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Wird Wörgls Integrationsbeirat von einem neuen Verein ausgehebelt? |
vero / 07.10.2007 10:41
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An der Erstellung des Integrationskonzeptes des Landes - hier im Bild die Bürgerbeteiligungsveranstaltung in Kufstein im Jänner 2005 - arbeiteten auch Migranten aus dem LA21-Arbeitskreis Kommunikation und Integration in Wörgl mit. Foto: Spielbichler
Rund ein Fünftel der Wörgler Stadtbevölkerung weist aufgrund der Zuwanderung in den vergangenen Jahrzehnten mittlerweile einen anderen kulturellen Hintergund auf, wobei die größten ethnischen Gruppen aus der Türkei und aus Ex-Jugoslawien stammen. Derzeit beträgt der Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache in den Kindergärten an die 40 Prozent.
Nachdem das Thema Integration in der Wörgler Gemeindpolitik bis 2003 kein Thema war, griff die Lokale Agenda 21 die Anliegen dieser Bevölkerungsgruppe auf und gründete den Arbeitskreis Kommunikation und Integration und in der Folge eine interkulturelle und interreligiöse Dialoggruppe. In diesen Gremien waren Vertreter unterschiedlicher Migrantenvereine und Religionen vertreten. Bis zum Frühjahr 2005 fanden auch regelmäßige Arbeitssitzungen statt, bei denen eine Reihe von Maßnahmen im Konsens ausgearbeitet wurden. Da allerdings alle Projekte zugunsten der nach der Wahl 2004 gestarteten LA21-Leitbilddiskussion auf Eis gelegt und einzelne Maßnahmen von der Gemeinde ohne Einbeziehung der Agenda durchgeführt wurden, fühlten sich die TeilnehmerInnen nicht mehr ernst genommen und stellten die Arbeitskreistreffen ein.
2006 entdeckte die Bürgermeisterliste dann den Atatürk-Verein als Partner. Im Frühjahr reiste der Bürgermeister mit Fraktionskollegen auf Einladung des Vereins in die Türkei (Fotoreportage im Stadtmagazin) und kassierte dafür Kritik von der FWL, da die Einladung nicht an andere Gemeinderatsfraktionen weitergegeben und der Flug aus der Stadtkasse bezahlt wurde.
Als weiteres Zeichen der guten Zusammenarbeit spendierte der Atatürkverein der Stadt Wörgl einen Brunnen. Nachdem Klaus Sedlak - er kandidierte auf der Bürgermeisterliste - das Projekt ohne Befassung von Lokalen Agenda-Arbeitskreisen als Agenda-Projekt einreichte, lehnte der Agenda-Beirat diese Vorgangsweise ab. Nicht, weil man gegen den Brunnen war, sondern weil es eben kein Agenda-Projekt, sondern ein Projekt des Atatürk-Vereins mit der Stadt war. Die Aufstellung (Bericht hier anklicken) in der Bahnhofstraße im Herbst 2006 erfolgte dann kurz vor der Nationalratswahl - verbunden mit einem Auftritt von Tirols ÖVP-Landesrätin Elisabeth Zanon und populistischen FPÖ-Sagern aus Innsbruck. Wobei auch der Zeitpunkt populistisch gewählt war, leuchtet doch jedem ein, dass nach der Wahl keine wahlkämpferisch motivierten ausländerfeindlichen Parolen mehr nötig waren. So wurde im Vorfeld sogar eine Demonstration gegen den Brunnen angekündigt und bewaffnete Einsatzeinheiten der Polizei (!) marschierten auf. Die Demonstranten blieben aus, doch die schiefe Optik blieb. Es folgte auch keine öffentliche inhaltliche Auseinandersetzung über die Vorgangsweise und darüber, wie Staatsgründer Atatürk, das große Vorbild des Vereins, zu seiner Zeit mit Minderheiten und dem Thema Integration umging. Denn da wäre man drauf gekommen, dass Integration da kein Thema war.
Die Brunnen-Turbulenzen veranlassten Mitglieder des LA21-Arbeitskreises Kommunikation und Integration dazu, öffentlich die Einrichtung eines Integrationsbeirates unter Leitung eines externen Integrationsbeauftragten zu fordern (weitere Info hier), was vom Gemeinderat im November 2006 dann auch beschlossen wurde (Info hier). So sollte sichergestellt werden, dass Integrationsmaßnahmen alle Zugewanderten und nicht nur einzelne Gruppen erreichen.
Bild links: Präsentierten in Telfs den neuen Verein Integrationszentrum Wörgl: Wilhelm Maier (links) und Geschäftsführer Kayahan Kaya. Foto: Maier.
