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Pressekonferenz der Tiroler Grünen am 19. September 2008 in Wörgl
vero / 19.09.2008 21:17
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Wörgl  Müllverbrennung  Grüne  Umwelt  Tirol  Politik  Nationalratswahl 


"Wir wehren uns im Bezirk Kufstein massiv gegen einen Müllverbrennungsstandort im Großraum Wörgl", leitete die Wörgler Gemeinderätin und NR-Kandidatin der Grünen ein. Aufgrund der geografischen Lage und der bestehenden Luftbelastung - das Tiroler Inntal ist Luftsanierungsgebiet - sei jede weitere Belastung nicht akzeptabel.

Tirols Grüne Umweltsprecherin Maria Scheiber nennt vorrangig drei Gründe, die gegen einen MVA-Standort in Tirol sprechen: "In Österreich bestehen bei Bau aller geplanten Müllverbrennungsanlagen enorme Überkapazitäten. Derzeit bestehen Verbrennungskapazitäten von 1,7 Millionen Tonnen jährlich, weitere 1,5 Millionen Tonnen sind in Planung. Laut Umweltministerium wird 2009 mit einem Müllanfall für die thermische Verwertung von 1,6 Millionen Tonnen gerechnet. Zweitens hat Tirol selbst zu wenig Müll, um eine MVA wirtschaftlich zu betreiben. Wird sie trotzdem gebaut, heißt das höhere Müllgebühren oder Müllimporte. Beides brauchen wir nicht. Und drittens ist der Großraum Wörgl-Kundl-Radfeld meteorologisch ungeeignet. Durch Inversionswetterlagen kommt es zu Hochkonzentrationen von Schadstoffen, die das 30fache der Belastung bei demselben Ausstoß im gut durchlüfteten Flachland ausmachen."

Dr. Kurt Grünewald (hier im Bild links) geht zudem davon aus, dass Müllimporte nach bestehenden EU-Richtlinien nicht erlaubt seien. Er zitierte aus einer Anfragebeantwortung im Parlament, wonach bei der Müllverwertung das Prinzip der Nähe angewandt werden müsse und daher Müllimporte über weite Strecken zur Kapazitätsauslastung nicht zulässig wären.

Die Standortbeurteilung durch die Politik dürfe sich, so Scheiber, nicht nur auf betriebswirtschaftliche Aspekte beschränken, sondern müsse die Gesundheit und Umwelt einbeziehen. "Landesrat Gschwentner glaubt, dass eine Müllverbrennung eine Schadstoffsenke ist. So ein Quatsch - die Schadstoffe senken sich schon, aber auf die Felder und Gärten", so Scheiber mit einem Seitenhieb auf den unbeirrt weiterverfolgten MVA-Kurs des Landes. Es sei ein blankes Märchen, dass da alles gefiltert werden könne. Trotz großer Fortschritte in der Technik sei das Risiko an diesem Standort zu groß,auch hinsichtlich der klassischen Störfälle in MVA´s, die häufiger vorkommen als gemeinhin angenommen. Dazu gehören Bunkerbrände sowie "Bypass-Unfälle" Scheibers Fazit: "Eine MVA braucht einen gut durchlüfteten Raum. Eine derartige Risiko-Konzentration für die Bevölkerung im ohnedies belasteten Sanierungsgebiet ist nicht hinnehmbar."

Rauchgasreinigung - zu blindes Vertrauen in die Technik?

Kritisch hinterfragt Dr. Kurt Grünewald die Schadstoffmessungen bei Müllverbrennungsanlagen. Über den Abfall landen mehr als 60.000 chemische Verbindungen im Ofen, jährlich kommen rund 800 neue chemische Stoffe dazu: "Bei der Verbrennung entstehen Abermillionen Verbindungen, die zu 99 % garnicht charakterisiert sind. Es gibt keine Versuche über deren toxische Wirkung. 30 bis 40 Substanzen sind untersucht, und 100.000e entstehen."

Wobei viele dieser Substanzen extrem langlebig seien und die ausgestoßenen, nicht filterbaren Kleinstteile eine besondere Gesundheitsgefahr darstellen. Giftige Substanzen gelangen über die Atemwege wie auch über die Nahrungskette in den Körper und entfalten ihre häufig krebserregende Wirkung erst nach 10 bis 20 Jahren. Die Folge sei eine Zunahme von Herz- und Gefäßerkrankungen, eine Schädigung des Immunsystems, die Zunahme von Allergien und Missbildungen.

Die Grünen berufen sich auf Prof. Dr. Harry Rosin von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, der die Grenzen der Messtechnik kennt: "Der Abbrand von Tabak erzeugt mehr als 40 identifiziert Karzinogene. Um wie viel toxischer muss der Abbrand von Restmüll in Verbrennungsanlagen sein? Es kann keine Filtertechnik geben, die die pro Sekunde im Rauchgas gebildeten ca. 10 hoch 26-28 Reaktionsprodukte von Radikal- und Radikalkettenreaktionen giftfrei filtert." Grünewald: "Man weiß heute noch zu wenig, um ein solches Risiko in einem Inversionsgebiet einzugehen."

LA Scheiber zur Mess-Praxis: "Dioxinwerte werden nur zwei Mal im Jahr gemessen, der Rest ist eine Hochrechnung. Aber das funktioniert nicht. Die Messungen werden im Auftrag der Betreiber zu bekannten Terminen durchgeführt. Hier besteht eine lückenhafte Kontrollregelung."

Die Grünen setzen auf eine andere Abfallpolitik. "Durch die Verbrennung werden viele Schadstoffe erst biologisch verfügbar", meint Scheiber. Im 21. Jahrhundert, dem Zeitalter der Rohstoffknappheit, sei deshalb der Vermeidung und Wiederverwertung der Vorrang zu geben. Neue Technologien dafür stünden bereits zur Verfügung. Scheiber: "Restmüllverbrennung ist der dümmste Weg, mit Müll umzugehen."