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Gedenkveranstaltung der SPÖ Wörgl zum Bürgerkrieg 1934 in der Galerie am Polylog am 13.2.2014
vero / 14.02.2014 23:33
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Bastian Wiedl, Schriftführer der SPÖ-Ortsgruppe Wörgl und Ausstellungsorganisator, begrüßte in der Galerie am Polylog zur Gedenkveranstaltung, bei der Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner als erste Rednerin nochmals auf die politischen Umstände damals und den Umgang der Politik seither mit dem Bürgerkrieg 1934 einging.

"Die Ereignisse sind damals nicht wie ein Unwetter hereingebrochen, sondern waren das Ergebnis einer langen Entwicklung", erklärte Bürgermeisterin Hedi Wechner in ihrer Ansprache. Seit Beginn der 1920er Jahre verschärfte sich das Klima zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten, 1920 wurde die Heimwehr und 1923 der Schutzbund als bewaffnete Einheiten der politischen Lager gegründet. Obwohl die Sozialdemokraten bei den Wahlen 1930 noch mit 41,1 % die klare Mehrheit erzielt hatten, kam es 1934 zum Verbot der Partei und aller linksgerichteten Einrichtungen wie Gewerkschaften. Am 1. Mai 1934 wurde von der Regierung unter Dollfuß eine neue Verfassung in kraft gesetzt, die die parlamentarische Demokratie beseitigte. Angesichts der politischen Inhalte zu Beginn der 1930er Jahre wies Wechner auf Parallelen zu heute hin: "Es ging um Bankenrettung, Gehaltskürzungen und Erhöhung der Vermögenssteuer".

Vom politischen Lagerdenken geprägt war seit dem 2. Weltkrieg über Jahrzehnte auch das Gedenken an den Bürgerkrieg, der zum Austrofaschismus von 1934 bis zum Anschluss an die nationalsozialistische Diktatur 1938 geführt hatte. Dass heuer erstmals ÖVP und SPÖ gemeinsam einen Kranz zum Gedenken an die Opfer niederlegten, wertete Wechner aber nicht nur als späte Versöhnung, sondern sieht darin auch "politisches Kalkül wegen des schwachen Starts dieser Regierung." Die Vernunftehe von ÖVP und SPÖ spiegle eine von Streitunkultur geprägte Stabilität vor, während die Rechten an Terrain gewinnen.

 

 

Gerhard Reheis, Christina Kaiser und Univ.-Doz. Dr. Horst Schreiber (v.l.).

"Nicht nur gedenken, sondern denken ist angesagt" leitete SPÖ-Landesparteivorsitzender LA Gerhard Reheis seine Rede ein. Es gäbe keine Rechtfertigung für den Bürgerkrieg, dieser sei "ein Mord und Verbrechen an der Arbeiterbewegung gewesen". Wichtig sei heute, wachsam zu bleiben und "sich gegen Ausgrenzung und Faschismus zu wehren", so Reheis, der die Schweizer Volksabstimmung über Einwanderung scharf kritisierte. Es gelte, für die Werte Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und Demokratie einzutreten.

"Der Widerstand gegen Faschismus darf kein Ablaufdatum haben", sagte Christina Kaiser, Vorsitzende des Verbandes sozialistischer StudentInnen in Innsbruck und forderte Gleichberechtigung für alle und eine offene Gesellschaft ein. Es gehe darum, Parteien entgegenzutreten, die den Faschismus wieder salonfähig machen. Den Zuspruch zur FPÖ sieht sie als "fundamentales gesellschaftliches Problem", das "aktiven Kampf brauche unter dem Motto "Wehret den Anfängen".

"1934 war der Tiefpunkt in der Geschichte der Sozialdemokratie, das Verbot der Partei, der Gewerkschaft, der Kulturbewegung und die Entrechtung der Arbeiter der Auftakt zu 12 Jahre Diktatur und Faschischmus", erklärte Univ.-Doz. Dr. Horst Schreiber in seinem Gedenkvortrag. Während in Tirol die Arbeiterbewegung seit ihrer Gründung 1890 Repressalien ausgesetzt war, konnte die Partei im "Roten Wien" radikal sozialreformerische Maßnahmen wie Gründung von Betriebsräten und Arbeiterkammer, des 8-Stunden-Tages und des kommunalen Wohnbaues sowie von Sozialeinrichtungen wie Kinderbetreuung und Bäder durchsetzen. Finanziert wurde die Umsetzung durch Umverteilung mittels Besteuerung von Vermögen und Luxuskonsum. Die rechte Sparpolitik während der Wirtschaftskrise ab 1929 habe dann zur Massenverelendung geführt.

