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Vortrag von Markus Rachbauer und Thomas Rammerstorfer über Rechtsradikalismus in der Musikszene

 

Grün-Gemeinderat Alexander Atzl begrüßte das interessierte Publikum im Wörgler Jugendzentrum ZONE beim  Infoabend Brauntöne, den die Wörgler Grünen als öffentlichen Wahlkampfauftakt ihrer Gruppierung veranstalteten.

 

"Internationale Erfahrungen zeigen, dass Musik den Weg in die rechtsradikale Szene ebnet", stellte 2007 ein BMI Verfassungsschutzbericht fest. Mit diesem Statement leiteten Markus Rachbauer und Thomas Rammerstorfer ihren mit Abbildungen und Tonbeispielen illustrierten Vortrag "Brauntöne" ein und gingen zunächst der Geschichte des Rechtsrock nach.

Rockmusik und ihre Vorläufer wurden anfänglich von faschistischen Systemen abgelehnt - während des Nationalsozialismus galt das Genre als "entartete" Musik. "Rechtsextreme standen dem Rock lange Zeit ablehnend gegenüber. Das änderte sich erst mit der Skinhead-Bewegung der 2. Generation in den 1980er Jahren, ausgehend von England", schilderte Thomas Rammerstorfer die Anfänge. Die in den 1960er Jahren als unpolitische Arbeiterklassen-Jugendkultur begründete Skinhead-Bewegung erlebte erst später, als die "Ur-Skins" schon verschwunden waren, eine Politisierung nach links in die Punk-Bewegung und nach rechts, hin zu rechtsradikalen Inhalten. "Das wurde durch die nationalistische Politik von Margreth Thatcher gefördert", so Rammerstorfer. Nach dem Vorbild der erfolgreichsten Skinhead-Band Screwdriwer entstanden hunderte Rechtsrock-Bands und eine eigene Szene mit Labels und Mode, die sich im Lauf der Jahre als "Blood & Honour"-Bewegung internationalisierte. "Derzeit gibt es Blood & Honour-Organisationen in 25 Staaten, besonders stark vertreten sind sie in Osteuropa."  Blood & Honour war in terroristische Aktivitäten in Nordirland verwickelt. Während die Organisation in Deutschland seit 2000 verboten ist, darf sie in Österreich aktiv sein. Ebenso die Ende der 1980er Jahre entstandenen Hammer-Skins, die in Österreich in Vorarlberg und Oberösterreich jeweils in Zusammenarbeit mit Gruppen aus den Nachbarländern Schweiz und Bayern auftreten.

 

Zu den Symbolen der rechtsradikalen Musikszene gehören die "White-Power-Faust" und das Keltenkreuz, dessen Verwendung in Deutschland untersagt ist, in Österreich aber durchaus verwendet wird, wie beispielsweise die Ankündigung einer Sonnwendfeier der Freiheitlichen in Oberrösterreich mit "Feuerrede von Susanne Winter" (Bild Mitte) zeigt. Rechtsradikale Musikgruppen entlehnen oft Symbole aus vorchristlichen Religionen.

Dass rechtslastige Rockmusik im deutschsprachigen Raum "salonfähig" wurde, sehen Rammerstorfer und Rachbauer als zweifelhaften Verdienst der "Böhzen Onkels", die aufgrund öffentlichen Drucks ihre rechtsradikalen Inhalte zugunsten des kommerziellen Erfolges zwar "entpolitisierten", aber: "Sie haben wesentlich dazu beigetragen, dass sich die bis dahin verfeindeten Langhaarigen mit den glatzköpfigen Skinheads auf Konzerten kennengelernt haben", so Rammerstorfer. Zu den ersten erfolgreichen Rechtsrock-Bands in Deutschland gehörte Störkraft und die bis heute erfolgreichste Formation "Landser", die sich offen als Neo-Nazis deklarieren. Sie bauten geheime Vertriebsstrukturen auf, organisierten illegal Konzerte und schufen ein kriminelles Netzwerk, dessen Betreiber Ende der 1990er Jahre als kriminelle Vereinigung verurteilt wurden und der Sänger für fünf Jahre ins Gefängnis wanderte. Mittlerweile steht er wieder auf der Bühne - vorwiegend in Osteuropa, dort mit großem Erfolg.

