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Sondergemeinderat zur WIG am 12. Juli 2012 im Komma Wörgl

Von links Vizebgm. Stadtentwicklungsreferent Dr. Andreas Taxacher, Bürgermeisterin Hedi Wechner, Finanzreferent STR Dr. Daniel Wibmer und Vizebgm. Evelin Treichl.

Mit einstimmigem Beschluss nahm der Wörgler Gemeinderat am 12. Juli 2012 den Erläuterungsbericht des juristischen Gutachtens von Dr. Sallinger zur Kenntnis, und ebenso einstimmig beschloss das Gremium die mehrstufige geordnete Auflösung der Wörgler Infrastruktur GmbH WIG. Bei der Frage, wie es mit der Nordtangente nun weiter geht, war es mit der Einstimmigkeit aber auch schon wieder vorbei: Die Wörgler Grünen sprachen sich mit dem Argument zusätzlicher Vekehr und Verschlechterung der Lebensqualität im Stadtzentrum gegen die Fertigstellung der Nordtangente bis Wörgl-Mitte durch die Stadtgemeinde Wörgl aus, alle anderen dafür.

Nicht vollzählig trat der Wörgler Gemeinderat mit 18 Mandataren zu ungewohnter Tageszeit zur außerordentlichen Sitzung im Wörgler Komma zusammen, um die aufgeschobenen, notwendigen Weichenstellungen für die WIG vorzunehmen. Mehr Informationen wollten die Befürworter der Sondersitzung, die sich allerdings nur mit den rechtlichen Aspekten befasste. Eine steuerrechtliche Stellungnahme wurde angefragt, liegt aber noch nicht vor, und Grün-GR Richard Götz forderte die Behandlung des Erlacher-Gutachtens betreffend ein WIG-Straßenbauprojekt in der nächsten Gemeinderatsitzung.

Dr. Sallinger verwies eingangs auf die allen Gemeinderäten zugegangene schriftliche Stellungnahme und deren Zusammenfassung, zu der er Fragen beantworten würde. Von denen hatte FWL-Stadtrat und Wirtschaftsreferent Mario Wiechenthaler gleich eine ganze Reihe parat: Hat die Stadt 2003 die Auslagerung des Straßenbaues überhaupt vornehmen dürfen? Kann die WIG nun von heute auf morgen aufgelöst werden? Müssen von den Firmen im Gewerbepark bezahlte Infrastrukturbeiträge zurückgezahlt werden? Ist nun eine Übertragung der WIG-Agenden auf die Stadt ohne Zustimmung der WIG-Vertragspartner überhaupt möglich? Und worauf beziehen sich die gutachterlich ausgewiesenen "schwerwiegenden Umsetzungsdefizite" noch? Und warum wurde vor Gründung der WIG nicht ein Rechtsgutachten eingeholt?

Generelles Ausgliederungsproblem: Fehlende Synchronisation zwischen öffentlichem und privatem Recht

So eindeutig wie die Fragen waren die Antworten dann nicht, wobei Dr. Sallinger auf sehr vorsichtige Formulierung bedacht war. Zum Zeitpunkt der WIG-Gründung sei die Ausgliederung öffentlicher Aufgaben in vielen Bereichen diskutiert und vorgenommen worden. Das Problem sei, dass die Vorgänge dabei zwischen öffentlichem und privatem Recht gesetzlich nie vollständig synchronisiert worden seien. Sallinger: "Ich bin mir nicht sicher, ob ich es damals verneint hätte. Diese Frage ist im Nachhinein sehr schwer zu beantworten." In diesem Bereich sei man in den letzten 10 Jahren um vieles klüger geworden. Da die Zustimmung der Aufsichtsbehörde vorlag, geht man davon aus, dass die Gründung der WIG rechtskonform erfolgte. Die Probleme haben sich erst in der Folge der praktischen Ausführung ergeben und mittlerweile habe sich beim Thema Ausgliederung öffentlicher Aufgaben eine andere Beurteilung durchgesetzt: "Der Hype um Ausgliederungen hat mit dem Stabilitätspakt 2012 ein Ende gefunden, da die steuerlichen Vorteile weg sind."

