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Presseaussendung des Tiroler Bauernbundes
vero / 05.05.2011 12:08
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Bewusst mit Lebensmitteln umgehen 

Acht Prozent des Tiroler Restmülls sind genießbare Lebensmittel, Speisereste nicht mit eingerechnet. Auch die Entsorgung über die Biotonne fehlt bei dieser Prozentzahl. Das sind 1.600 Tonnen jährlich. Dass das nicht sein muss, darüber informierten Abfallexpertin Felicitas Schneider von der BOKU Wien, Diätologin Angelika Kirchmaier und Caritas-Präsident Georg Schärmer.
 
„In der gesamten Lebensmittelkette vom Urproduzenten bis hin in den Handel werden Produkte weggeworfen, denen eigentlich nichts fehlt. Die Schätzungen weltweit reichen von zehn bis 50 Prozent an Verlusten“, erklärt DI Felicitas Schneider von der Universität für Bodenkultur in Wien. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich. „2009 wurden etwa in Europa 11,5 Mio. Tonnen an Tafeläpfeln produziert, obwohl der Markt nur 10 Mio. Tonnen verträgt. Das heißt, das Obst kommt oft gar nicht in die Läden“, so Schneider. Aber auch im Haushalt fehlen die Übersicht und die Eigenverantwortung. Es wird oft doppelt und dreifach eingekauft und dann achtlos weggeworfen. Was die Abfallexpertin am meisten erschreckt, sind original verpackte Lebensmittel, die sich im Restmüll finden. „Wir unterscheiden zwischen original verpackten und angebrochenen Lebensmitteln sowie Speiseresten. Sechs bis 12 Prozent des Restmülls stammen aus den ersten beiden Kategorien. Das sind etwa in Wien 40 Kilogramm pro Einwohner und Jahr und in Österreich bis zu 166.000 Tonnen“, führt Felicitas Schneider aus und ergänzt: „Man muss sich alleine den Energieaufwand vorstellen, der benötigt wird, um all diese Lebensmittel zu produzieren. Hier werden Ressourcen verschwendet“. Für Schneider ist klar: „An jedem Punkt der Wertschöpfungskette werden Lebensmittel weggeworfen. Das heißt nicht der Bauer, nicht der Verarbeiter oder der Handel und nicht der Konsument sind die Schuldigen, sondern wir alle“.
 
Es beginnt beim Einkauf
„Früher hätte es eine Rüge gegeben, wenn ein Lebensmittel im Müll landet“, meint auch Ernährungsexpertin Angelika Kirchmaier. Für sie beginnt alles bereits beim Einkauf und hier bei der richtigen Bevorratung. „Mit Schnäppchen wie ‚Zahl zwei nimm drei’ oder ‚ eins plus eins gratis’ schießen wir über das Ziel hinaus. Vieles wird gar nicht zu Hause gebraucht, aber wandert halt doch in den Einkaufskorb“, sagt die ausgebildete Diätologin. Sie spricht auch die Gesundheitsfolgen an: „Es kann kein hochqualitatives Fleisch sein, dass zu Billigstpreisen angeboten wird. Da ist die Fütterung schon ganz anders beim Tier und die Stoffe, die es bekommen hat, nehmen wir natürlich auch auf. Das wirkt sich auf unseren ganzen Körper aus“. Oft wäre es langfristig gesehen gesünder, sich für Qualität möglichst regional und möglichst saisonal zu entscheiden. Aufgerüttelt hat sie der Umgang der Menschen mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum. „Die Sinne werden komplett begraben. Man schaut gar nicht mehr, ob ein Lebensmittel überhaupt noch genießbar ist, sondern das Datum wird als Grenze genommen. Dabei sollte man einfach schmecken und riechen und dann erst beurteilen“, sagt Kirchmaier. Sie wünscht sich einen neuen Umgang mit dem Thema und fordert „Ernährung“ als Unterrichtsfach ein. „Hier Stunden zu streichen, ist der falsche Weg. Die eine Wochenstunde Kochen ab der Hauptschule ist zu spät und zu wenig. Kinder müssen bewusst mit Lebensmitteln umgehen lernen“, so Diätologin Angelika Kirchmaier. Sie wünscht sich auch mehr Kochkurse für Singles und junge Familien oder auch Einkaufsseminare direkt in den Supermärkten.
 
Die Würde des Lebensmittels
Caritas-Direktor Georg Schärmer spricht noch einen weiteren Aspekt an: „Lebensmittel haben eine Würde. Unser Wohlstand ist nicht selbstverständlich, wenn stündlich 2.200 Menschen weltweit verhungern und der Kampf um Nahrung, Wasser, Grund und Boden immer größer wird“. Er fordert Ethik und Moral im Konsum, ganz besonders bei Lebensmitteln und nennt ein konkretes Beispiel: „Kinder in einem Caritaskindergarten haben Erntedank gefeiert. Einige haben gemeint: ‚Warum sollten wir danken, wir haben ja dafür bezahlt’“. Damit zeige sich für ihn ganz deutlich, dass der Umgang mit dem Thema verlernt wurde. Er plädiert für eine Pädagogik des Staunens und Entdeckens. „Vielleicht sollten wir wieder mehr das Vater unser im Urtext beten, wo es nicht heißt, unser tägliches Brot gib uns heute, sondern ‚Gib uns das Brot, das wir brauchen’“ und schließt mit dem Zitat: „„Wir kaufen Dinge, die wir nicht brauchen, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen; mit Geld, das wir nicht haben“.

 
Betonen den Wert der Lebensmittel: Diätologin Angelika Kirchmaier, Barbara Moser (SPAR), Felicitas Schneider (BOKU Wien), Caritas-Direktor Georg Schärmer, Annemaria Morbach (Abfallwirtschaft Tirol Mitte) und die Kufsteiner Forum Land-Bezirksobfrau LAbg. Paula Eisenmann.
Foto: Forum Land, Text: Magnus Gratl, Tiroler Bauernbund