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TT-Forum zur Nordtangente am 9. Feberuar 2011
vero / 10.02.2011 20:55
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Wörgl  Straßenbau  Nordtangente  Verkehr  TT-Frou 

  

Am Podium: Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner, Moderator Mario Zenhäusern, Verkehrsreferent Ing. Emil Dander.

„Die Nordtangente ist ein strapazierter Begriff und ist schon über 10 Jahre ein Thema. Noch ist davon aber wenig zu sehen“, eröffnete Mario Zenhäusern, Chefredakteur der TT die Podiumsdiskussion am 9. Februar 2011 im Volkshaus Wörgl.

Bürgermeisterin Hedi Wechner erläuterte zunächst die Entstehungsgeschichte des Straßenbauprojektes der Stadt Wörgl. 1999 lag dafür ein Erstentwurf mit einer Kostenkalkulation von 11 Millionen Euro vor. Nach dessen Überarbeitung wurde 2003 in Absprache mit allen Gremien die WIG –Wörgler Infrastruktur Gesellschaft mbH zur Abwicklung des Straßenbauprojektes gegründet. Ziel der Vorgangsweise war die Ersparnis der Mehrwertsteuer. 2003 begann der Bau der SPAR-Zufahrt, die im Dezember 2004 bereits fertiggestellt, aufgrund fehlender Anbindung an die Autobahn aber erst Jahre später in Betrieb gehen konnte.
Das Hochwasser von 2005 führte neuerlich zu einer Umplanung und Erhöhung des Straßenniveaus um eineinhalb Meter, um Hochwassersicherheit zu bieten. Dass sich der Straßenbau immer wieder verzögerte und der geplante Fertigstellungstermin für die gesamte Nordtangente 2007 platzte, begründete Wechner weiters mit schwierigen Grundverhandlungen, vor allem mit der Asfinag. 30 Verträge wurden bisher bereits erstellt.
Im August 2009 ging dann mit der Eröffnung des Kreisverkehrs Wörgl-West der erste Teil der Nordtangente in Betrieb, die vorerst noch als Erschließungsstraße fürs Gewerbegebiet gesehen wird und bis zur Pumpstation beim Giessenbach asphaltiert wurde. Für heuer sei der Ausbau der Nordtangente bis zum Anschluss Wörgl Mitte geplant. Für die Weiterführung der Trasse im Osten findet am 4. März 2011 die nächste Verhandlungsrunde mit der Asfinag und dem Land Tirol statt, kündigte Wechner an. Die Trasse sei vom Ministerium zwar seit Jänner 2009 grundsätzlich bewilligt, jetzt gehe es allerdings um die endgültige Ausführung. Da der geplante Tyrol Tower nicht gebaut wird, ergeben sich Planungsänderungen.
Nordtangente kostet voraussichtlich 17 Millionen Euro
Bis jetzt wurden 10,2 Millionen Euro in den Bau der Nordtangente investiert – die ursprüngliche Kostenschätzung revidiert die Stadt nun auf 17 Millionen Euro. „Ist die Nordtangente überhaupt finanzierbar?“ fragte Moderator Mario Zenhäusern und kam auf die WIG zu sprechen, die durch die Mehrwertsteuer-Rückforderung des Finanzamtes in die Schlagzeilen kam. Zwei Millionen Euro musste die Stadt dafür ans Finanzamt abliefern. Die Bürgermeisterin meint zu unrecht:  „Im Vorfeld der WIG-Gründung gab es Gespräche mit dem Finanzamt, in denen der Vorsteuerabzug als berechtigt zuerkannt wurde. Unter Minister Molterer wurde das nach Baubeginn der Nordtangente geändert.“  „Die WIG wurde mit Zustimmung aller Gremien gegründet und bei den folgenden jährlichen Prüfungen war bis 2007 alles o.k.“, bekräftigte Verkehrsreferent Dander. Die Stadt beeinspruchte die Rückforderung und gehe nun davon aus, das Geld vom Finanzamt wieder zurück zu bekommen.
Was die grundsätzliche Finanzierbarkeit betrifft, bezeichnete Wechner sie als „ein Muss“.

  

Voller Saal im Volkshaus Wörgl beim TT-Forum zum Thema Nordtangente.

