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Presseaussendung von Landtagspräsident Herwig van Staa

Betreffend Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trestenja vom 16. Dezember 2010 in der Rechtssache C-28/09, Europäische Kommission gegen Republik Österreich betreffend „Vertragsverletzungsverfahren eines Mitgliedstaats – Art. 226 EG – Art. 28. EG bis 30 EG – Alpenquerender Güterverkehr – Sektorales Fahrverbot für Lkw über 7,5 t“

Dringlichkeitsantrag
des Präs. DDr. Herwig van Staa und der Abg. VP Mag. Bodner, VPin Schiessling, KO Geisler, KO Ernst, KO Ing. Bock, KO Mag. Hauser, KO Willi und KO Gurgiser
betreffend:
Schlussanträge der Generalanwältin Verica Trestenja vom 16. Dezember 2010 in der Rechtssache C-28/09, Europäische Kommission gegen Republik Österreich betreffend „Vertragsverletzungsverfahren eines Mitgliedstaats – Art. 226 EG – Art. 28. EG bis 30 EG – Alpenquerender Güterverkehr – Sektorales Fahrverbot für Lkw über 7,5 t“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen den
Antrag:
Der Landtag wolle beschließen:
Der Tiroler Landtag ersucht die Österreichische Bundesregierung, vom Rat und dem Europäischen Parlament sowie dem Ausschuss der Regionen unter Hinweis auf bestehende Beschlüsse die Unterstützung einzufordern, dass die Europäische Kommission ihre Klage gegen das sektorale Fahrverbot, die lediglich vom Königreich Niederlande und der Republik Italien unterstützt wird, zurückzieht.
Der Tiroler Landtag ersucht weiters die Österreichische Bundesregierung, die oben erwähnten Europäischen Organe darauf hinzuweisen, dass bei Aufhebung des sektoralen Fahrverbotes, das zum Schutz der Gesundheit der BürgerInnen und der Umwelt in Umsetzung einschlägiger EU-Richtlinien erlassen wurde, sich die Bevölkerung sowie die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften veranlasst sehen könnten, Notwehrmaßnahmen zu ergreifen.
Weiters wird beantragt, diesen Antrag dem Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft, Verkehr und Umwelt sowie dem Ausschuss für Föderalismus und Europäische Integration zuzuweisen.
Begründung:
In Tirol können seit Jahren an zahlreichen Luftgütemessstellen die von der Europäischen Union in der Richtlinie 2008/50/EG vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa verbindlich vorgegebenen Luftqualitätsziele nicht eingehalten werden.
Tirol hat auf Basis umfassender Studien in enger Abstimmung mit den Dienststellen der Europäischen Kommission ein Programm zur Verbesserung der Luftqualität ausgearbeitet, das u.a. zahlreiche Maßnahmen im Verkehrsbereich beinhaltet. Diese Verkehrsmaßnahmen wurden in einem abgestuften Zeitplan in Wirksamkeit gesetzt.
Diese Maßnahmen beinhalten ein Nachtfahrverbot, ein Fahrverbot für schadstoffreiche Lkw (Euro 0, I und II), ein flexibles Tempolimit für Pkw sowie ein Verbot des Transports bestimmter Güter auf der Inntal Autobahn. Letztere Maßnahme wurde in 4 Stufen eingeführt.
Die Entwicklung des Maßnahmenkonzeptes erfolgte unter besonderer Berücksichtigung der Transportmöglichkeiten auf der Schiene, um insbesondere für die vom sektoralen Fahrverbot erfassten Fahrten eine Transportalternative auf der Schiene anbieten zu können.
Das seit Mai 2008 in Wirksamkeit befindliche sektorale Fahrverbot hat erwiesener Maßen zu keiner Beeinträchtigung des freien Warenverkehrs geführt. Im vergangenen Jahr konnte bereits an den Messstellen im Unterinntal ein Rückgang der Immissionsbelastung verzeichnet werden.
Mit den nunmehr vorliegenden Schlussanträgen der Generalanwältin besteht die Gefahr, dass diese Maßnahme, die zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung und der Umwelt erlassen wurde, durch den Gerichtshof der Europäischen Union aufgehoben wird. Damit wird der erfolgreiche Weg der Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene in Frage gestellt und ist daher eine Rückverlagerung des Gütertransports auf die Straße und einer Verschlechterung der Umwelt- und Gesundheitssituation zu befürchten.
Wenn nunmehr das sektorale Fahrverbot aufgehoben werden müsste, so erfolgt dies im Widerspruch zu den europäischen Luftreinhalteverpflichtungen und zu den Bestrebungen der Union zur Ökologisierung des Verkehrs und des Klimaschutzes.
So hat die europäische Kommission bereits im Weißbuch – Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft (2001) Folgendes festgestellt:
„Die Lebensqualität der Bewohner Tirols bzw. Südtirols ist durch den kontinuierlichen und zunehmenden Lkw-Verkehr gefährdet, innerhalb eines akzeptablen Zeitraums ist daher über den Bau des neuen Brenner-Tunnels zu entscheiden.“
Das sektorale Fahrverbot ist eine Schutzmaßnahme und entfaltet gleichzeitig eine Lenkungswirkung in Richtung Schiene.
Für die Tiroler Bevölkerung würde die Aufhebung dieser Maßnahme einen Rückschritt in den Bemühungen zur Verlagerung des Güterverkehrs bedeuten. Überdies wäre es schwieriger die Sinnhaftigkeit des Brenner Basistunnels und des hiefür notwendigen Mitteleinsatzes zu begründen.
Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Bevölkerung und auch Vertreter von Institutionen sogar zu Notwehrmaßnahmen greifen. Selbst die Europäische Kommission hat in ihrem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der RL 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge (Ökologisierung des Verkehrs 2008) ausgeführt, dass „Andernfalls lokale Behörden in Gebieten mit einer starken Infrastruktur- und Umweltbelastung durch den internationalen Verkehr sich gezwungen sehen könnten, andere, nicht koordinierte Maßnahmen, wie z.B. sektorspezifische Verkehrsverbote, zu treffen.“
In diesem Sinne wird daher die Österreichische Bundesregierung ersucht, im Rahmen ihrer diplomatischen und rechtlichen Möglichkeiten den Rat, das Europäische Parlament und den Ausschuss der Regionen in dieser heiklen Situation eines Zielkonflikts zwischen dem unionsrechtlich gebotenen Schutz der Gesundheit und Umwelt einerseits sowie der Freiheit des Warenverkehrs anderseits um Unterstützung zu ersuchen, damit die Klage von der Europäischen Kommission zurückgezogen wird.
 
Innsbruck, am 16.12.2010