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Erinnerungstreffen 10 Jahre Hochwasser am 29.8.2015 beim Pumpwerk Giessen |
vero / 30.08.2015 07:21
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Auf Höhe der Dammbruchstelle 2005 fand am 29. August 2015 auf der gesperrten Nordtangente das "Erinnerungstreffen 10 Jahre Hochwasser" statt, bei dem sich Betroffene, Interessierte, Politiker und Beamte einfanden - darunter auch Wörgler Gemeinderäte sowie die Vizebürgermeister. Im Bild rechts Gerhard Unterberger und Dr. Josef Schernthaner von der Hochwasserinitiative mit Moderator Klaus Walter (v.l.).
„10 Jahre Ausreden liegen hinter uns – die kennen wir in- und auswendig. Wir verstehen nicht, dass der Damm nicht gebaut wird, zumal alle anderen Gemeinden am Inn ihre Hochwasserschutzdämme bereits gebaut haben“, formulierte Dr. Josef Schernthaner von der Hochwasserinitiative den Unmut der Betroffenen und ortete Verfehlungen bei Behörden wie Politik. „Der gebrochene Damm beim Pumpwerk war zu niedrig und falsch konstruiert“, so Schernthaner, der daraus eine Verletzung der behördlichen Aufsichtspflicht ableitet und den Schluss zieht, Wörgl sei als „Sollbruchstelle“ konzipiert – damals wie heute. Schließlich hätten andere Gemeinden ihre Hochwasserschutzdämme alle ohne Wasserverband gebaut. Die Hochwasserinitiative sieht Gutachter als befangen an und eine Ungleichbehandlung Wörgls gegenüber anderen Gemeinden. "Kössen hat seinen Hochwasserschutz sofort ohne Retentionsflächen erhalten", teilte Schernthaner mit - hier würden gewünschte Retentionsflächen nun sogar nicht bewilligt.
Von links: Gerhard Unterberger und Josef Schernthaner, LHStv. Josef Geisler und interessierte ZuhörerInnen.
Landeshauptmannstellvertreter Josef Geisler widersprach dieser Sichtweise. Wörgl werde seinen Hochwasserschutz bekommen. Geld sei dabei nicht das Problem und es stimme auch nicht, dass 10 Jahre lang nichts passiert sei. Die neue EU-Hochwasser-Berechnungsmethode habe 2009 zur Neubewertung des Hochwasserschutzes in Tirol geführt. „Für ein Hochwasser wie 2005 reicht der Schutz, nicht aber nach den neuen Kriterien“, so Geisler, der beim Hochwasserschutz Unterinntal gemeinsame Lösungen für gemeindeübergreifende Schutzmaßnahmen anpeilt: „Wörgl braucht die Nachbargemeinden, nur ein Wasserverband kann als rechtskonforme Lösung dauerhaft Schutz gewähren.“ Bund und Land würden die Gemeinden dabei finanziell voll unterstützen. „Vorgabe ist 2018 Baubeginn – das geht aber nur, wenn die Gemeinden gemeinsam an der Lösung arbeiten“, so Geisler.
Das Land Tirol unterstütze die Gemeinden bei der Gründung von Wasserverbänden, die parallel zu den Planungen läuft und spätestens zum Zeitpunkt der Einreichung der Schutzmaßnahmen erfolgen solle. Die künftigen Wasserverbände beantragen die Maßnahmen bei der Behörde und sind für die Errichtung, den Betrieb und die Instandhaltung der Schutzbauten zuständig. Die Detailplanungen starten Anfang 2016. Experten haben zudem ein Modell zur Entschädigung für GrundeigentümerInnen von Retentionsflächen ausgearbeitet.
Nach fünf Minuten Redezeit am Podium erhielt das Publikum die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Stellungsnahmen abzugeben - darunter war auch der satirische Vorschlag, die Landespolitiker würden sich als "Schneepflugfahrer" eignen, da der Hochwasserschutz für Wörgl seit 10 Jahren "vor sich hergeschoben wird".
„Derzeit erfolgt die Angebotsprüfung für die Ingenieursleistungen, die Planer haben ein Jahr Zeit für die Detailplanung, 2017 sollten die Bewilligungsverfahren beginnen“, erklärte DI Martin Rottler vom Baubezirksamt den weiteren Fahrplan für das neue, längere Damm-Projekt in Wörgl-West zum Schutz vor 100jährlichem Hochwasser. Von 2005 bis 2009 seien in Wörgl Hochwasserschutzprojekte mit Dammerhöhungen an Inn und Brixentaler Ache bereits durchgeführt worden. Was den fehlenden Damm Wörgl-West betrifft, reiße man hier nicht ein Detail aus dem Gesamtprojekt. So mache das Ausbaggern des Inns und das Anlegen einer Tiefenrinne nachhaltig auch nur im Kontext mit einem ökologischen Projekt Sinn, da sonst die tiefergelegte Sohle gleich wieder aufgesandet werde.