Unzumutbarer Zustand am Giessenweg
Die erste Wortmeldung aus dem Publikum zeigte den untragbaren Zustand auf dem einspurigen Giessenweg im Anschluss an den schon bestehenden Teil der Nordumfahrung auf: „Viele benützen diese Strecke jetzt schon als Umfahrung – es ist nicht zum Aushalten und die Staubbelastung im Sommer ist unerträglich.“ Auf der einspurigen Fahrbahn bleiben immer wieder Lkw und Busse stecken. Da auch viele Urlauber auf dieser Strecke dem Stau durch die Stadt ausweichen, gehe man davon aus, dass Navigationssysteme die Route empfehlen. Für die Anrainer wird die Zufahrt zum Spießroutenlauf, für Radfahrer ist die Strecke lebensgefährlich.
Wechner und Dander betonten, dass diese Entwicklung nicht im Sinn der Stadt sei, waren bei konkreten Maßnahmen aber recht ratlos. „Ein allgemeines Fahrverbot würde nur bedingt helfen, da die Betriebe an der Nordtangente als Anrainer gelten“, erklärte Dander, der als Lösung den „schnellstmöglichen Ausbau der Nordtangente bis Wörgl Mitte“ sieht.
Was derzeit noch an einem Grundbesitzer scheitere, da dieser die erforderliche Unterschrift bislang schuldig blieb. Wer dieser Grundeigentümer ist, wurde von den anwesenden Anrainern auch schnell festgestellt: Es könne sich nur um die Dorfinteressentschaft handeln. „Als wir 2007 die Ablösesumme angeboten bekamen, wurde uns geraten, sie zu akzeptieren, da man sonst irgendwann enteignet würde. Warum wird das bei der Dorfinteressentschaft nicht  gemacht?“ wollte eine Betroffene wissen. „Das ist eine heikle Frage. Wir würden eine Enteignung nicht durchstehen, da wir diese Grundeigentümer noch an anderen Stellen brauchen“, erklärte daraufhin Wechner.
Kuriose Züge nahm die Diskussion bei der Frage von Anrainern nach den laufenden Verbreiterungsarbeiten des Giessenweges im Bereich Mauracher an. Vor sechs Wochen sei vermessen worden, jetzt laufen die Planierungsarbeiten. „Uns wurde gesagt, dass sei jetzt die Notlösung, weil das Geld für den Fertigbau fehlt“, meldete sich eine Anrainerin, was Verwunderung bei Wechner und Dander hervorrief. Beiden war von den Bauarbeiten nichts bekannt, was Moderator Zenhäusern fragen ließ: „Gibt es in Wörgl Straßenbauarbeiten, von denen niemand etwas weiß? Kommt der Auftrag dazu noch von der alten Regierung?“ Das wurde gleich dementiert – und Aufklärung brachte dann eine Mitteilung des Raumordnungsausschusses, dass die Verbreiterung lediglich als Zufahrt für anzusiedelnde Betriebe diene.
„Für den Abriss des Fußgängersteges in der Unterführung stehen heuer 100.000 Euro zur Verfügung“, ging Dander auf den weiteren Verlauf der Bauarbeiten ein. Für den Umbau der T-Kreuzung Poststraße/Pichlerstraße seien weitere 300.000 Euro erforderlich, die vom Gemeinderat allerdings noch nicht freigegeben sind. 
Was bringt die Nordtangente?
Bedenken über das steigende Verkehrsaufkommen in der Pichlerstraße wurden ebenso laut wie über die Sinnhaftigkeit der Nordtangente überhaupt. „Das kostet zig Millionen – und was bringt es?“ wollte ein Teilnehmer wissen. Wechner rechtfertigte den Straßenbau mit der Entlastung der Bundesstraße, die nach Fertigbau der Nordtangente Gemeindestraße werden soll, als auch mit der Erschließung des neuen Gewerbegebietes. Und in Zahlen? Derzeit befahren täglich rund 30.000 Fahrzeuge die B171 durch die Stadt. „20 Prozent davon werden sich auf die Nordtangente verlagern“, wies Dander auf Berechnungen des Verkehrsgutachters hin. „6000 weniger bei 30.000 – das ist marginal", merkte dazu Mario Zenhäusern an.
Eine deutliche Entlastung erhofft sich Andreas Obitzhofer, der selbst Verkehrsreferent in Wörgl war: Auf der Bundesstraße seien viele Vignettenflüchtlinge unterwegs, die dann wohl auf die Nordtangente ausweichen anstatt auf dem Ampelparcours durch die Stadt rollen. Die generelle Notwendigkeit der Stadtumfahrung betonte Erwin Obermaier, Leiter des Baubezirksamtes Kufstein: „Die Anfälligkeit eines Verkehrssystems ohne Alternative ist groß – ein Unfall, und alles steht. Es braucht eine Ausweichmöglichkeit.“ Obermaier bestätigte auch, dass das Land die Nordtangente nach Fertigstellung (geplant ist 2014) übernehmen wolle und brachte Verständnis für die langwierigen Verhandlungen mit der Asfinag auf, die er aus eigener Erfahrung kenne.

