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Exkursion vom Regiogeld-Kongress Traunstein nach Wörgl am 5. Mai 2013

Die Wörgler-Freigeld-Exkursion startete beim Wörgler Bahnhof und führte entlang der Meilenstein-Route zum Unterguggenberger Denkmal (Bild Mitte mit Jens Martignoni, Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Geschäftsführer des Vereines Flexibles für neue Arbeit in Zürich - www.flexibles.ch). Weckten Interesse: Die Kerbhölzer im Wörgler Heimatmuseum (Bild rechts).

Die Irrationalität des exponentiellen Zinseszins-Wachstums zeigt sich auf den Wörgler Meilensteinen (http://meilensteine.woergl.at/), die sich auf der Länge einer römischen Meile ausgehend vom Bahnhof durch die Wörgler Innenstadt ziehen: Auf über 300 Pflastersteinen mit historischen Daten aus der Menschheitsgeschichte zeigt die Ausweisung eines Betrages, der die 3%ige Verzinsung eines Euro fiktiv angelegt zu Jesu Geburt und damit das astronomische Anwachsen des Vermögens zeigt, das in der Realität aber aufgrund von Währungskrisen und Kriegen nicht erreicht werden kann. Zusammenbrüche, die mit dem unendlichen Anwachsen der Geldmenge durch die Exponentialfunktion in einer endlichen Welt im System verankert sind.

Auf der Route liegt in der Bahnhofstraße gegenüber vom Stadtamt das Denkmal an den Wörgler Bürgermeister Michael Unterguggenberger, der in den 1930er Jahren das Wörgler Freigeld-Experiment initiierte. Es diente als Vorbild bei der Entwicklung des Chiemgauer Regiogeldes, das als Schulprojekt der Waldorfschule Prien 2003 gestartet wurde und mittlerweile mit einem Jahresumsatz 2012 von 6,5 Millionen Chiemgauern/Euro zu den erfolgreichsten Regionalwährungsprojekten Europas zählt (www.chiemgauer.info).

Im Wörgler Heimatmuseum erklärte Veronika Spielbichler nicht nur Details zum Wörgler Freigeld, sondern auch die Verwendung der Wörgler Kerbhölzer, die als geldlose Leistungsverrechnung über Jahrhunderte zur Verwaltung gemeinschaftlicher landwirtschaftlicher Flächen benutzt wurden.

Die Freigeld-Exkursion führte ins Heimatmuseum (linkes Bild) sowie ins Unterguggenberger Institut, wo Kathrin Unterganschnigg und Lena Flörl (Bild Mitte v.l.) das Wörgler Jugendprojekt I-MOTION vorstellten. Unter den Besuchern war Leander Bindewald von der New Economic Foundation in London (rechts im Bild rechts), der das Interreg-Projekt "Complementary Currencies in action" leitet und im Bereich Komplementärwährung forscht - weitere Info hier.

Das Wörgler Freigeld wurde im Unterschied zu Regionalwährungen heute nicht von privatwirtschaftlichen Trägern wie Vereinen und Genossenschaften herausgegeben, sondern von einer öffentlichen Körperschaft, der Marktgemeinde Wörgl. Mit der Ausgabe der Arbeitswertscheine als lokale Zweitwährung war zudem ein Infrastruktur-Bauprogramm durch die Gemeinde verbunden, um die Regionalwirtschaft anzukurbeln und die Arbeitslosigkeit zu senken. Das Wörgler Geld-Experiment nach der Freigeld-Idee von Silvio Gesell gilt heute mehr denn je als Vorzeigebeispiel für das Funktionieren eines regionalen Zahlungsmittels, um Kaufkraft zu binden und die lokale Wertschöpfung zu erhöhen und zu zeigen, dass Geld gestaltbar ist. Christian Gelleri vom Chiemgauer und Thomas Mayer von Mehr Demokratie e.V. erstellten mit ihrem Express-Geld-Konzept eine Handlungsalternative für Krisenstaaten zum Euroaustritt, die die Idee des Umlaufimpulses aufgreift (www.eurorettung.org).