In Tirol sei der antidemokratische Weg schon sehr früh und vor den Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise beschritten worden. "1920 verkleinerte die ÖVP die Regierung und schuf damit den sozialdemokratischen Landeshauptmannstellvertreter ab", erklärte Schreiber. Die Budgetgestaltung zugunsten der Großbauern habe die sozialen Zustände weiter verschärft, auf der Strecke blieb auch die Bildung. "Tirol übernahm eine negative Vorreiterrolle in Österreich", so Schreiber. Zwei Wochen vor dem österreichweiten Verbot wurde bereits der Schutzbund in Tirol untersagt. Die ÖVP habe durch die Verschiebung der Landtagswahl auf "unbestimmte Zeit" einen Verfassungsbruch begangen. Schreiber: "Am 30. Jänner 1934 besetzten 8000 Heimwehrmänner wichtige Stellen in Tirol - der Landtag wurde vor Einführung des Ständestaates bereits liquidiert."

Der Widerstand in Tirol beschränkte sich auf lokale Kräfte. "Bei den Kämpfen hier rund um Wörgl waren 60 bis 100 Arbeiter involviert, 77 wurden verhaftet und 12 Haftstrafen zwischen einem und drei Jahren verhängt", so Schreiber, der die Arbeiteraufstände würdigt: "Österreich war das erste Land, in dem die Demokratie mit Waffengewalt gegen den Faschismus verteidigt wurde."

Schreiber sieht die Demokratie heute wieder bedroht. Er kritisiert die "heutige privatisierte Gesellschaft" und die Aushöhlung der Solidarität. "Sozialdemokratische Werte sind heute aktueller und wichtiger denn je", so Schreiber, der aufruft, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen: "Ohne Wahlbeteiligung wird es auf lange Sicht keine Demokratie geben."
 

Mit einer "Galgenaktion" im Eingangsbereich der Galerie am Polylog beteiligten sich  die Jungsozialisten an der Gedenkveranstaltung. "Ermordert von Engelbert Dollfuß, einem von der ÖVP verehrten Faschist" steht auf dem Balken, an dem plakativ Tafeln mit der Aufschrift Freie Gewerkschaft, Demokratie und Sozialismus aufgehängt waren.

Ein Kommentar zur "Erinnerungskultur"...

Schade, dass die Gedenkveranstaltung am 13. Februar 2014 in der Galerie am Polylog nach den Vorträgen ohne Publikumsdiskussion zu Ende war. Diese war im Programm des Abends nicht vorgesehen. Fragen oder Kommentare also bitte im privaten Smalltalk. Darauf wurde einfach vergessen. Unabsichtlich. Kann passieren.

Schade, denn es bleibt nach dem Gehörten schon ein wenig der Eindruck einer Propaganda-Veranstaltung, bei der man sich nach Gesagtem kopfnickend zufrieden zurücklehnt. Ja, wir haben uns erinnert. "Lernen Sie Geschichte" - mit dem Zitat ging die sozialdemokratische Leitfigur Bruno Kreisky selbst in die Geschichte ein. Zu einem Reporter hat er das übrigens gesagt. Stimmt ja auch. Als solcher würde ich es aber gern noch um das Wörtchen "aus" ergänzen. Denn nur die Geschichte zu lernen, ohne aus ihr zu lernen - was bringt das? Wir stecken heute wieder in einer weltweiten Wirtschaftskrise, deren Ursache wie damals im ungerechten Geld- und Finanzsystem zu finden ist. Was hat die Sozialdemokratie daraus gelernt? Und wenn gerade hier in Wörgl dann jener Mann, der der Welt eine Alternative zum zinseszinsbelasteten Schuldgeldsystem in der praktischen Umsetzung aufzeigte und damals sozialdemokratischer Bürgermeister war, mit keiner Silbe erwähnt wird, so frage ich mich schon: Was hat man denn wirklich aus der Geschichte gelernt?

Gesagt sei hier allerdings auch noch ein großes Dankeschön an alle, die die informative Ausstellung, die noch bis 18. Februar zu sehen ist, gestaltet und organisiert haben! Hingehen und anschauen!

Veronika Spielbichler