NS-Hardcore, Liedermacher & Hip Hop

Neben dem klassischen Rechtsrock verbreitet sich rechtsradikale Ideologie mittlerweile in vielen Musikgenres. Im Techno huldigen Fans Hitler-Hetzreden. NS-Gedankengut nistete sich bei Hardcore-Bands ebenso ein - Beispiele für diesen "Hatecore" sind Max Resist oder Painful life. "Diese Bands sind auf den ersten Blick oft nicht von anderen Hardcore-Punk-Bands zu unterscheiden", erklärte Markus Rachbauer. Oftmals übernimmt die Rechte Szene auch linke Symbole: "Das beste Beispiel ist das Palästinenser-Tuch. Es war früher ein Attribut für linke Gesinnung und wird heute in Deutschland fast nur bei Aufmärschen von Rechtsradikalen gesehen." 

  

Auch die Liedermacher-Szene weist mittlerweile Neonazi-Inhalte auf: das Duo Annett & Michael (Letzterer starb 2009) gehört in diese Ecke ebenso wie "Liedermacher Bernd" (Bild Mitte). In den USA treibt Rassenwahn seine Blüten im "Girlie-Nazi-Rock" und bei unseren deutschen Nachbarn punkten "Die Zillertaler Türkenjäger", die mit dem Zillertal aber überhaupt nichts zu tun haben, mit gecoverten Schlagern, die sie mit Neonazi-Texten versehen.

Im Hip-Hop sind rechtsradikale Texte eher die Ausnahme, aber durchaus vorhanden. Beispiele: Zyklon Beatz oder Dissau Crime, und in Oberösterreich fordert ein 17jähriger Rapper zur Gewalt gegen Homosexuelle auf. Eindeutig kriminell wird es in der Black-Metal-Szene, wo vor Massenvergewaltigungen ebenso wenig zurück geschreckt wird wie vor Morden oder Brandstiftungen und diese Verbrechen bei den Fans noch das Ansehen der Bands steigen lassen. Menschenverachtende und frauenfeindliche Inhalte mit Bezügen zu Satanismus und archaischen Naturreligionen tauchten in den 1990er Jahren in der Black-Metal-Szene auf und werden offen beworben. Ausgehend von Nordeuropa hat diese Bewegung vor allem in Ländern wie Polen, Russland und Ukraine starken Zulauf. "In Österreich gibt es nur sehr wenige, so tauchte in Oberösterreich 2007 die Gruppe "Pestschwadron" auf. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden aber eingestellt."

Rammerstorfer und Rachbauer orten bei der österreichischen Justiz in zahlreichen Fällen ein zu zurückhaltendes bzw. nicht vorhandenes Einschreiten. Selbst wenn einschlägige Veranstaltungen gemeldet werden. So wurde ein Konzert einer Neonazi-Band in Oberösterreich nicht verboten. "Die meisten Konzerte rechtsradikaler Gruppen finden in Vorarlberg und Oberösterreich statt", so Rachbauer und Rammerstorfer. In Vorarlberg bestehe seit Mitte der 1990er Jahre eine Blood & Honour-Struktur, die Konzerte organisiere mit Teilnehmern bis zu 1.500 und 2.000 Leuten. Weiters waren in den vergangenen Jahren größere Veranstaltungen in Vorchdorf (2003) und Innsbruck (2004 bis 2006 - Misanthropic Violence Festival im Hafen, wurde 2007 aufgrund einer SPÖ-Initiative verboten).

Da die rechtsradikalen Inhalte in Deutschland und Österreich als NS-Wiederbetätigung verboten sind, weichen Festivals in Nachbarstaaten aus. "Die rechtsradikale Szene verfügt mittlerweile über eine gute internationale Vernetzung", zeigen Rammersdorfer und Rachbauer auf. Beispiele dafür: Das Dunkelheit-Festival 2007 in Brünn, das ungestört durchgeführt wurde. Oder der Auftritt österreichischer Neonazi-Liedermacher in Kroatien und kroatischer Rechtsrock-Bands in Österreich. Im Jänner 2010 fand z.B. ein Neonazi-Konzert in Slowenien mit Beteiligung deutscher und österreichischer Gruppen statt (Bild oben links). "Als Veranstalter von rechtsradikalen Konzerten treten in Österreich immer wieder Burschenschaften wie die Olympia auf, weiteres die Skinheads Steiermark (SS) und Blood & Honour in Vorarlberg."

