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Flüchtlinge in Wörgl - Unterstützung in vielen Bereichen erwünscht

Helfen ehrenamtlich: Basma Bashira, Irmi Moritz und Helmut Wechner (Bild links v.l.) halten im Tagungshaus, das die Räume kostenlos zur Verfügung stellt, Deutschkurse für Flüchtlinge ab.

"Österreich wirbt mit Building Bridges und Toleranz - Brücken bauen ist nicht nur in Zeiten von Lifeball und Songcontest angesagt", ist Irmi Moritz überzeugt. Auch davon, dass die Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung sehr groß ist, es allerdings an konkreter Anleitung -  wie, wann, wo, was gebraucht wird - fehle. "Bei einem Betreuungsschlüssel von 170 Asylwerber auf eine Betreuungsperson ist es sehr schwierig , alle Aufgaben abzudecken. Ohne Ehrenamt geht es nicht! Es ist wichtig, die Bevölkerung in die Betreuung einzubinden - auch um Vorurteile abzubauen und die Asylwerber in die Gemeinschaft einzubinden", so Moritz, die als Obfrau des Vereins Komm!unity weiß: "Das beste Mittel für eine gelingende Integration ist Verständnis und Offenheit seitens der Bevölkerung."  In Österreich seien nur 0,3 % der Bevölkerung Asylsuchende und Flüchtlinge mit Status. Moritz ist davon überzeugt, dass viel mehr Menschen helfen würden, wenn sie die Schicksale der Flüchtlinge kennen und ermuntert engagierte WörglerInnen, aktiv zu werden. 

Durch die Umstrukturierung der Flüchtlingsbetreuung auf Landesebene, die heuer mit Gründung der Tiroler Sozialen Dienste GmbH neu organisiert wurde, läuft längst noch nicht alles optimal. Die Durchführung von Sprachkursen etwa falle in die Landeskompetenz - diese kommen aber erst jetzt in die Gänge. Fakt ist aber, dass in Wörgl die Flüchtlinge seit Jänner - manche auch schon seit November - in der Stadt sind und bis April kein Sprachkurs existierte. Daraufhin ergriff Irmi Moritz kurzerhand privat die Initiative und fand MitstreiterInnen, mit denen sie seit April ehrenamtlich Sprachunterricht gibt. Zwei Mal zwei Stunden pro Woche, ebenso wie Helmut Wechner, pensionierter Lehrer am BRG Wörgl, der sich gern in den Dienst der guten Sache stellt und über aufmerksame Schüler freut: "Die Teilnehmer sind sehr lernbeflissen, aufmerksam und dankbar. Hier habe ich mich in der Rolle des Lehrers wiedergefunden!"

Großen ehrenamtlichen Einsatz zeigen auch die beiden Dolmetscherinnen, die unentgeltlich beim Deutschkurs helfen. Die aus Ägypten stammende Diplomschwester Mona El-Shabrawy sowie die vierfache Mutter Basma Bashir aus dem Sudan, die vier Mal pro Woche extra aus der Wildschönau nach Wörgl kommt. 

Der Deutschkurs im Tagungshaus, das die Räumlichkeiten kostenlos zur Verfügung stellt, ist reine Privatinitiative, nicht ein Projekt von Komm!unity, was bei Irmi Moritz Funktion als Obfrau des Vereins für Jugend, Integration und Gemeinwesenarbeit nahe läge. Komm!unity habe zur Flüchtlingsbetreuung weder den Auftrag, noch die erforderlichen finanziellen Mittel, ist aber de facto schon jetzt vielfach Ansprechpartner von Flüchtlingen, wenn es etwa um das Ausfüllen von Formularen oder um Dolmetschen bei Arztbesuchen geht. Auch Komm!unity-Geschäftsführer Klaus Ritzer weiß, dass auf den Verein mehr Arbeit zukommt: "Viele wollen ehrenamtlich helfen - das gehört organisiert." Als Ansprechpartner für die Mithilfe beim Deutschkurs bieten sich Helmut Wechner, Tel. 0699-10626395 und Irmi Moritz, Tel. 0699-10030858 an.

Die Deutschkursteilnehmer mit Irmi Moritz, Basma Bashira und Helmut Wechner.

Beschäftigung und Fußballmannschaft gesucht...

