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Grüne Zeitung löste Proteste und Zustimmung unter Migrantenvereinen aus

In der Grünen Zeitung hatte Evelyn Huber in einem Beitrag die personelle Besetzung des Vereins Integrationszentrum Wörgl sowie die Ungleichbehandlung von Migrantenvereinen kritisiert. Die Grünen werfen der Gemeindeführung in der Causa Integrationszentrum mangelndes Fingerspitzengefühl vor. Unter Hubers Beitrag findet sich unter der Überschrift "Völkermord" ein weiterer, nicht von ihr persönlich verfasster Text zur Politik des türkischen Staates im Umgang mit anderen Volksgruppen, besonders der Armenier und Kurden. In der Türkei selbst steht die Benennung der Vertreibung der Armenier als Völkermord noch heute gesetzlich unter Strafe (Infos zur Geschichte gibt´s u.a. in wikipedia)

"Wir hatten nie und nimmer die Absicht, eine Volksgruppe damit zu beleidigen. Wir sehen es aber als unvereinbar an, Obmann des Atatürk-Vereins und gleichzeitig Leiter eines Integrationsvereins zu sein - das ist keine glaubhafte Integrationsfigur", rechtfertigt GR Evelyn Huber die Kritik und beruft sich angesichts der laut gewordenen Proteste hinsichtlich des Völkermord-Beitrages auf die Meinungsfreiheit: "Es geht darum, Meinungsfreiheit zu leben und ein Grundstein dafür ist sachlich zu diskutieren und sich an demokratische Grundregeln zu halten", so Huber, die vorerst öffentlich zu Rücktritts- und Entschuldigungsforderung nicht Stellung nehmen will. Sie forderte die Migrantenvereine auch auf, diese demokratischen Grundrechte wahr zu nehmen und im städtischen Integrationsbeirat  mit zu arbeiten. Für die weitere Arbeit im Beirat wünscht sie sich eine Rückkehr zur Sachlichkeit.

Türkische Geschichte spaltet Migrantenvereine

Diese Zusammenarbeit liegt mit einigen Vereinen derzeit allerdings auf Eis. Kayahan Kaya, Obmann des Vereins Atatürk und Geschäftsführer des Integrationszentrums Wörgl äußerte sich auf Anfrage folgendermaßen dazu: "Die Rücktrittsaufforderung kam nicht von unserer Seite, aber wir waren sehr betroffen von der Geschichtsdarstellung der Grünen, und Migrantenvereine inklusive dem serbischen Verein wollten eine Entschuldigung. Die Geschichtsdarstellung ist unserer Meinung nach so nicht richtig. Das so zu bringen ist nicht schön und hat mit dem Thema Integration in Wörgl nichts zu tun. Als nächstes kommt dann wohl der Vorwurf an die Serben wegen Milosevic. Natürlich gibt es die Meinungsfreiheit, aber so eine Diskussion wirkt wie eine Blockade für die Integration. Wir finden es unnötig, darüber zu diskutieren und denken, dass Frau Huber als Vorsitzende des Integrationsbeirates hier nicht neutral ist. Wir haben diesbezüglich einen Brief an die Gemeinde geschrieben und die Zusammenarbeit mit dem Beirat still gelegt. Dabei möchte ich klar stellen, dass wir die Zusammenarbeit mit dem Beirat nicht grundsätzlich verweigern."

Auf die Frage, wie er die Rolle seiner Person im Konflikt beurteilt und eventuell selbst auch personelle Konsequenzen zieht, antwortet Kayahan Kaya: "Ich trenne meine Funktionen als ehrenamtlicher Obmann beim Atatürk-Verein sowie als bezahlter Geschäftsführer des Integrationszentrums Wörgl sehr genau. Im IGZ ist das Thema nicht Atatürk - wir sehen alle Menschen gleich, und wir haben 54 Nationen in Wörgl. Ob ich eine Funktion zurück lege oder nicht, entscheide ich selber. Bisher habe ich daran noch nicht gedacht, aber ich überlege es mir. Das heißt jetzt nicht, dass ich sage ich höre auf. Wir haben alle Migrantenvereine zur Zusammenarbeit eingeladen. Zwingen können wir dazu niemanden. Ich möchte aber, dass das Integrationszentrum an der geleisteten Arbeit und nicht an meiner Person gemessen wird. Das IGZ ist eine öffentliche Einrichtung und sollte von allen Bevölkerungsgruppen anerkannt  werden."