Die Internationalen Aktivitäten der Szene sind europaweit vernetzt. So kämpften z.b. französische Neonazis im Balkan-Krieg auf Seiten der Kroaten gegen die Serben. "Die White-Power-Ideologie verbindet über Nationalitäten hinweg. Diese Szene ist viel besser vernetzt als die Linken", stellten die Referenten bei ihren Recherchen fest. Und weiter: "Auch unter Migranten gibt es rechtsradikale Strömungen. Bei den Türken sind hier die Grauen Wölfe vor allem in Hip Hop-Bands aktiv." Rechtsradikale Aktivitäten gibt´s aber nicht nur in der Musikszene: "Besonders viele Neonazis finden sich bei den Kampfsportarten Thai- und Kickboxen und sind teilweise bei den Sportverbänden sogar als Funktionäre aktiv."

Rechtsextreme Ökonomie

Rechtsradikale Gesinnung sei mittlerweile zur sozialen Bewegung geworden, die sich nicht nur in der Musik zeige, sondern auch in der Mode. "In den vergangenen Jahren ist eine rechtsextreme Ökonomie mit Tatoo-Studios, Labels, eigenen Beiseln und Security-Firmen entstanden", berichtet Markus Rachbauer. Einerseits wurden Bekleidungsmarken von der rechten Szene vereinnahmt - z.B. Londsdale, Pit Bull oder Fred Perry (ein erfolgreicher Tennissportler aus einer jüdischen, sozialistischen Familie!), andererseits wurden eigene Marken gegründet: Thor Steinar oder die Marke Maxh8. Zahlen- und Buchstaben-Kombinationen stehen oft als Abkürzung für Adolf Hitler - 1. und 8. Buchstabe im Alphabet.

Der Umstand, dass es diese rechtsextremen Wirtschaftsbetriebe gebe, führe dazu, dass Leute länger in der Szene aktiv sind. Während in Deutschland der Verfassungsschutz derzeit keine "Scharnierwirkung" der Rechtsextremen in die Mitte der Gesellschaft und damit keine allgemeine Bedrohung sehe, werten Rammerstorfer und Rachbauer die Situation in Österreich anders - hier gebe es eine Partei, die diese Szene unterstütze.

In den vergangenen zwei bis drei Jahren orten die beiden Referenten ein "Aufblühen der Neonazi-Szene", womit auch der Rassismus stark zugenommen habe. Eingeräumt wird dabei bei Jugendlichen, dass Provokation als Motivation eine Rolle spielt: "Womit kann man heute noch provozieren? Gefärbte Haare, Tatoos, Pearcing - das regt keinen mehr auf."

In der Diskussion nach dem Vortrag wurde den Referenten die Frage gestellt, wieweit Namen der Bands in der Berichterstattung erwähnt werden sollen und ob da nicht die Gefahr bestehe, dass dadurch erst Leute neugierig würden und sich dafür interessieren: "Wer sich dafür interessiert, findet diese Facts ohnhin übers Internet!" Das Wissen über die Hintergründe erleichtere aber, dagegen vorzugehen und zu sensibilisieren. So werde der Brauntöne-Vortrag auch als Aufklärungs-Unterricht in Schulen eingesetzt.

Zu den Referenten: Mag. Markus Rachbauer studierte Politikwissenschaft und arbeitet als pädagogischer Mitarbeiter einer Gedenkstätte für Opfer des Nationalsozialismus. Thomas Rammerstorfer recherchiert seit 15 Jahren zu Rechtextremismus und verwandten Themen, ist Mitglied der Redaktion von Context XXI und Mitarbeiter der Liga für emanzipatorische Entwicklungszusammenarbeit (www.leeza.at).