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Podiumsdiskussion zur Landtagswahl 2008 am 25.4.2008 im Volkshaus Wörgl
vero / 27.04.2008 23:00
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Wörgl  Tirol  SPÖ  Politik  Podiumsdiskussion  Landtagswahl2008 

Wörgls Vizebgm. Hedi Wechner moderierte die Podiumsdiskussion, zu der u.a. SchülerInnen des BRG Wörgl mit ihrem Lehrer gekommen waren.

Mit 17.000 Jugendlichen  zwischen 16 und 18 Jahren - was 3 Prozent der Wahlberechtigten in Tirol entspricht - dürfen bei der Landtagswahl im Juni 2008 erstmals unter 18jährige ihr Kreuzerl am Stimmzettel machen und damit über die Zusammensetzung eines politischen Gremiums in Österreich mitbestimmen. Die Podiumsdiskussion auf Einladung der Bezirksorganisation der SPÖ unter dem Motto "Wählen ab 16 - Chance für die Jugend" zeigte neben der grundsätzlichen Zustimmung zur Senkung des Wahlalters aber auch Bedenken.

In ihren Eröffnungsstatements nahmen alle KandidatInnen am Podium Stellung. "Grundsätzlich sehe ich es als Chance für die Jugend. Es ist richtig, sie mitentscheiden zu lassen, vor allem auf Gemeindeebene", meinte Paula Eisenmann (ÖVP) und verlangt im Gegenzug aber politische Bildung in den Schulen ab der 7. Schulstufe. Da junge Leute vorwiegend ihre Informationen aus dem Internet beziehen, wies sie auf die vom Land Tirol eingerichtete website www.mei-tirol.net hin, die Informationen für JungwählerInnen liefert.

Als zweifache Chance - nicht nur für die Jugend, sondern auch für die Politik - wertete die Grün-Kandidatin Evelyn Huber die Wahlaltersenkung und verwies auf positive Erfahrungen in Regionen, wo bereits mit 16 gewählt wird. Durch jüngere WählerInnen würde sich auf der Inhalt der politischen Arbeit zugunsten jüngerer Menschen ändern.

Josef Auer (SPÖ) sieht in der Wahlaltersenkung eine bessere Integration der Jugend in die Gesellschaft. Wählen bedeute nicht nur ein Recht, sondern auch eine Pflicht. Mitbestimmung stärke das Selbstwertgefühl. "Es heißt immer, die Jugend sei politikverdrossen. Die Politikverdrossenheit ist bei allen Wählerschichten gleich", so Auer. "Wer sich die Statistiken aus dem Burgenland oder aus Graz ansieht, stellt fest, dass die Wahlbeteiligung der Jugend sogar höher ist als die anderer Altersschichten."

Als Absicht hinter der Wahlaltersenkung vermutete Mag. Anton Frisch (FPÖ), dass damit in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung  allgemein die Anzahl der Wähler gehoben werden soll. "Das Argument, die Jungen kennen sich nicht aus, stimmt nicht. Die Jugend ist heute durch das Internet so informiert wie noch nie", so Frisch, der allerdings auch Bedenken äußerte: "Einerseits sollen sie wählen, andererseits sind junge Leute erst mit 18 Jahren voll geschäftsfähig. Hier besteht ein Widerspruch."

In diesselbe Kerbe schlug Hannes Anfang, 20jähriger EDV-Techniker auf der Freien Liste Willi Tilgs im Bezirk Schwaz. Seine Vermutung: "Die Wahlaltersenkung liegt im Interesse der etablierten Parteien, die Jugendorganisationen aufgebaut haben." Der Bruch des Wahlbündnisses zwischen BZÖ und der Liste Tilg am Tag zuvor kam während der Veranstaltung nicht zur Sprache.

"Die Gruppe der 16- bis 18jährigen ist lange im Eck gestanden - jetzt ist sie endlich eingebunden", meinte Lucas Zolgar (Liste Fritz Dinkhauser - Bürgerforum Tirol). Der 23jährige kritisierte die politische Bildung in der Schule: "Uns wurde nur gesagt, welche Parteien es gibt - aber Inhalte wurden keine vermittelt."

 

Die Kandidaten v.l.: Paula Eisenmann (ÖVP), Evelyn Huber (Grüne), Josef Auer (SPÖ), Anton Frisch (FPÖ), Hannes Anfang (Die Freien - Liste um Willi Tilg) und Lucas Zolgar (Liste Fritz Dinkhauser - Bürgerforum Tirol).

 

Zur Eröffnung der Publikumsdiskussion standen die Fragen nach der Motivation der Wahlaltersenkung für die Politik (nur, um zu mehr Wählerstimmen zu kommen?) sowie der Senkung der Volljährigkeit auf das Alter von 16 Jahren im Raum. Anton Frisch lehnte eine Senkung der Volljährigkeitsgrenze ab und verwies auf die Einbindung in das mitteleuropäische Rechtssystem.

Den Vorwurf des Wählerstimmenfangs dementierte Paula Eisenmann: "Junge Leute sind heute viel reifer. Die Einbindung ist auch durch die Alterspyramide gerechtfertigt." Der Altersdurchschnitt der Wahlberechtigten steige dadurch, was die verstärkte Einbindung junger Interessen notwendig mache. "Es geht in erster Linie darum, dass in den Parteiinhalten Reformen stattfinden", meinte auch Evelyn Huber.

