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Vortrag von Mag. Gisela Hormayr am 6. März 2012 über den NS-Widerstand im Tiroler Unterland

  

Helmut Muigg begrüßte im Volkshaus Wörgl zum Vortrag von Mag. Gisela Hormayr u.a. Gemeinderat Christian Kovacevic (Bild Mitte links) von der SPÖ Wörgl, die als Mitveranstalter zum Vortragsabend eingeladen hatte.

"Das Erinnern an den Nationalsozialismus in Tirol ist nach wie vor chronisch schmerzhaft. Lange wurde versucht, sich darüber hinwegzuschwindeln", erklärte Helmut Muigg vom Bund sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen Tirol und sieht mit engagierten jungen Historikern hier eine Wende. Auch in der Umgestaltung des Befreiungsdenkmales am Innsbrucker Landhausplatz: "Seit Mai 2011 sind links und rechts vom Denkmal Tafeln mit Namen von 107 getöteten Widerstandskämpfern aufgestellt." Die Historiker Martin Achrainer, Christian Mathies, Horst Schreiber und Oliver Seifert trugen die Biografien zum Widerstand in Tirol zusammen, die in Buchform vom Land Tirol als Gedenkschrift anlässlich der Umgestaltung des Landhausplatzes unter dem Titel "Den für die Freiheit Österreichs Gestorbenen - Das Befreiungsdenkmal und die Erinnerung. Eine Intervention." herausgegeben wurden."Wie die Arbeit vom Gisela Hormayr zeigt, ist der Linke Widerstand in Tirol noch lang nicht zur Gänze erforscht - diesen 107 Namen müssten demzufolge mindestens weitere 3 oder 4 Namen hinzugefügt werden", so Muigg, der angesichts aktueller "brauner Flecken" in Österreich wie der Entwicklung in Ungarn gefährliche Entwicklungen heute ortet.

"Von diesen 107 Opfern sind viele aus dem Tiroler Unterland", leitete Mag. Gisela Hormayr ihre Ausführungen ein. Kriterium für die Aufnahme auf den Gedenksteinen war aktiver Widerstand gegen den Faschismus. Deshalb seien keine Gruppen wie Tiroler Juden und Jüdinnen dabei - wohl aber die Zeugen Jehowas, die sich etwa dem Hitlergruß, der Beflaggung oder der Beteiligung an den Sammlungen des Winterhilfswerks widersetzten. Auch Namen von Spanienkämpfern seien darunter, von denen allerdings keine aus dem Tiroler Unterland kamen. Wörgls einziger Spanienkämpfer überlebte.

Das Interesse am Thema Widerstand gegen den Nationalsozialismus weckte bei Gisela Hormayr nicht das Innsbrucker Denkmal, sondern jenes am Wörgler Bahnhofsplatz für die Wörgler Opfer Alois und Josefine Brunner. Und sie entdeckte, dass der Widerstand gegen das NS-Regime aus der Arbeiterbewegung im Tiroler Unterland größer war als angenommen. Zur thematischen Eingrenzung beschäftigt sich Hormayr in ihrer Forschungsarbeit mit dem Linken Widerstand, nannte aber stellvertretend noch zwei weitere Opfer aus Wörgl: "Anna Gründler war Zeugin Jehowas und wohnte in der Wildschönauerstraße. Sie wurde im Jänner 1939 verhaftet, sollte sich im Polizeigefängnis Innsbruck zum Nationalsozialismus bekennen und lehnte das ab. Daraufhin kam sie erst ins KZ Lichtenburg und starb dann im KZ Ravensbrück." Ein weiteres Opfer aus Wörgl war Stefan Valentinotti. Er stammte aus Südtirol und kam 1940 nach Wörgl, lebte in der Südtiroler Siedlung und übte in schriftlichen Aufzeichnungen ebenos Kritik an den Nazis wie in anonymen Briefen an die Gauleitung. Valentinotti wurde denunziert, von der Gestapo verhaftet, 1944 verurteilt und vier Wochen später in Berlin hingerichtet.

"Was die Geschichte des Ehepaares Alois und Josefine Brunner außergewöhnlich macht ist, dass diese Widerstandsgruppe länger als alle anderen existiert hat und bis 1942 unentdeckt blieb", so Hormayr. Ein Glücksfall für die Erforschung sei, dass der Prozessakt noch erhalten sei: "Die Gestapo hat fast überall die Akten vernichtet - geblieben sind in Tirol nur zwei Ordner. Einer zu den den Euthanasieopfern und das Verfahren gegen das Ehepaar Brunner mit Verhörprotokollen, Fotos von Hausdurchsuchungen, Briefwechseln etc." In ihrem detailreichen Vortrag stellte Gisela Hormayr noch weitere WiderstandskämpferInnen vor. Die Erkenntnisse, die sie im Zuge ihrer Dissertationsarbeit gewonnen hat, will sie auch publizieren - das Buch soll bis Ende 2012 erscheinen. 

     

Mag. Gisela Hormayr brachte bei ihrem Vortrag im Volkshaus Wörgl neue Fakten über den NS-Widerstand im Tiroler Unterland. Nach Themenabenden zur Geschichte der Arbeiterbewegung, dem Bürgerkrieg 1934 und dem NS-Widerstand planen die Veranstalter eine Fortsetzung der Veranstaltungsreihe, wobei beim nächsten Abend die aktuelle Wirtschaftskrise im Mittelpunkt stehen soll.