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Tagung in Wörgl: Come Together von Regional- und Gemeindekartensystemen am 15.10.2015 |
vero / 16.10.2015 08:53
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Das "Come Together" der österreichischen Regio- und Gemeindekarten-Betreiber und Hersteller fand im Tagungshaus Wörgl statt. Ingo Reisinger vom Weizer Stadtmarketing stellte die Weizcard vor und lobte Wörgl als Vorbild - auch im Hinblick der Imageausrichtung am Energie-Thema.
Nach Traun und Weiz wurde heuer Wörgl zum Austragungsort des jährlichen Meetings, bei dem die Unternehmen Brain Behind und die Kartenhersteller und Lösungsanbieter Exceet und Value-Master über neueste Entwicklungen informieren. Neben dem klassischen Einsatz als Marketing- und Rabattsystem für den regionalen Handel geht der Trend in Richtung Bürgercard-Funktion. „Viele Gemeinden betreiben gemeinsam Wertstoffhöfe. Mit Gemeindekarten kann die Entsorgung verursachergerecht abgewickelt werden, der Zutritt wird auch außerhalb von Öffnungszeiten möglich“, berichtete Meinhard Berger von der Wiege- und Messtechnikfirma Gassner.
Bei einer Podiumsdiskussion wurde erläutert, wohin die Reise beim Thema Gemeinde- und Regionalkarten geht.
Dass Wörgl mit der Energycard über eine innovative und österreichweit vorbildliche Kombination von Rabattsammelsystem und Bürgercard verfügt gab den Ausschlag für die Standortwahl des Treffens, im Zuge dessen auch ein Ausflug zum Wertstoffhof mit dem Citybus auf der Tagesordnung stand. Von der Wörgler Energycard sind derzeit rund 16.000 Stück in Umlauf, rund 9.000 davon sind als Bürgercard bei der Stadt registriert. Zur Bürgercardfunktion zählt der Zutritt zum Wertstoffhof sowie ein Preisnachlass von 50 % beim Erlebnisbad-Eintritt. Zum Einkaufen wird die Energycard auch von Auswärtigen genützt. „Wir erreichen heuer einen Umsatz von rund 700.000 Euro. Das bedeutet Kaufkraftbindung und die Rabatte bleiben in Wörgl“, erklärt Stadtmarketing-Geschäftsführer Luggi Ascher, der bedauert, dass die Card eine Wörgl-Card bleibt und nicht zur Regionscard wird. Das Projekt, acht Umlandgemeinden aktiv einzubinden, wurde heuer im Mai ad acta gelegt: „Es scheiterte nicht an Wörgl, sondern daran, dass in den kleineren Gemeinden sich keine Betreuer für die dortigen Betriebe fanden.“ Die Kaufmannschaften dort setzen lieber auf eigene Aktionen.
Bei der Energycard machen derzeit 27 Betriebe in Wörgl mit. Mitgliedsbetriebe zahlen jährlich einen Beitrag von 200 Euro, die Konsumenten erhalten sie kostenlos. Als Hemmschuh für die weitere Entwicklung sieht Ascher den Umstand mangelnder Unterstützung durch Tourismusverband und Kaufmannschaft in Wörgl. Diese ins Boot zu holen steht ebenso auf der Wunschliste für die Zukunft wie neue Einsatzbereiche der Energycard bei der Mobilität sowie kontaktlos über Handy-Anwendungen – ob Citybusbenützung oder „Handyparken“.
Diskutierten am Podium Zukunftsfragen – im Bild rechts von links Meinhard Berger/Fa. Gassner, Volker Stöger/Fa. Exceet, Ingo Reisinger/Weizcard, Alexander Diethard/Brain Behind und Luggi Ascher.