Eine schnelle Auflösung der WIG sei sicher nicht möglich, da für die Auflösung der GmbH Liquidationsvorschriften gelten, Finanzverfahren noch laufen und der Gläubigerschutz einzuhalten sei. Auf dem Weg müsse die Gemeinde als Eigentümerin den Beschluss zur Auflösung fassen. Die dafür erforderlichen Schritte müsse die WIG-Geschäftsführung bzw. der Aufsichtsrat vornehmen und nach Beseitigung der Rechtsperson WIG dann die Gemeinde wieder deren Aufgaben vollständig übernehmen. Von Gesetzes wegen sei der Straßenbau ohnehin Sache der Gemeinde.

Geordneter Rückzug mit juristischer Begleitung

Sallinger empfiehlt für den "geordneten Rückzug" eine juristische Begleitung, da mit den Vertragspartnern Vereinbarungen zu treffen sind. "Kann die operative Tätigkeit nun auf die Stadt übertragen werden?" hakte Bürgermeisterin Hedi Wechner nach. "Das ist rein rechtlich eine sehr schwierige Frage", begann Dr. Sallinger seine Erläuterung. "Hat eine wirksame Auslagerung stattgefunden? Die Aufgaben wurden von der WIG faktisch erfüllt, aber es gibt keinen außenwirksamen Rechtsakt, keinen Übertragungsvertrag." Wenn nun die faktische Tätigkeit zurück an die Stadt gehen soll, seien dafür allerdings entsprechende rechtliche Akte erforderlich, da Dritte beteiligt sind - Finanzierungsinstitute und private Vertragspartner.

Was die Infrastrukturbeiträge betrifft, so sei hier das Gleichheitsgebot anzuwenden: Wenn ein Unternehmen den Infrastrukturbeitrag nicht bezahlt, bräuchten auch die anderen das nicht zu tun. Nach dem Verkehrsaufschließungs-Abgabengesetz seien nur die Baukosten rückzuführen, der Infrastrukturbeitrag beinhalte aber auch die Straßenerhaltung. Im Endeffekt sei das eine zivilrechtliche Frage der Verträge, die die WIG mit den Unternehmen abgeschlossen habe.

Ungeeignete Rechtsform

Als "schwerwiegendes Umsetzungsdefizit" sieht Dr. Sallinger, dass man mit einer ungeeigneten Rechtsform die Erfüllung öffentlicher Aufgaben vorgenommen habe. Was allerdings 2003 nicht absehbar gewesen sei, so Bürgermeisterin Hedi Wechner: "2003 erfolgte eine rechtliche Beratung und es wurde als durchführbar erachtet." Auf die vorliegende Zustimmung der Gemeindeaufsichtsbehörde wies nochmals Vizebgm. Evelin Treichl hin: "Dort sitzen ja auch Juristen."

"Erfolgt Ihre Feststellung unter Punkt 7 - rechtlich qualifiziert mangelhaft - aus der Sicht von 2003 oder aus heutiger Sicht?" wollte Grün-GR Richard Götz wissen. Sallinger: "Aus heutigem Erfahrungshorizont." Gesetzlich gangbare Vorschriften für die Ausgliederung habe es damals nicht gegeben. Dass damit ein Rattenschwanz zivilrechtlicher Vereinbarungen und Verträge einhergehe, sei bei der fiskalischen Betrachtung ins Hintertreffen geraten. Mittlerweile denke man anders über Ausgliederung öffentlicher Aufgaben. "Wesentliche Umsetzungspunkte sind nicht vorhanden, weil sie aus welchen Gründen auch immer als nicht notwendig qualifiziert wurden. Aus meiner Sicht ist diese Auslagerung in wesentlichen Punkten nicht geglückt und es ist nicht sinnvoll, so weiterzumachen", so Sallinger.