"Alles Leben ist Begegnung - am Du werde ich zum Ich" - zitiert Irmi Moritz den Religionsphilosophen Martin Buber und wünscht sich, dass viele diese Lebensweisheit beherzigen. Während der Deutschstunde beantworteten die Kursteilnehmer bereitwillig Fragen nach Herkunft, ihren Familien, Wünschen und Bedürfnissen. Alle sind Kurden, stammen aus dem Nordirak und Syrien, teilweise aus Alleppo. Bangen um zurückgebliebene Familien belastet den Alltag ebenso wie das Warten auf das Behördeninterview zur Erlangung des Status als anerkannter Flüchtling.

Die meisten flüchteten zu fuß, mithilfe von Schleppern über die Türkei. Mohammed war über einen Monat unterwegs, Bilal legte die gesamte Strecke aus Syrien zu fuß zurück. Sie sind Elektriker, Schmied, Koch, Maler, Supermarktleiter, ein Modegeschäft-Inhaber mit Philosophiestudium. Wollen sie zurückkehren? Diese Frage beantworten alle derzeit mit nein - lieber hier bleiben. "Wenn mein Land eine Demokratie ist und die Menschenrechte gelten, dann will ich zurück", sagt einer von ihnen, dessen Frau mit vier Kindern in die Türkei geflohen ist und hofft, bei Anerkennung des Flüchtlings-Status nachkommen zu können.

31 Asylwerber in Wörgl warten auf das Behörden-Interview. Dass es solang dauert, liegt am knappen Personal. "In Tirol gibt es dafür nur vier Beamte", teilt Moritz mit. Viel zu wenige. Und das Warten zermürbt, der Kontakt ins Kriegsgebiet ist schwierig, oft unterbrochen. So ist man um jede Aufgabe froh - um den Sprachkurs oder die Mithilfe in der Gemeinde. Zwei Flüchtlinge helfen beim städtischen Bauhof, weitere drei bei Hausmeisterarbeiten im Seniorenheim, der Neuen Mittelschule und bei städtischen Sportanlagen. Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten wären sehr erwünscht - auch in sportlicher Hinsicht: So suchen drei der Kursteilnehmer eine Fußballmannschaft, mit der sie trainieren und spielen können.

Flüchtlingsunterbringung Thema im Wörgler Gemeinderat

Beim Wörgler Gemeinderat am 21. Mai 2015 brachte Bürgermeisterin Hedi Wechner unter Allfälliges eine Zusammenfassung über die Flüchtlingsunterbringung von Klaus Ritzer und Irmi Moritz von Komm!unity. In Tirol bestehen über 70 Unterkünfte für Asylwerber, 2800 werden vom Land betreut, weitere 1000 Plätze werden benötigt. In Wörgl werden seit 2006 Asylwerber untergebracht, die meisten waren es 2010 bis 2012. Österreich verzeichnet seit Jänner 2015 die größte Anzahl Asylwerber bisher.

Die Unterkünfte in Wörgl sind Selbstversorgerheime, die Bewohner erhalten monatlich 200 Euro für den Lebensunterhalt und 40 Euro Taschengeld. Solange die Prüfung des Flüchtlings-Status dauert, sind sie vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und dürfen nur gemeinnützige Tätigkeiten verrichten - bei einem Stundenlohn von 3 Euro und einer Grenze von maximal 80 Stunden pro Monat. Die Betreuung dieser Flüchtlinge sei ausschließlich Sache des Landes, das dafür die Tiroler Soziale Dienste GmbH gegründet hat. Die für Wörgl zuständige Flüchtlingsbetreuerin Elisabeth Heinzl habe sich derzeit um 120 Betreute zu kümmern. Die 44 Flüchtlinge mit anerkanntem Asyl-Status erhalten Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Sozialleistungen.

"In Pinnersdorf werden weitere 30 bis 40 Asylwerber ab August, September dieses Jahres untergebracht, der Verpflegungsvertrag ist bereits unterzeichnet. Die Tiroler Dienste GmbH wird eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung durchführen", teilte Wechner mit.

Ein weiteres Problem sei der G7-Gipfel in Bayern und das Bilderberg-Treffen in Tirol, weswegen Deutschland ab 25. Mai für drei Wochen das Schengen-Abkommen außer Kraft setzt und Grenzkontrollen durchführt. Durch die Polizeikontrollen wird erwartet, dass es an der Tiroler Grenze zu Deutschland zu einem Flüchtlingsstau kommen wird. Da eine Rückführung nach Italien schwierig wird, rechnet das Land mit steigendem Bedarf an Unterkünften und ersuchte die Stadt Wörgl um Prüfung, ob solche zur Verfügung gestellt werden können. Der Gemeinderat befasste sich damit dann im vertraulichen, nicht öffentlichen Teil der Sitzung.