Weitere Abbildungen: Das Konzept des Vereins - zum Vergrößern anklicken.
Unterlaufen wird diese vom Gemeinderat beschlossene Vorgangsweise nun von dem neu gegründeten "Integrationszentrum Wörgl", das mit Hilfe von Landessubventionen aus LR Zanons Etat sowie mittels vom Stadtrat (3 ÖVP, 2 SPÖ) beschlossener Subvention finanziert wird und eng mit dem Atatürk-Verein zusammenarbeitet, dessen Obmann Kayahan Kaya Geschäftsführer des neuen Integrationszentrums ist.
Im neuen Verein "Integrationszentrum" engagiert sich der Journalist Wilhelm Maier als Schriftführer, Obmann ist Patrick Salehi. Maier informierte die Medien auch bereits über die Vereinsaktivitäten. Bei der vom Land in Telfs Ende September 2007 durchgeführten Veranstaltung "Miteinander Zukunft - Good-practice-Modelle von Kommunen mit Migrationshintergrund im Arge-Alp-Raum" stellten GF Kaya und Schriftführer Maier den Teilnehmern vor, u.a. Landesrätin Zanon und Mag. Johann Gstir, Leiter des Landes-Integrationsreferates. Letzterer besuchte mit Dr. Gerhard Hetfleisch vom ZeMiT (Zentrum f. MigrantInnen in Tirol) auch schon den Verein, um ihn kennenzulernen.
Beim IFTAR - gemeinsamen Fastenbrechen - im Atatürk-Verein: Josef Höger und Kayahan Kaya, im Bild rechts weiters Ahmet Kaya (Picknick), Andreas Kovacevic und Stadtrat Mike Pfeffer (SPÖ), der als Kassier ebenfalls im Vorstand sitzt. Fotos: Maier
Wilhelm Maier berichtete mittels Presseaussendung, dass am Donnerstag, 4.10.2007 im Vereinslokal des Wörgler Atatürkvereines das sogenannte IFTAR / Fastenbrechen, abgehalten wurde. Zu diesem Fest begrüßte der Vereinsobmann Kayahan Kaya u.a. Bgm. LA Arno Abler, Honorarkonsul a. D. Josef Höger, Vbgm. Hedi Wechner und Stadtrat Michael Pfeffer. Noch bis vor kurzem distanzierte sich der Atatürk-Verein von religiösen Inhalten. Am 1. Juni 2006 titelte die TT beispielsweise beim Interview zum Thema Integration mit Kayahan Kaya: "Bei unserem Verein gibt es kein Kopftuch".
Zum IFTAR waren auch Vertreter anderer Migranten-Organisationen eingeladen. Fotos: Maier
Die Vereinsgründung lief am Sozialausschuss ebenso vorbei wie an Vizebgm. und Sozialreferentin Maria Steiner. Noch eine Woche vor der Gemeinderatsitzung liefen Gespräche mit Grün-Gemeinderätin Evelyn Huber, die die Leitung des Integrationsbeirates übernehmen sollte, sowie mit LA21-Beauftragten Peter Warbanoff hinsichtlich einer professionellen Begleitung des Gremiums.
Persönlicher Kommentar: Welches Integrationsverständnis herrscht in Wörgl?
Die Entscheidung über die Fortführung der Integrationsarbeit in Wörgl wird zeigen, welches Integrationsverständnis im Gemeinderat herrscht. Ein friedliches Miteinander der einzelnen ethnischen und religiösen Gruppen ist auf Dauer nur gewährleistet, wenn die Bedürfnisse aller gleich ernst genommen werden und nicht ein Verein und dessen Umfeld bevorzugt behandelt und mit Steuergeldern überhäuft wird.
Weitere Info zur LA21: Protokoll des Treffens des LA21-Arbeitskreises Kommunikation & Integration im Februar 2005 - hier anklicken...
Nachdem mit dem Gemeinderatsbeschluss im Februar 2005 die Umsetzung von Projekten neuerlich auf die offizielle Zertifizierung der LA21 verschoben wurde, kamen zum letzten Treffen im März 2005 nur mehr zwei Mitglieder. Weitere Arbeitskreistreffen wurden seither nicht mehr anberaumt, die Arbeitskreisleitung zurückgelegt und aufgrund mangelnden Interesses seitens der Beteiligten nicht mehr neu besetzt. Die nicht öffentlichen Treffen der Dialoggruppe liefen monatlich bis Juni 2005 noch weiter.
Für interreligiösen und interkulturellen Dialog engagiert sich das Friede-Institut für Dialog in Innsbruck. Weitere Info unter http://www.derfriede.com/
Weitere Infos zum Fastenbrechen im Ramadan, der heuer am 13. September begonnen hat - hier anklicken