kürzungen. Einseitiges Ausreiten und Schuldzuweisungen seien nicht gefragt. GR Daniel Wibmer wies wie Bgm. Abler darauf hin, dass die bestehende Kameralistik (Gemeindebuchhaltung) nicht ausreichend sei. Hier gelte es darauf hinzuwirken, dass auch Österreich möglichst bald die internationalen IPSAS-Standards für die Rechnungslegung öffentlicher Haushalte sowie für die öffentliche Verwaltung übernehmen soll.