Ablehnung erfährt Kayahan Kaya etwa bei den Kurden, wie bei der Generalversammlung des Vereins Yildiz offen kritisiert wurde: "Obwohl man weiß, dass Nationalismus ein Hindernis für Integration ist, wurde darauf bei der Besetzung der Leitung des Integrationsvereins keine Rücksicht genommen. Wenn jetzt von dieser Seite Druck gemacht wird, so stellen wir fest, dass unser Verein hinter den Aussagen der Grünen steht." Mit einer schriftlichen Stellungnahme unterstützt auch die ATIGF (Demokratischer ImmigrantInnen Verein) die Haltung der Grünen und fordert eine Gleichbehandlung aller Migrantenvereine in Wörgl und das ungeachtet der politischen Ausrichtung: "Seit Jahren existieren in Wörgl Vereine, die erfolgreich Integrationsarbeit leisten, ohne dafür Subventionen zu erhalten. MigrantInnen Vereine sollten ihre Politik selber bestimmen können."   

Neustart der Integrationsarbeit auf sachlicher Basis gefordert

Über den Völkermord-Beitrag der Grünen regen sich auch Mitglieder des Vereins ATIB auf, der die vom türkischen Staat in Wörgl unterstützte Moschee in der Unterguggenbergerstraße betreibt. "Nach unserer Auffassung gibt es da gegensätzliche Geschichtsdarstellungen. Wir sind aber alle keine Historiker und können das hier auch nicht klären. Wir sehen darin aber eine Beleidigung der Türken und eine Aufhetzung zwischen Türken und Kurden sowie zwischen Österreichern und Türken. So kann man nicht Integration machen," meint Levent Ariduru vom Verein ATIB und relativiert: "Wenn diese Kritik von den Blauen oder von jemand anderen gekommen wäre, hätten wir das gar nicht so ernst genommen, da wäre die Reaktion nie so ausgefallen. Aber dass die  Integrationsverantwortliche voll dahinter steht, das disqualiziert sie unserer Meinung nach für diese Aufgabe." Auch wolle er Kayahan Kaya nicht verteidigen - das sei auch nicht richtig gelaufen. Es gehe auch nicht darum, Nationalismus zu befürworten.

Levent Ariduru kandidierte bei der letzten Gemeinderatswahl für das Unabhängige Forum Wörgl und zählte zu den aktiven Mitgliedern des LA21-Arbeitskreises Kommunikation und Integration. "Wir wollen Integration, aber so kann man sie nicht beginnen. So eine Vorgangsweise zerstört sogar die bisher geschaffene Basis", meint Levent Ariduru und fordert Hubers Rücktritt als Integrationsbeirats-Leiterin, der er mangelndes Fingerspitzengefühl vorwirft. Die Vorgangsweise bewirke das Gegenteil von Integration: "Solange der Integrationsbeirat unter ihrer Leitung steht, bleiben wir ihm fern", stellt er fest und will einen Neustart der Integrationsarbeit in Wörgl auf sachlicher, nicht parteipolitischer Basis. Ihn beschäftigen mehr Alltagsprobleme heute - etwa die Diskriminierung südländisch aussehender Menschen in Lokalen: "Wenn wir mit Arbeitskollegen in die Disco wollen und mit der Begründung, Ausländer zu sein, nicht reingelassen werden. Da gehört zum Beispiel angesetzt, denn da entstehen Hass und Wut bei jungen Leuten."