Wörgler Komplementärwährung heute: Zeitwertkarten beim Jugendprojekt I-MOTION

Komplementärwährungen dienen heute auch dazu, gesellschaftliche Bereiche zu regeln, für die in der Euro-basierten Wirtschaft das Geld fehlt. Wo macht es Sinn, gesellschaftliche Anliegen zu unterstützen? Im Rahmen der Lokalen Agenda 21 wurde das Wörgler Jugendprojekt I-Motion 2004 vom Unterguggenberger Institut initiiert, von einer ehrenamtlichen Arbeitsgruppe entwickelt und wird seit Herbst 2005 von der Stadt Wörgl umgesetzt.

Jugendliche ab 12 Jahren können daran teilnehmen. Sie helfen in der Nachbarschaft, in sozialen und städtischen Einrichtungen, bringen Senioren den Gebrauch des Computers oder Handys bei, verteilen Flyer oder organisieren selbst Aktivitäten, für die sie mit Zeitwertkarten belohnt werden. Als Richtwert gilt pro Stunde eine Zeitwertkarte. Diese sind mit 2,50 Euro pro Stunde bewertet und können von den Jugendlichen im InfoEck gegen Gutscheine eingetauscht werden, mit denen sie in der Stadt einkaufen gehen oder Freizeiteinrichtungen wie das Kino oder das Erlebnisbad Wave nützen können. Beim InfoEck können die Zeitwertkarten für den Einsatz in der Nachbarschaftshilfe gekauft werden. Die Jugendlichen erhalten die I-Motion-Card, sind über die Stadt haftpflichtversichert und dürfen im Rahmen der Taschengeldaktion zwei Stunden am Tag eingesetzt werden.

"Mein I-Motion-Job war jahrelang in der Stadtbücherei, und heute helfe ich Senioren am Computer", berichtete Lena Flörl, die gemeinsam mit Kathrin Unterganschnigg im Unterguggenberger Institut selbst das Jugendprojekt den BesucherInnen vorstellte. "Ich war viel als Babysitterin im Einsatz und helfe jetzt noch in der Verwaltung des Projektes mit", erklärte Kathrin. Die operative Projektbetreuung erfolgt durch komm!unity, den Verein für Jugend, Integration und Gemeinwesenarbeit, in den im Sommer 2012 die städtische Jugend-, Integrations- und Lokale-Agenda-21-Arbeit überführt wurde. Träger des Sozialprojektes, das Generationen verbindet und eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Jugendliche bietet, ist nach wie vor die Stadt Wörgl. Mit I-Motion begann Wörgls Engagement in der Jugendarbeit, das heute über Tirols Grenzen hinaus als vorbildlich gilt.

 

Das 2003 gegründete Unterguggenberger Institut sieht seine Aufgabe in der Dokumentation des Wörgler Freigeldes sowie von Komplementärwährungen heute und in der Bildungsarbeit. Um Wissen über die Funktionsweise von Geldsystemen spielerisch erfahrbar zu machen, leitete Heinz Hafner (rechts im Bild links), Vorstandsmitglied im Unterguggenberger Institut, 2005 ein Spielentwicklungsprojekt, bei dem in Kooperation mit der Handelsakademie Wörgl Wirtschaftsraumspiele entwickelt wurden. Der IT-Experte beschäftigt sich mit Simulations-Software für Währungsräume und tauschte sich dazu mit Jens Martignoni (linkes Bild Mitte) aus, der in Zusammenarbeit mit Studierenden der Fachhochschule Nordwestschweiz an der Entwicklung einer Simulationssoftware für Komplementärwährungen arbeitet.

Den Abschluss der "Wörgl-Tour" bildete ein Besuch im Wörgler Freigarten neben dem Unterguggenberger Institut. Das Areal im Eigentum der Stadt wird  von einer Gruppe ehrenamtlicher HobbygärtnerInnen als Permakultur-Schaugarten gestaltet und betreut, wobei dem Konzept der Allmende-Gedanke zugrunde liegt. Jutta Seethaler, Vorstandsmitglied im Unterguggenberger Institut und aktive Freigarten-Pflegerin, erläuterte das Gestaltungsprinzip und die Geschichte des gemeinschaftlichen Permakultur-Projektes, das vom Unterguggenberger Institut 2006 vorgeschlagen, auf Initiative der Wörgler Grünen 2011 gestartet wurde und seither von der Stadt sowie vom Land Tirol unterstützt wird.

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