Als Signal, der Jugend mehr Mitbestimmungsrechte einzuräumen, wertete Auer die Wahlaltersenkung, will aber die Altersgrenze für Volljährigkeit gleich belassen: "Die Jugend wächst heute mit großen Leistungsdruck auf - ein gewisser Freiraum soll bleiben." "Wählen mit 16 ja, Volljährigkeit nein", so Lucas Zolgar im Hinblick auf den Freiraum, den das Jugendstrafrecht bietet.

Einerseits würde man der Jugend durch Einschränkungen beim Ausgehen und bei Alkoholkonsum nicht zutrauen, selbst entscheiden zu können - auf der anderen Seite sollten jetzt genau diese Jugendlichen eine Wahlentscheidung treffen - kam als Vorwurf. Darin sahen Evelyn Huber und Paula Eisenmann keinen Widerspruch: Das eine sei ein Schutz in einem Alter, in dem der Mensch sich noch voll im körperlichen Wachstum befinde, das andere ein Recht.

Fehlende politische Vorbildung der Jugend kam wiederholt als Vorwurf aus den Reihen des Publikums. Junge Leute fühlen sich zu wenig informiert, hatten von der Website des Landes zur Wählerinfo noch nie etwas gehört. Die Diskussion kreiste auch um die Frage, ob die Jugend damit überfordert sei. Jugendliche selbst sahen darin keine Überforderung - es sei ja keiner gezwungen, zur Wahl zu gehen.

Fazit: Die politische Bildung in den Schulen müsse intensiviert werden, ohne einseitig parteipolitische Ziele zu verfolgen. Wobei der Theorie aber auch Praxis gegenüberstehen sollte: Auer schlägt den Besuch von Gemeinderats- und Landtagssitzungen im Rahmen der schulischen politischen Bildung vor, Evelyn Huber regte an, Politiker zur Diskussion in die Schulen zu holen - allerdings nicht zu Wahlkampfzeiten.

"Politische Bildung funktioniert nicht wie ein Trichter - Info rein und fertig. Interesse an Politik erwächst durch das Aufbauen von Beziehungen zwischen Menschen und Mandataren. Hier mangelt es auf Seite der Politik", stellte ein anwesender Lehrer fest. Die Rahmenbedingungen für politische Bildung an den Schulen seien durch Stundenkürzungen, die sich in Form von weniger Zeit für Geschichtsunterricht auswirken, von der Politik erschwert worden.

Die Vorbildung sei aber nicht ausschlaggebend für das Wahlrecht. Hedi Wechner ortete auch unter den Erwachsenen viele Ahnungslose und Anton Frisch brachte es mit seiner Wortmeldung auf den Punkt - wenn es danach ginge, müsste "manchen Erwachsenen auch das Wahlrecht entzogen werden. Es gibt Leute, die haben von Politik keine Ahnung!"

An der regen Diskussion beteiligten sich Erwachsene ebenso wie Jugendliche.

Wie wirkt sich die Senkung des Wahlalters nun in den Parteiprogrammen aus? Auf diese Frage aus dem Publikum lieferten nicht alle KandidatInnen zufriedenstellende Antworten. Unter Druck kamen vor allem Anton Frisch und Hannes Anfang.  Frisch verwies auf die RFJ als Vorfeld-Organisation und erntete dafür auch Kritik von Schülerseite: "Ich habe RFJ-Infomaterial gesehen, es geht nur um Asyl- und Ausländerpolitik und die EU. Junge Leute mit so beschränkter Perspektive in die Politik einzuführen hat wenig Zukunft."

Hannes Anfang konnte auf keine jugendspezifischen Inhalte seiner Liste verweisen, führte als einzigen Punkt an, dass das Rauchverbot in Lokalen Ländersache sein sollte. Er meinte, dass die Mitwirkung junger Leute auf der Liste Jugendpolitik genug sei und erntete dafür Kritik aus dem Publikum.

Kritisch nachgefragt wurde auch bei Lucas Zolgar. Die Feststellung, dass jährlich 1000 junge Leute in Tirol ohne fertige Ausbildung dastehen würden, Tirol die niedrigste Akademikerquote habe und die Herkunft nicht die Zukunft bestimmen dürfe, stellte die Besucher nicht zufrieden. "Was machen Sie konkret?" wurde nachgebohrt. "Wir wollen Gratis-Nachhilfe für alle, die Ganztagsschule und den kostenlosen Zugang zu allen öffentlichen Bildungseinrichtungen."

Konkrete Maßnahmen listeten aber auch die bereits im Landtag vertretenen Parteien nur wenige auf. Paula Eisenmann meinte, man wolle sich besonders den Themen Ausbildung und Lehre widmen und unterstütze viele Freizeitangebote in sportlicher und kultureller Hinsicht. Auer will mehr Geld für die Jugendbetreuung am Land, regt regionale Jugendzentren, aber auch die Jugendarbeit außerhalb von Einrichtung, z.B. durch Streetworker an. Evelyn Huber schilderte das Programm der Grünen: Mehr qualitätsvolle Kinderbetreuung, Gesamtschule, Streichung der Studiengebühr und leistbarer Wohnraum.

Die Podiumsdiskussion zeigte, dass gerade bei jungen Leuten sehr wohl Interesse an Politik vorhanden ist. Man gibt sich aber nicht mit Slogans und Wahlwerbung zufrieden, sondern hinterfragt kritisch. Der Abend animierte auf alle Fälle dazu, sich mit Inhalten der Politik der wahlwerbenden Gruppen auseinanderzusetzen. Via Internet ebenso wie im persönlichen Kontakt - und dazu wird sich in den kommenden Wochen sicher noch öfter Gelegenheit bei Wahlveranstaltungen bieten.