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Das Zeitsparwerk Wörgl schließt seine Räumlichkeiten in der Anichstraße

Das Zeitsparwerk sperrt zu - der Verein bleibt. Obmann Richard Spindler beim Interview.

Vor sechs Jahren richtete sich der "Verein zur Förderung der Heimwerkerkultur" in der ehemaligen Malerwerkstatt-Halle in der Anichstraße ein. Ohne öffentliche Fördergelder. Vorbild für die Gemeinschaft der rund 10 Mitglieder: Ein Hackerspace war die Grundidee. Die Zeitsparwerker verstanden diesen Begriff allerdings nicht auf die virtuelle Ebene begrenzt: "Hacker versuchen herauszufinden, wie Dinge funktionieren. Das kann mit Computersicherheit zu tun haben, aber auch andere Themen betreffen", erklärt Obmann Richard Spindler. Dahinter steckt eine eigene Philosophie, zur Hacker-Ethik gibt´s ein Hacker-Manifest - es gelte auf jeden Fall, Langeweile zu vermeiden.

Der Wörgler Hackerspace war über die Jahre ein lebendiger, kreativer Hotspot. Als Bastelwerkstatt, Erfahrungsraum und Treffpunkt für Mitglieder und Gäste. "Jeder hat dabei eine Entwicklung durchgemacht, die Bedürfnisse haben sich geändert. Jetzt ist die Kerngruppe in alle Winde zerstreut und der Mietvertrag lief aus", schildert Richard Spindler, der bereits seit längerer Zeit in Berlin lebt, den Anlass für die Räumung der Halle. Was nimmt er aus seiner Zeit im Zeitsparwerk mit? "Besonders geschätzt habe ich das Zusammenleben als Gruppe, wobei mein Ding die Frage war, wie das Zusammenleben ohne vorgegebene Struktur nach einem anarchischen Konzept funktioniert", so Spindler. Als Anführer keine Vorgaben machen, auch wenn sie erwartet werden. Hinzunehmen, was passiert und noch schwieriger - anzunehmen, dass einmal nichts passiert. "Hier eine Balance zu finden zwischen raushalten und Impulse geben war die größte Herausforderung - und dafür eine Struktur zu finden, daraus habe ich persönlich viel gelernt", so Spindler, der die Rollenverteilung in Frage stellt. Es sei wie beim Theater - Schauspieler und Zuschauer, und diese Rollenverteilung sei auch in der Gesellschaft ganz tief verankert.

Womit die Vereinsmitglieder ihre Zeit im Hackerspace verbrachten, war freigestellt. Ein fruchtbarer Boden für allerlei Aktivitäten, die vom Literatur-Zirkel über Vorträge in familiärem Kreis über handwerkliche Tätigkeiten und Fitnesstraining bis hin zu Workshops und Aktionen in der Öffentlichkeit reichten. Das Zeitsparwerk sorgte etwa mit einem 3D-Drucker beim Wörgler Stadtfest für Aufsehen, beteiligte sich mit Aktivitäten beim Sattelfest, bot im Rahmen von Jugendbeteiligungs-Projekten technische Workshops an - etwa zum Bau von Synthesizern oder von Parcours-Möbeln und Solar-Kocher, die u.a. beim "Just do it"-Event im Fischerfeld verwendet wurden.

Besonderen Eindruck bei Richard hinterließ das Filmprojekt seines jüngeren Bruders Raimund, das er im Zeitsparwerk realisierte. Und die Kooperation mit der Stiftung Freizeit aus Berlin, die im Vorjahr mit Schülern des Bundesschulzentrum im Zeitsparwerk Stadtmöbel zimmerten - eine Mischung aus Pflanzkisten und Sitzgelegenheit, die als mobile Parkmöbel eingesetzt werden können. Zwei der vier Elemente landeten in der KulturZONE, zwei im Wörgler Freigarten. Spindler traf die Künstler der Stiftung Freizeit dann auch in Berlin. Dem Hackerspace im landläufigen Sinn wurde das Zeitsparwerk  u.a. mit dem Bau von Stör-Fernbedienungen für TV-Geräte sowie mit einem opensource Arduino-Programmierungs-Workshop gerecht. 

Wie´s mit dem Zeitsparwerk nach dem Auszug aus den Räumlichkeiten konkret weitergehen wird, steht noch nicht fest. Jetzt sei erst einmal eine Auszeit von ein, zwei Monaten angesagt. Spindler plädiert für Events. Eventuell einmal im Jahr ein Wochenende, oder eine Tagesveranstaltung. Wörgl wird er weiter verbunden bleiben. Auch beruflich. Als Mitarbeiter der neu gegründeten Firma EONYK, die sich in der Poststraße neben der Bahnunterführung eine Halle angemietet hat. Das seit einem halben Jahr bestehende Unternehmen fertigt Industriedruckanlagen. Richard Spindler arbeitet für die Firma vorwiegend von Berlin aus und freut sich auf das neue Projekt. Auch die guten Kontakte zum Verein Agitatio, der "The Base" in der Anichstraße betreibt, will Spindler, der sich auch dieser Idee verbunden fühlt, aufrecht erhalten. "Die Saat ist gesät. Jetzt schauen wir mal, was aus den gemeinsamen Erfahrungen und dem Netzwerken mit ähnlichen Gruppen wächst", blickt er optimistisch in die Zukunft.