FWL-GR Christian Huter brachte nochmals die Rolle der Finanzbehörden zur Sprache. "Das Finanzministerium war nicht zuständig, sondern das örtliche Finanzamt - und dessen Aussagen waren vorbehaltlich gesetzlicher Änderungen", so Wechner. "Verbindliche Auskünfte vom Finanzamt hat es damals noch nicht gegeben", bestätigte Sallinger.

Und die Konsequenzen?

Die Frage nach der politischen Verantwortung und weiteren Konsequenzen warf GR Richard Götz auf. Bürgermeisterin Hedi Wechner sieht diese bei allen Gemeinderatsfraktionen, die ab 2004 im Gemeinderat vertreten sind (das Team Wörgl zog erst 2010 im Gemeinderat ein). "Bis März 2012 wurden 42 WIG-relevante Tagesordnungspunkte behandelt, 80 % der Beschlüsse im Gemeinderat erfolgten einstimmig", so Wechner. Da die rechtliche Grundlage so "diffus und diffizil" war, habe man 2010 den Aufsichtsrat eingerichtet, um die Sachlage zu klären. "Wir wollen niemanden kriminalisieren oder an die Wand stellen. Es geht darum, aus den Fehlern zu lernen", meldete sich Vizebgm. Evelin Treichl zu Wort. "Wir waren bei allen Beschlüssen der Meinung, dass sie rechtens sind."

GR Götz interpretierte die Reaktion dahingehend, "dass niemand gewillt ist, die politische Verantwortung zu übernehmen. Wir wurden jahrelang fehlinformiert - warum wird da niemand zur Verantwortung gezogen?" Worauf Bgm. Wechner konterte: "Euer Mandatar Alexander Atzl war Aufsichtsratvorsitzender und hatte Zugang zu allen Informationen."

"Die heutige Sitzung ist nicht das Ende der Fahnenstange, sondern der Anfang. Wenn alle Infos am Tisch liegen, dann können wir eine interne Aufarbeitung vornehmen. Wir sollten uns aber gut überlegen, was es bringt, jemanden an den Pranger zu stellen und für diesen Scheiß verantwortlich zu machen", meinte Vizebgm. Evelin Treichl.

Die Wörgler Grünen - im Bild links Christine Mey und Richard Götz - stimmten gegen die Fertigstellung der Nordtangente bis zur Anbindung Wörgl Mitte. UFW-GR Dr. Herbert Pertl (Bild Mitte) will zur weiteren Beurteilung der Causa WIG ein steuerliches Gutachten am Tisch haben. Im Bild rechts ein Teil der Mandatare bei der Abstimmung, die sicher nicht die letzte zur Causa WIG war.

Grundsatzbeschluss zur Fertigstellung der Nordtangente bis Wörgl Mitte

Für die Fertigstellung der Nordtangente bis Wörgl Mitte liegen zwei konkrete Vorschläge am Tisch - mit und ohne Brückenneubau über den Wörgler Bach. Ein Brückenneubau gehe sich für die Stadt nicht aus, meinte Vizebgm. Taxacher und forderte Verhandlungen mit dem Land: "Die Stadt kann sich aus finanziellen Gründen die Fertigstellung der Nordtangente nicht leisten."

Als "unumgänglich" bezeichnete Vizebgm. Evelin Treichl die Fertigstellung bis Wörgl Mitte: "Sonst hätten wir 15 Millionen Euro rausgeworfen." Da die Straßenbauvorhaben nun in den Verkehrs- und Stadtentwicklungsausschuss übergehen, wollte Treichl wissen, wer die fachliche Unterstützung übernimmt. "Alle weiteren Schritte sind mit dem Baubezirksamt koordiniert, man hat uns auch bei der Planung Unterstützung zugesagt", so Taxacher.