(0)
Pressekonferenz der Grünen am 1. April 2014 in Kundl |
EU-Kandidat Thomas Waitz, LA Gabriele Fischer und Bundesrätin Nicole Schreyer.
Agrarförderungen, Gentechnik und Saatgutverordnung beschäftigen mittlerweile nicht nur die Landwirte, sondern breite Bevölkerungsschichten. Für Thomas Waitz, steirischer Bio-Bauer, Landwirtschaftskammerrat und für die Grünen am 4. Listenplatz bei der EU-Wahl ist klar, was auf dem Spiel steht und er plädiert sowohl in der Bio- wie auch in konventionellen Landwirtschaft auf gentechnikfreie Qualität zu setzen und den Lippenbekenntnissen auch eine entsprechende Förderpolitik folgen zu lassen.
LA Gabriele Fischer sieht die EU am Scheideweg: "Mit dem Programm Ländliche Entwicklung 2014-2020 werden die Weichen in der Agrarpolitik neu gestellt und da wird sich entscheiden, ob es in Richtung Industrialisierung oder Ökologisierung geht." Besonders im Biolandbau sehen die Grünen riesigen Handlungsbedarf. "Die erwünschte Steigerung des Bioanteiles wird sich ohne entsprechende Förderung nicht einstellen. Wir wollen eine Aufstockung der Bio-Prämien von 100 auf 150 Millionen Euro“, sagt Gabriele Fischer und Waitz kritisiert die Kürzung der Steilmahdprämien von 26,7 auf 16,7 Millionen Euro, was Tirol besonders betreffe: "Hier besteht die Gefahr, dass weitere Bauern aufgeben."
Argumente für die Förderung der Bio-Landwirtschaft, die mit gesundem Humusboden arbeitet, sehen die Grünen nicht nur in der Lebensmittelqualität, sondern auch im Hochwasser- und Lawinenschutz: „Technische Lawinenverbauungen sind 10 mal teurer als bewirtschaftete Steilflächen“, sagt Waitz und zeigt neben der ökologischen auch die ökonomische Dimension auf. Allein der Lawinenschutz rechtfertige höhere Förderungen, da sei die Wertschöpfung des Tourismus noch garnicht berücksichtigt. Richtige Flächenbewirtschaftung verhindert zudem Bodenerosion. Gesunde Humus-Böden weisen eine weitaus höhere Wasserrückhaltefähigkeit auf als ausgelaugte Industrieackerflächen und auch aus Sicht des Klimaschutzes ist der Humuswirtschaft klar der Vorzug zu geben, da Humus CO2 im Boden bindet.
Waitz kritisiert die Haltung des Landwirtschaftsministers Rupprechter, dass dieser die Förderungskürzungen in Kauf nehme mit dem Hinweis, dass die Länder hier den gewünschten Ausgleich vornehmen könnten. Waitz lehnt diese Abwälzung auf die Bundesländer ab.
Neue Förderkriterien: Weg von Betriebs- hin zu Flächenförderung
Die Agrarförderungen bestehen aus der ersten Säule, den sogenannten Direktzahlungen, wo es einen Übergang vom bisherigen historischen Betriebsprämienmodell auf eine einheitliche Flächenprämie geben wird und der zweiten Säule, dem Programm Ländliche Entwicklung 2014-2020, das Agrarumweltprogramm ÖPUL, Ausgleichszahlungen für Bergbauern sowie Forstförderungen umfasst. Die Grünen als stufen als problematisch ein, dass das Fördermodell auf eine weitere Intensivierung der Landwirtschaft und Erhöhung der Produktivität ziele. "Die Intensivierung verstärkt das Problem, der Humus fällt weg und er Boden kann seine Funktion nicht mehr erfüllen", warnt Fischer. Welcher Unterschied zwischen Bio- und industriellem Landbau besteht, schilderte Waitz anhand der Dürre im vergangenen Jahr in der Steiermark: "Die Bio-Maisfelder waren noch alle grün, weil der Boden mehr Wasser speichert, während die konventionell bewirtschafteten Maisfelder daneben bereits verdorrt waren."
Auf bessere Unterstützung der Bio-Schiene hofft auch Bundesrätin Nicole Schreyer, Bezirkssprecherin der Grünen angesichts des Biobauernrückganges in Tirol von 3.200 auf 2.800 Betriebe von 2002 bis 2012: „Wir wollen die 36 % Bio-Betriebe im Bezirk Kufstein halten." Schreyer schildert die Entwicklung der Landwirtschaft in Tirol anhand statistischer Zahlen: von 1960 bis 2014 blieb die Anzahl der Bauernhöfe über 10 Hektar mit rund 13.000 gleich, die Anzahl der Betriebe unter 10 Hektar sank allerdings von 17.000 auf 7.500. Der Bezirk Kufstein weist 18.000 Hektar Agrarflächen und 3000 Hektar Almen aus, wobei nach der letzten Erhebung 2007 rund 6.600 Hektar von 550 Bio-Betrieben bewirtschaftet werden. Der Bezirk liegt mit 36 % beim Bio-Anteil über dem Durchschnitt von 20 bis 25 %.
Biolandbau hat Zukunft!
