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Acht Familien organisierem mit großem Einsatz die Schule für ihre Kinder
vero / 28.10.2006 21:51
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Wörgl  Vereine  Schule  Jugend 
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Im ersten Stock sowie im Dachgeschoß des Waldlegerer-Hofes in Wörgl am Zauberwinklweg befindet sich die "Lernwerkstatt Zauberwinkl" (Bild links). Obmann Helmut Mayr und Schulleiterin Barbara Pfurtscheller sind überzeugt vom alternativen Schulkonzept (Bildmitte). Die Unterrichtsräume laden zum Wohlfühlen, Spielen, Entdecken und Ausprobieren ein.


Die Eltern-Initiative für selbstbestimmtes und nicht-direktives Lernen wurde heuer während der Sommermonate auf die Beine gestellt und startete mit Schulbeginn im September. Die bisher im Bauernhof untergebrachte Privatschule des Vereines Kinderhaus Miteinander wurde heuer im Frühjahr aufgelöst, da sie zu groß wurde und sich damit aufgrund der privaten Haftung kein Vereinsvorstand mehr fand. Der Schulbetrieb beschäftigte bereits 15 Bedienstete und wurde damit zu umfangreich für ein Vereinsprojekt.

Ein Kreis interessierter Eltern entschied sich daraufhin, ihren Kindern weiterhin mit der Gründung eines neuen Schulprojektes freies Lernen nach den Erkenntnissen von Maria Montessori sowie den Erfahrungsberichten von Rebeca und Mauricio Wild zu ermöglichen. Wenn auch damit großer finanzieller und persönlicher Einsatz verbunden ist. Pro Kind wird monatlich ein Schulgeld von 220 Euro bezahlt. Geschwister erhalten Ermäßigungen - für das 2. Kind fallen 75 % an, für alle weiteren 50 %. Die Schule erhält derzeit keine öffentlichen Gelder und kann das Öffentlichkeitsrecht erst nach Erfüllung der Lernziele beantragen. Um die Kosten niedrig zu halten, verpflichtete sich jeder Elternteil, 60 Stunden pro Jahr für die Schule zu arbeiten.

Die Elternarbeit wird über den Tauschkreis organisiert

Das erleichtert die Einbindung des Tauschkreises "Tiroler Talente Netz", wie Gerhard Pfurtscheller erklärt: "Zu Beginn des Schuljahres bekommt die Lernwerkstatt ein Talente-Guthaben, alle Eltern sind Mitglied und werden belastet. So kann sich die Schule leichter die Leistungen holen, die gerade gebraucht werden - und Eltern müssen nicht direkt in der Schule mitarbeiten, sondern können im Tauschkreis ihr Talente-Minus abarbeiten."

Die Tauschwährung erleichtert auch die Bezahlung des angestellten Volksschullehrers Thomas Wolftaler. Er akzeptiert einen Teil seines Gehaltes in Talenten, kann damit beispielsweise wöchentlich eine gesunde Kiste Biogemüse beziehen. Die erforderliche Elternmitarbeit ergibt sich aus dem Konzept der Schule sowie aus den Räumlichkeiten. "Die zweite Betreuungsperson während des Unterrichtes stellen die Eltern. Wir sind dazu ein Team von vier Leuten, das abwechselnd mithilft", erklärt Barbara Pfurtscheller.

Den Rahmen schaffen für die Entwicklung der Kinder

Lernen soll spielerisch und  mit Freude passieren, angepasst an die Entwicklungsbedürfnisse der Kinder. "Wir vertrauen darauf, dass die Kinder das lernen, was sie brauchen. Unsere Aufgabe ist, ihnen dazu die Umgebung bereit zu stellen", erklärt Barbara Pfurtscheller die Methode. So richteten die Eltern im ersten Stock einen Bewegungsraum, ein Musikzimmer, ein Lernzimmer für die Sekundarier und im Dachgeschoß eine Lernwerkstatt mit Materialien aus allen Lebensbereichen ein. Eine Küche für die Kinder zählt da ebenso dazu wie eine Lese- und Mathematikecke oder ein Krankenhaus. Und besonders beliebt die Spielplattform hoch unterm Dach, auf die sich die Kinder für gemeinsame Spiele zurückziehen können.

"Der Lernansatz bei der Montessori-Pädagik geht dahin, dass man vom Konkreten zum Abstrakten kommt", erläutert Barbara. Das heißt in der Praxis, dass Mathematik anhand von Kochrezepten gelernt wird - hier wird gewogen, gemessen und ausgerechnet, was man bei Rezepten an Zutaten braucht. Gelernt wird im Wald, am Bauernhof und in den vielen Bastel- und Experimentierbereichen.

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Klein, aber oho: der Bewegungsraum der Lernwerkstatt Zauberwinkl bietet einen "Mini-Klettergarten" (Bild links). Beim Tag der offenen Tür stellten Eltern und Kinder ihre Schule vor. Derzeit besuchen vier Mädchen und sieben Buben die Lernwerkstatt Zauberwinkl.

Freies Lernen heißt aber nicht ohne Lehrplan zu lernen. "Wir gehen nach dem Glocksee-Lehrplan vor, den freie Schulen seit den 1960er Jahren verwenden", erklärt Barbara. Die Kinder sind nicht in Jahrgangsklassen eingeteilt, sondern lernen in Gruppen, wobei auch jüngere von älteren Kindern lernen. Nicht Faktenwissen steht im Vordergrund, sondern das Erlernen sozialer Kompetenzen, die Fähigkeit der eigenständigen Wissensaneignung und des selbstbewussten, kreativen Handelns.

Angeboten wird die Lernwerkstatt für die Pflichtschulzeit von der 1. bis zur 9. Schulstufe. Am Jahresende absolvieren die Kinder eine von schulfremden Personen abgenommene Prüfung zur Feststellung, ob die Lernziele der Pflichtschule erreicht werden.

Lernen ohne den in Regelschulen üblichen Leistungsdruck - die Eltern der Lernwerkstatt Zauberwinkl ermöglichen das ihren Kindern mit bewundernswertem Einsatz. Ob sie nicht fürchten, dass die Kinder dann, wenn sie mit dem Leistungsdruck der Gesellschaft konfrontiert werden, Probleme haben? "Nein - alle bisherigen Erfahrungen aus anderen freien Privatschulen zeigen eher das Gegenteil. Nach einer Eingewöhnungsphase kommen die Kinder damit keinesfalls schlechter zu recht als die anderen Kinder", weiß Barbara Pfurtscheller als engagierte Mutter.

Weitere Informationen beim Verein für selbstbestimmtes Leben und Lernen, Helmut Mayr und Priska Mey, Peter-Anich-Straße 36, 6300 Wörgl.