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Gemeinderatsbeschluss vom 2. Juli 2009

Dass der Bedarf an Pflegeplätzen bedingt durch die Altersstruktur und längere Lebenserwartung der Bevölkerung steigen wird, ist keine neue Erkenntnis. Der tatsächliche Bedarf an Betreuungsplätzen klafft aber mit der Sozialplanung des Landes auseinander, das die Plätze kostenbedingt knapp halten will. Dabei geht die Planung aber an der Realität vorbei, wie sich jetzt u.a. auch in Wörgl zeigt. Das städtische Heim ist voll belegt, WörglerInnen auf der Warteliste haben auch in der Umgebung keine Chance auf einen Platz - auch hier sind die Betten belegt. Verschärft wurde die Situation durch den Wegfall der Kosten-Regress-Forderungen an die Familie.

Dass Wörgl künftig mehr Menschen im Seniorenheim unterbringen muss, ist dem Gemeinderat schon länger bekannt. Am 6. November 2008 fasste das Gremium den Beschluss, auf das Angebot eines privaten Seniorenheim-Projektes am Fischerfeld einzugehen. Der Gemeinderat erklärte dringendes öffentliches Interesse am Projekt, mit dem der Betreiber - das Rote Kreuz Kufstein - beim Land entsprechende Förderungen erwirken wollte. Im ersten Obergeschoß sollte eine Station mit 34 Betten als städtisches Seniorenheim betrieben werden - unter der Voraussetzung, dass für die Aufnahme von Bewohnern die gleichen Richtlinien und Kosten wie fürs städtische Heim gelten. Die Stadt sollte das alleinige Zuweisungsrecht erhalten und keinerlei Haftungen oder finanzielle Beteiligungen eingehen müssen.

Da die Tagsatzkalkulation des Landes keine Baukosten bzw. Mietanteile akzeptiert, hätte die Stadt Wörgl nun diese Kosten tragen sollen, die mit rund 15.000 Euro monatlich ohne Mehrwertsteuer veranschlagt wurden. "Zudem kommt, dass eine Privat-Seniorenresidenz die "Vollzahler" weitestgehend aus dem öffentlichen Finanzierungssystem abziehen würde und damit die Kosten im öffentlichen Bereich sich wesentlich erhöhen würden", stellte dazu der Sozialausschuss fest.

Fazit: Der Abschluss eines Organisationsvertrages mit dem Roten Kreuz Kufstein ist nicht möglich, da die Betreiberin nicht in der Lage ist, die Pachtleistungen für die beabsichtigte 34-Betten-Station zu übernehmen. Dadurch fehlen die Grundvoraussetzungen für den Abschluss des vorgeschlagenen Fruchtgenussvertrages mit der GHF-Errichtungs- und VerwaltungsGmbH. "Damit können wir einen Schlussstrich unter das Projekt privates Seniorenheim am Fischerfeld ziehen", resümmierte Bgm. Arno Abler. Derzeit würden bereits Verhandlungen mit Wohnbaugesellschaften über die Verwertung des Areals laufen. Die Benützung einer Teilfläche als Stadtpark sei aber gesichert.

"Der Stadtpark ist schön - aber der brennt nicht unter den Nägeln. Wir brauchen eine Erweiterung des Seniorenheimes und sollten dafür zweckgebunden eine Rücklage bilden und bis 2014 mit dem Bau beginnen", meldete sich Vizebgm. Hedi Wechner zu Wort. Bgm. Abler verwies neuerlich darauf, dass in Wörgl Rücklagen nie zweckgebunden gebildet würden.

"Kompromisslösung" bis zur Seniorenheimerweiterung: Doppelbelegung

Heiß diskutiert wurde danach der Grundsatzbeschluss, auf den bestehenden Betten-Notstand mit einer teilweisen Doppelbelegung in den Zimmern des städtischen Seniorenheimes zu reagieren. "Derzeit sind 20 Wörgler in umliegenden Heimen untergebracht, die nach Wörgl wollen. 5 dringende Fälle stehen auf der Warteliste, davon zwei Pflegefälle", teilte Sozialreferentin Maria Steiner mit. Derzeit sei die einzige Möglichkeit, einen Platz anzubieten, eine Doppelbelegung der 28 Quadratmeter großen Zimmer. Grundbedingung sei die Freiwilligkeit - niemand würde ohne Zustimmung zu dieser Maßnahme zu zweit in einem Zimmer untergebracht. Vor allem in der Übergangspflege sowie bei Demenz-Patienten sei an diese Übergangslösung bis zur Heimerweiterung gedacht.