Und in der Bio-Schiene sieht Thomas Waitz auch die Zukunft der Landwirtschaft aufgrund der Markt-Chancen: "Östereich hat seit 2006 aufgrund von gentechnikfreier und biologischer Produktion eine positive Agrar-Außenhandelsbilanz. Bio ist heute der Verkaufsschlager." Im Gegensatz zu Österreich gäbe es in weiten Teilen der EU keine kleinstrukturierte Landwirtschaft und keine Bauern mehr, während in Österreich 80 % der Betriebe kleiner als 10 Hektar sind. "Wir können mit der industrialisierten Landwirtschaft nie konkurrieren und sollten das auch nicht tun", so Waitz und verdeutlicht die Dimensionen anhand eines konkreten Beispiels: "Bei uns werden Schweinemastbetriebe mit 2000 Tieren bekämpft. In den Niederlanden gibt es Betriebe mit 250.000 Tieren in einem 17 Hektar großen Stall, in dem noch drei Menschen arbeiten - ein Tierarzt und zwei Techniker. Und die Gülle wird ins Meer gepumpt."
Landwirtschaft zum Mitmachen für alle: die "Kleine Farm"
Während Bio in der österreichischen Agrarpolitik noch ein "geduldetes" Randthema ist, entdecken immer mehr Konsumenten den Wert gesunder Lebensmittel und gehen dafür auch neue Wege. Wie jene 55 Menschen, die bei der "Kleinen Farm" im Bezirk Leibnitz mitmachen. "Die 55 Beteiligten zahlen am Anfang des Jahres für die Ernte, die dann aliquot aufgeteilt wird. Das Modell funktioniert sehr gut und alle profitieren dabei. Das Produktionsrisiko wird geteilt, der Bauer kann besser kalkulieren, die Produkte sind relativ günstig und die Menschen bekommen wieder einen Bezug zu ihren Lebensmitteln. So ist auch die Mitarbeit bei der Ernte möglich und Kinder und Jugendliche lernen die Zusammenhänge", schildert Waitz das alternative Modell, das auch im Bildungsbereich eine Riesenlücke schließe. Eine neue Beteiligungskultur, die Schule machen kann.
Heiße Eisen der europäischen Agrarpolitik: TTIP, Saatgutverordnung und Gentechnik
Auf europäischer Ebene sieht Waitz das EU-Parlament bei den jetzt Wahl-bedingt ausgesetzten Verhandlungen betreffend die Saatgutverordnung und das Freihandelsabkommen TTIP gefordert, das die Demokratie und Lebensmittelstandards zugunsten kommerzieller Konzerninteressen aushebeln will.
"Der vorgelegte Saatgutverordnungsentwurf wurde vom Europäischen Parlament zwar gerade abgelehnt, aber das wird sicher nicht der letzte Versuch gewesen sein, um die Kleinen vom Markt zu verdrängen", ist Waitz überzeugt. Welcher kleine Saatguthersteller wird sich die Zulassungskosten von 30.000 Euro pro Sorte leisten können? Ebenso problematisch sieht Waitz "den Zwang zur Uniformität", was heißt, dass Saatgut möglichst gleichzeitig keimen und reifen soll. Aus Sicht der industriellen Produktionsweise unter Verwendung von Gentechnik verständlich, allerdings verheerend für die Sortenvielfalt und genetische Breite, die eine bessere Anpassungsfähigkeit des Saatgutes an Standortbedingungen bringt.
Keine Ausbringung von gentechnisch verändertem Saatgut bei Mais gelte es jetzt auch auf europäischer Ebene durchzusetzen. "Das EU-Parlament war mit großer Mehrheit dagegen. Von 28 Staat stimmten 19 dagegen, sechs enthielten sich der Stimme. Und da wurde die Ausbringung mit dem Argument erlaubt, es gäbe keine Dreiviertelmehrheit dagegen! Wo bleibt da die Demokratie? Da ist jetzt unsere Bundesregierung gefordert, der Demokratie zum Durchbruch zu verhelfen", sagt Waitz und zeigt auf, wie die Engländer ganz elegant und ohne Verbot ihre Insel gentechnikfrei gehalten haben: "Von den Bauern wurde eine Versicherung verlangt, die bei Kontamination der Nachbarflächen haften soll - und dieses Risiko ging bisher keine Versicherung ein."
Massive Kritik übt Waitz am Freihandelsabkommen TTIP, das derzeit zwischen den USA und der EU verhandelt wird. Hinter verschlossenen Türen und völlig intransparent. Um vor der EU-Wahl die Menschen zu beschwichtigen, werde derzeit einiges aus den Verhandlungen ausgenommen. "Warum wird nicht offengelegt, worüber da verhandelt wird? Nicht einmal die EU-Abgeordneten erhalten Einblick in die Verhandlungsunterlagen", ärgert sich Waitz und kritisiert einerseits die Herabsetzung von Lebensmittelstandards ebenso wie die vorgesehene internationale Gerichtsbarkeit für Konzerne: "Da können wir die Demokratie gleich abschaffen, wenn uns die Konzerne diktieren wollen, was auf unseren Tellern landet." Dieser Gerichtsbarkeit zufolge können Konzerne Staaten auf "Gewinnentgang" klagen, wenn diese auf Umwelt- und Sicherheitsstandards beharren. "Dieses Gericht besteht aus drei Richtern von Weltbank, WTO und UNO, tagt geheim, hat keine Berufungsmöglichkeit und ist außerhalb der europäischen Gerichtsbarkeit", warnt Waitz, der den Protest der europäischen Zivilbevölkerung und die verstärkte Medienberichterstattung über das "Transatlantic Trade und Investment Partnership"-Abkommen begrüßt.