Rottler wies den Vorwurf der Befangenheit von Gutachtern strikt zurück. "Die Sachverständigen sind weder befangen, noch Gegner des Dammes - sie handeln auf Basis gesetzlicher Vorgaben und technischer Machbarkeit", so Rottler, der hinzufügte, dass hier nicht nur auf einen Gutachter gehört wird, sondern auch weitere Fachleute die Sachlage beurteilen. "Wir wollen fachlich diskutieren, nicht emotional", so Rottler, der kritisiert, dass "Falschinfo keinesweg ein Weg zum Ziel ist". Und das Ziel sei, in drei Jahren die Baumaschinen auffahren zu lassen.
„Ich habe heute hier nichts Neues gehört“, meldete sich Bürgermeisterin Hedi Wechner zu Wort und bezeichnete die „unkoordinierte, unstrukturierte Vorgangsweise des Landes“ als verantwortlich dafür, dass der Damm noch nicht steht: „Seit 2008/09 liegt die Regionalstudie vor – und seither weiß man, dass Retentionsflächen nötig sind. Warum hat man nicht gleich vom Land aus Wasserverbände gegründet und mit den Grundeigentümern verhandelt?“ so Wechner, die darin eine „Verhinderungs- und Verzögerungstaktik“ ortet. Wechner bekennt sich zur regionalen Lösung. Selbstverständlich müssten Eigentümer von Retentionsflächen entschädigt werden, wobei hier vorhandene Rückhaltezonen tiefer eingestaut werden könnten. Die in Wörgl nutzbaren Retentionsflächen wurden aufgrund der ungünstigen Lage vom Land nicht weiter in Betracht gezogen: Das Gewerbegebiet müsste unterrohrt werden, das Wasser würde von selbst nicht ablaufen – Kosten für ein solch teures Projekt wurden nicht erhoben. Die Wörgler Nationalratsabgeordnete Carmen Schimanek (FPÖ) erinnerte daran, dass der Wasserverband "erst nach meiner Anfrage bei Minister Rupprechter gefordert wurde, vorher nicht" und nahm das Land in die Pflicht: „Es hätte nur den einstimmigen Landtagsbeschluss zum Dammbau umsetzen sollen.“
Vertreter der Behörde wie BH Christoph Platzgummer (Bild Mitte) und DI Martin Rottler (rechts) vom Baubezirksamt standen Rede und Antwort.
Anrainerfragen betrafen u.a. Entschädigungsleistungen bei neuerlichem Hochwasser. „Das Land vergütet 50 % der Schäden, bei Härtefällen mehr“, informierte BH Christoph Platzgummer. Weitere Fragen betrafen die Auswirkungen der Roten Zone für Private wie Betriebe.
Die Sorgen der betroffenen Hochwasseropfer formulierte eine Anrainerin: „Nach drei Tagen Dauerregen hat man Angst. Ab welchem Pegelstand müssen wir uns fürchten und ausräumen? Funktioniert dann die Katastrophenwarnung?“ „Bis zu einem Pegelstand von 1900 Kubikmetern bei der Messstelle Brixlegg können Sie ruhig schlafen“, erklärte DI Rottler und Bgm. Wechner wies auf das 2010 professionell ausgearbeitete Katastrophenschutz-Management, das Frühwarnsystem und den mobilen Hochwasserschutz hin: „Die Big Bags sind in 2 bis 3 Stunden aufgestellt, nach menschlichem Ermessen kann so ein Hochwasserfall wie 2005 heute nicht mehr eintreten.“
Im Katastrophenfall ist nämlich erlaubt, was jetzt verboten ist – die Stadt durch einen Damm zu schützen. Damit wird ein höherer Wasserstand für die Unterlieger-Gemeinden auf jeden Fall Realität, wie Josef Schernthaner abschließend feststellte und betonte, dass das niemand in Wörgl wolle. Die Bürgerinitiative sucht jetzt den Weg zum Volksanwalt und beeinsprucht die Berechnungsgrundlagen des Damm-Projektes, da das Niveau der Inn-Sohle 1,2 Meter höher als angenommen liege, so Schernthaner. Durch die bereits getätigten Hochwasserschutzmaßnahmen trete zudem ein Badewannen-Effekt ein – wenn Wörgl vollläuft, dann höher als 2005, was als weiteres Argument für die rasche Realisierung des Damm-Baues angeführt wird. Die Hochwasserinitiative Wörgl will vor den Gemeinderatswahlen 2016 eine weitere Info-Veranstaltung durchführen.
Bei brütender Hitze sorgte ein Windstoß für das Umfallen des Transparentes mit der Aufschrift "Sollbruchstelle Wörgl" - DI Rottler sah darin den richtigen symbolischen Akt. Es gäbe nämlich keine "Sollbruchstelle Wörgl." Die Diskussion mit Politikern und Behördenvertretern verlief sehr diszipliniert und auf die Frage, ob der Hochwasserschutz Wörgl an der "falschen Farbe" der Bürgermeisterin scheitere, meinte diese: "Dezidiert nicht." Bild rechts: Beim Erinnerungstreffen 10 Jahre Hochwasser in Wörgl trafen Hochwasseropfer auf Politiker - v.l. Gerhard Unterberger von der Hochwasser-Initiative, NR Carmen Schimanek, ein Anrainer, BH Christoph Platzgummer, DI Martin Rottler vom Baubezirksamt, LHStv. Josef Geisler, Bgm. Hedi Wechner und Dr. Josef Schernthaner von der Hochwasserinitiative.
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