NR Carmen Schimanek will auch in Österreich Schengen-Abkommen aussetzen
 
„Gerade in Anbetracht des derzeitigen Flüchtlingsstromes muss diese Nachricht Österreich und vor allem Tirol in Alarmbereitschaft versetzen“, meint NAbg. Carmen Schimanek. „Die vorsichtigsten Schätzungen sprechen von täglich mindestens 100 zusätzlicher Flüchtlinge, welche in Tirol stranden werden“, führt sie weiter aus. Vor allem  den Landeshauptmann sieht Schimanek dabei in der Pflicht: „Der Bezirk Kufstein wird die volle Wucht des Flüchtlingsstromes zu spüren bekommen, da hier Endstation sein wird. Hilfestellung für die betroffenen Gemeinden gibt es vom Land allerdings so gut wie keine. LH Platter muss hier tätig werden und darf nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und sämtliche Probleme auf die Gemeinden und Bürgermeister abwälzen!“ Weiter fordert Schimanek mittels Presseaussendung am 22. Mai 2015, dass auch Österreich das Schengen Abkommen außer Kraft setzt: „In diesen 3 Wochen werden tausende Illegale in Tirol stranden. Auf diese Anzahl sind das Land und vor allem die Gemeinden in keiner Weise vorbereitet." Die Bundesregierung solle alle Grenzen zu Italien dicht machen. 

Land Tirol: "Stufenplan sieht Unterkunftsmöglichkeiten für mehrere hundert Flüchtlinge vor" 

 

Aufgrund des G7-Gipfels, dem Treffen der sieben wichtigsten Staats- und Regierungschefs,  am 8. und 9. Juni auf Schloss Elmau im bayerischen Krün wird Deutschland von 26. Mai bis 15. Juni 2015 verstärkt Grenzkontrollen auf der Straße und auf der Schiene durchführen. „Wir rechnen damit, dass im Zuge dieser Kontrollen vermehrt Flüchtlinge aufgegriffen werden“, informiert Dietmar Schennach, Vorstand der Gruppe Gesundheit und Soziales beim Land Tirol mittels Presseaussendung am 22. Mai 2015. "Schätzungen gehen davon aus, dass derzeit täglich rund 120 Flüchtlinge durch Tirol Richtung Deutschland und Skandinavien reisen."

Da nicht klar sei, wie intensiv Deutschland seine Grenze zu Tirol kontrollieren wird, um die Einreise von gewaltbereiten DemonstrantInnen gegen G7 zu verhindern, sei auch nicht abschätzbar, wie viele Flüchtlinge tatsächlich in Tirol stranden werden. „Die Polizei, das Rote Kreuz, der Arbeitersamariterbund, die BH Kufstein und das Land Tirol bereiten sich aber jedenfalls auf ein erhöhtes Flüchtlingsaufkommen vor“, berichtet Schennach im Anschluss an eine Sitzung der Einsatzorganisationen von konstruktiven Vorbereitungsarbeiten.

Notquartiere in Turnhallen

"Im Nahbereich des Bahnhofs Kufstein wird ein Erstversorgungszelt errichtet, in dem die Flüchtlinge Essen, ärztliche Versorgung und Informationen über die weitere Vorgangsweise erhalten. Dann erfolgt der Transfer zu den Notquartieren in den Turnhallen von Schwoich und Unterlangkampfen. Die Notquartiere werden vom Arbeitersamariterbund bzw. vom Roten Kreuz betreut und bieten ab Mitte nächster Woche Platz für cirka 200 Menschen", heißt es in der Presseaussendung.  "Sollten diese Kapazitäten nicht ausreichen, stehen weitere Unterkünfte zur Verfügung.  Außerhalb des Bezirkes Kufstein hat auch die Stadt Innsbruck noch ein zusätzliches Notquartier angeboten."

„Ich darf mich bei den Gemeinden und bei den Einsatzorganisationen für die gute Zusammenarbeit bedanken. Gemeinsam wollen wir diese schwierige humanitäre Situation bewältigen und den flüchtenden Menschen – so gut es geht – Schutz und Unterkunft bieten“, erklärt Soziallandesrätin Christine Baur.