Wie eine Einkaufskarte zum Erfolgsprojekt wird und dabei Radfahren in einer Stadt richtig attraktiv macht, vermittelte Ingo Reisinger vom Stadtmarketing Weiz. Die 11.300 Einwohner zählende steirische Industriestadt startete vor zwei Jahren unter Einbindung von acht Umlandgemeinden die Weizcard. Mittlerweile sind rund 8.400 Weizcards in Umlauf, die Zahl der Mitgliederbetriebe wuchs auf über 200 – außer dem DM alles Klein- und Mittelbetriebe, keine Konzerne. Der erzielte Umsatz liegt bereits bei über 8 Millionen Euro. „Die Weizcard hat eine positive Aufbruchstimmung unter den Mitgliedsbetrieben ausgelöst“, erklärt Reisinger. Bei der Einführung arbeitete das Stadtmarketing mit Betriebsräten großer Industriebetriebe zusammen. Partnerbetriebe werden vierteljährlich aufgenommen und werden im Rahmen von Bonus-Tagen ins öffentliche Rampenlicht gestellt: „Jeden Freitag gibt´s Einkaufsgutscheine zu gewinnen, die Übergabe an die Kunden erfolgt in den Betrieben und wird medial veröffentlicht.“ Für die Weizcard zahlt der Konsument einmalig 2 Euro, der Mitgliedsbetrieb jährlich 216 Euro.
Weiz will die Handelskarte nun auch zunehmend als Bürgercard nutzen. „Schwimmbad, Eishalle und Bücherei machen schon mit, künftig wollen wir auch den Wertstoffhof, den Weizer Linienverkehr und kommunale Schrankensysteme einbeziehen“, kündigt Reisinger an und stellte die vor einem halben Jahr eingeführte „Weizcard Deluxe“ vor: „Fast 1.000 Kunden haben den Umstieg ins neue System bereits genützt und können damit kostenlos Fahrräder und E-Bikes für Kurzstrecken in Weiz benützen.“ Ziel der Aktion ist, das Mobilitätsverhalten zu ändern. Weiz errichtete um 280.000 Euro zehn Fahrrad-Verleihstationen inklusive E-Bike-Ladestationen, lukrierte dafür 50 % Fördergeld und will nächstes Jahr 3 weitere Stationen errichten. „Seit 10. Juli haben wir bereits über 2000 Fahrten. Hotspots sind die Siedlungsgebiete – hier wird wirklich vom Auto aufs Fahrrad umgestiegen.“ Damit das System attraktiv bleibt, kümmert sich ein Bauhofmitarbeiter täglich ums Service.
Die Kosten für die Weizcard beziffert Reisinger während der dreijährigen Einführungsphase mit durchschnittlich 30.000 bis 40.000 Euro jährlich, aufzubringen von der Stadtmarketing KG. An dieser sind zu 65 % die Gemeinde, zu 25 % der TVB und zu 10 % die Kaufleute beteiligt.
Im Gegensatz zur Energycard in Wörgl verfügt die Weizcard noch nicht über die Ausweisfunktion als Bürgercard. Kommunale Einrichtungen wie Sport- und Kultureinrichtungen sind ins Rabattsystem integriert. Da in Weiz Einkaufsgutscheine und –münzen im Verbund mit Nachbargemeinden gut eingeführt sind, bleiben diese auch als Parallelsysteme erhalten.
Weder Wörgl noch Weiz nützen derzeit die Kundendaten für Auswertung des Kundenstromverhaltens oder gezieltes Marketing. „Dieses Thema ist brandheiß und spannend für die Zukunft, da befürchtet wird, dass zu viele Daten öffentlich werden“, weiß Luggi Ascher und distanziert sich derzeit von einer Auswertung.
„Bei Einführung solcher Systeme benötigt man einen guten Atem, viel Energie, muss Rückschläge einstecken und braucht eine klare Vision für die nächsten drei bis fünf Jahre“, sagt Ingo Reisinger und macht klar: „Eine Einführung ohne Betreuung und Support der Betriebe geht nicht – da kann man das Geld gleich verbrennen.“