   

TT-Moderator Mario Zenhäusern ließ das Publikum ausführlich zu Wort kommen - darunter Helmut Lengerer, verkehrsgeplagter Anrainer der Wildschönauerstraße (Bild Mitte).  Um Auskunft wurde auch Erwin Obermaier,  Leiter des Baubezirksamtes Kufstein, gebeten (Bild rechts). 

Das ungelöste Problem der Wildschönauer Zufahrt…

Als Problem ortete Obitzhofer die Zufahrt in die Wildschönau und brachte eine Tunnellösung ab Wörgl-West als Vision, die es anzugehen gilt, in die Diskussion ein. Diese hat schlechte Umsetzungschancen. „Auf der Wildschönauerstraße fahren täglich im Schnitt 5.000 Fahrzeuge, zu Spitzenzeiten mehr. Um vom Land Geld für den Tunnelbau zu erhalten, braucht es mindestens 5.000 Fahrzeuge – und das ist bei der Verteilung des Verkehrs in der Stadt Richtung Westen nicht der Fall, die Verkehrswirksamkeit wäre nicht gegeben“, so Obermaier. Den Vorschlag aus dem Publikum, zur Entlastung eine Hangtrasse im Süden der Stadt zu errichten, winkten sowohl Wechner als auch Dander ab. Wechner wies auf das Naherholungsgebiet hin und Dander auf Experten-Aussagen, dass eine Tunnelvariante besser sei.
Als betroffener Anrainer der Wildschönauerstraße wies Helmut Lengerer, der seit 16 Jahren eine Zählstelle bei seinem Haus betreibt, auf die Problematik des bereits diskutierten, allerdings nicht spruchreifen Skigebiet-Zusammenschlusses von Wildschönau und Alpbach hin: „Wenn das kommt, brauchen wir eine Lösung. Zu Spitzenzeiten fahren jetzt schon 8.000 Fahrzeuge an unserem Haus vorbei.“
Kreisverkehr  Wörgl Ost wird ausgebaut
Eine Lösung braucht´s auch auf der B171 – einerseits betreffend einer vernünftigen Phasenregelung bei den vielen Ampeln, andererseits durch den Bau des M4+, das weitere Geschäftsflächen sowie Sportanlagen an die Salzburgerstraße bringt. „Im März wird mit dem zweispurigen Ausbau des Kreisverkehrs beim Werlberger begonnen“, teilte Verkehrsreferent Dander mit. Die Baumaßnahmen seien zeitlich vor den Ausbau des Grattenbrücke-Kreuzungsbereiches  2012 vorgezogen worden.
Weitere Verkehrsthemen…
In der Publikumsdiskussion wurden  weiters fehlende Behindertenparkplätze bei der Gebietskrankenkasse in der Poststraße sowie der Lkw-Tankstellen-Verkehr durch die Stadt thematisiert. Mehr Lärmschutz vor der Autobahn wünschen sich die Bewohner der Siedlung am Giessenweg – hier sei eine Lärmschutzwand um 200 Meter zu kurz.
Der Abend machte einmal mehr klar, dass eine schnelle Lösung des komplexen Wörgler Verkehrsproblems nicht zu erwarten ist. Pointiert drückte es Wörgls Polit-Pensionär Andreas Obitzhofer aus und erntete dafür einen Publikumslacher: „Wenn man in der Stadt jemandem was Böses antun will, macht man ihn zum Verkehrsreferenten.“