"Tirolweit ist derzeit kein Pflegebett zu bekommen", schilderte Seniorenheimleiter Günter Brandl die Dringlichkeit. Durch den Wegfall des Regresses sei es tirolweit zu einem Anstieg an Anmeldungen gekommen, Doppelbelegungen gäbe es bereits überall. Voraussetzung für die Durchführung dieser Maßnahme sei eine Anpassung des Personalstandes.

"Aus pflegerischer Sicht gibt es hier Notsituationen. Angehörige kommen, da es keine Nachsorge bzw. Therapieplätze nach Schlaganfällen gibt. Die Leute werden aus dem Krankenhaus entlassen, obwohl sie weitere Pflege benötigen", bestätigte Pflegedienstleiterin Annemarie Dinkhauser.

Kontroverse Diskussion: Freiwillig oder notwendig?

"Hier bin ich grundsätzlich anderer Meinung", meldete sich GR Hannes Mallaun und lehnte ein Doppelbelegung kategorisch ab: "Das ist eine ganz schlechte Lösung. Ich habe mir die Meinung von vielen Ärzten, Pflegerinnen und Entscheidungsträgern angehört - niemand würde selbst so im Alter betreut werden wollen." Mallaun sah im Grundsatzbeschluss "einen Persilschein durch den Gemeinderat" und forderte, dass in solchen Fällen ein kleineres Gremium in gezielten Fällen entscheiden sollte anstatt einer teilweisen Doppelbelegung sofort zuzustimmen. Auf den Angriff konterte Sozialreferentin Maria Steiner mit "Lieber Kollege Mallaun - ich finde es eine bodenlose Frechheit, eine Notlösung für die Kurzzeit- und Übergangspflege als Freibrief zu bezeichnen. Dieses Thema muss man sensibel behandeln. Welche Alternativen kennst du? Du hast auch keine Lösung." Mallaun darauf: "Meine Wortwahl war absichtlich sehr hart, um die Diskussion in Gang zu bringen. Eine andere Lösung habe ich leider auch nicht."

Dem Vorwurf Mallauns widersprachen auch die Pflegedienstleitung ebenso wie Vizebgm. Hedi Wechner - eine Doppelbelegung sei nur in Notfällen eine Lösung. Von der Formulierung teilweise Doppelbelegung rückte man schließlich ab und einigte sich darauf, zunächst 10 Zimmer für eine Doppelbelegung vorübergehend vor zu sehen. Das Heim verfügt derzeit über 112 Einbettzimmer und vier bereits belegte Doppelzimmer.

"Gleichzeitig muss an der Erweiterung des Seniorenheimes ernsthaft gearbeitet werden", meinte Grün-GR Evelyn Huber, deren Fraktionskollege GR Alexander Atzl einen dementsprechenden Ergänzungsantrag auf sofortigen Planungsbeginn für die Erweiterung einbrachte: "Sonst besteht die Gefahr, dass die Doppelbelegung zur Dauerlösung wird. Es kann nicht sein, dass wir in Wörgl für alles Geld haben, aber nicht für unsere alten Leute - wir leisten uns eine Sprungschanze für 10 bis 15 Leute und eine Doppelloopingrutsche im Wave." Der Antrag ging allerdings sang- und klanglos in der weiteren Diskussion unter und wurde nicht weiter behandelt.

"Wie soll die Freiwilligkeit sichergestellt werden?" wollte GR Huber weiter wissen. Bedenken, die auch UFW-GR Herbert Pertl hegt: "Freiwilligkeit und Notwendigkeit schließen sich für mich aus - entweder oder. Wer bestimmt, was freiwillig ist?" Überhaupt, wenn der Betroffene schon ein Pflegefall ist. "Darüber entscheiden der Arzt, Pfleger und Angehörige bei Demenzkranken, was eine äußerst sensible Vorgangsweise erfordert", teilte Günter Brandl mit.

Mit der Doppelbelegung anfreunden konnte sich GR Evelyn Treichl, die dabei an Kurzzeitunterbringungen denkt, wenn beispielsweise pflegende Angehörige einmal Urlaub benötigen. Als Übergangslösung sieht SPÖ-GR Hedi Wechner die Doppelbelegung, die "diktiert von der Notwendigkeit ist". Man müsse sich eben mit "Gegebenheiten abfinden."

Bei der Beschlussfassung nach ausgiebiger Diskussion stellten sich UFW-GR Pertl und GR Mallaun (Bürgermeisterliste) gegen die Mehrheit und lehnten die vorübergehende Doppelbelegung im Seniorenheim ab.