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Traditionelle Brauchtumspflege bewahren - Breitenbacher Perchtenlauf
vero / 02.12.2008 12:23
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Ausstellung  Brauchtum  Breitenbach  Perchten  Peaschtl  Hauptschule 

Unverfälschtes Brauchtum im Tiroler Unterland:

Ansturm auf erste Breitenbacher Perchtenausstellung

 

Die Wiege des Perchten-Brauchtums im Unterinntal liegt am breiten Rücken des Angerbergs – schon vor 400 Jahren zogen zum christlichen Nikolaus-Fest in Breitenbach die Perchten dem älteren, heidnischen  Fruchtbarkeitsritus folgend über die Felder.

Auf Publicity für das immer noch höchst aktiv betriebene Brauchtum verzichteten sie bisher ebenso wie auf eine Modernisierung ihres Perchtenlaufes. Aber nachdem im vergangenen Jahr eine Kinder-Perchtengruppe aus Münster als einzige Kinderpass Tirols im Fernsehen vorgestellt wurde, war es heuer mit der Zurückhaltung vorbei: Am 29. und 30. November trommelte die engagierte Hauptschullehrerin Sylvana Reinisch die erste Breitenbacher Perchtenausstellung zusammen. Die SchülerInnen trugen 52 Perchten- und 10 Hexengewänder für die einzigartige Schau in der Hauptschule zusammen, die an beiden Tagen buchstäblich vom ganzen Dorf gestürmt wurde. Die älteste Maske dürfte dabei vor rund 100 Jahren geschnitzt worden sein.

„Wir bewarben die Ausstellung nur im Dorf – der Ansturm auch von auswärts zeigt die Eigendynamik dieses Brauches“, freut sich Direktor Günter Schroll mit den 31 Erwachsenen-Perchten-Passen und den 13 Kinderpassen über das Rieseninteresse. Die Breitenbacher Perchten werden auch  heuer wieder ausschließlich am 5. und 6. Dezember in Breitenbach unterwegs sein. Ohne Fellteufel und Feuerwerk, dafür mit umso mehr innerem Feuer. Dass dieses nicht erlöscht, dafür sorgt der zahlreiche Nachwuchs.

„Mit dem Perchtenlaufen beginnen bei uns die Kinder schon im Kindergarten mit drei Jahren. Da sind auch noch Mädchen dabei“, schildert Sylvana Reinisch, selbstredende „Peaschtl-Fanatikerin“ und Mutter der „Stoabock-Pass-Hex“. Hexen wie Perchten sind, dann dem Kleinkindalter entwachsen, nur mehr männlich. Unter den traditionellen Perchten finden sich Hupfer mit Glocken, Trommler und Blaser, wobei eine Pass aus 12 bis 15 Leuten besteht.

Und da ist dann fast das ganze Dorf auf den Beinen - der älteste Teilnehmer wird heuer Michael Adamer, vulgo „Stern-Much“ sein, der mit seinen 70 Jahren als Hex die Krummer-Pass anführt. Die Passen erhalten ihre Namen von Höfen, Familien, Ortsteilen, aber auch von so eigentümlichen Anlässen wie dem Sternzeichen der Hex. 

Das Perchtenbrauchtum bringt wie kaum eine andere gesellschaftliche Aktivität alle zusammen – ungeachtet von Alter und Beruf. Vom Bankdirektor bis zum Arbeiter – am 5. und 6. Dezember bleiben die Arbeitsplätze leer, wie Thomas Hager von der Hager-Pass, Direktor der Sparkasse Breitenbach schildert: „Bei uns sind unter anderem Mitarbeiter von drei verschiedenen Banken, ein Pilot, ein Top-Manager von Swarovski und ein Theologe mit Sandoz-Mitarbeitern und Beschäftigten aus anderen Betrieben unterwegs.“ Und dabei sind sich alle einig: Das Brauchtum soll möglichst unverfälscht weitergegeben werden.

Wer die Breitenbacher Perchten zu Gesicht bekommen will, hat dazu am 5. Dezember im Dorfzentrum beim Gasthof Schwaiger, beim eigens aufgestellten Zelt am Gemeindebauhof neben der Tankstelle sowie beim Gasthof Krämerwirt sowie ab der Dämmerung am 5. und 6. Dezember bei zahlreichen privaten Auftritten bei Wohn- und Bauernhäusern die Gelegenheit.

Aus der Perchten-Ausstellung wurde ein fächerübergreifendes Schulprojekt: Die Kinder brachten die Kostüme, die sie mit Hilfe der Eltern auf Ständer montiert hatten, und zeichneten Plakate. Die Eltern stellten auch die köstliche Verpflegung für die Ausstellungsbesucher zusammen.

Je mehr das Perchtenbrauchtum andernorts von jungen Gruppen entdeckt, abgewandelt und in ihrem Sinn modern weiterentwickelt wird, umso stärker tendieren die Breitenbacher dazu, sich an ihren Brauchtums-Wurzeln zu orientieren. Dazu gehört, dass die Hexen nicht Mäntel tragen, sondern Strickjacken und eine Stola. Und dass die Masken ausschließlich mit Hörnern heimischer Tiere aufgeputzt werden: Widder, Ziegenbock und Steinbock, auch schon mal ein Reh-Geweih ist da zu finden. Importierte Hörner sind unerwünscht.

 

Mit Hubert Feichtner vulgo Sog-Hubert starb heuer 80jährig die bisher älteste Breitenbacher Hex - Hubert war bis zum Alter von 75 Jahren mit den Perchten unterwegs, sein Kostüm mit der Sirene fand sich mit einem alten Foto in der Ausstellung. Auf das älteste Foto-Dokument zeigt Thomas Hager: Diese Perchtenpass (rechts) war in Kleinsöll unterwegs.

Das Breitenbacher Perchtenbrauchtum erlebte über die Jahrhunderte moderate Veränderungen – auch das zeigte die Ausstellung in der Hauptschule. Die älteste ausgestellte Maske – sie wurde am Dachboden des Fasser-Bauern gefunden und wird von Andreas Margreiter bei der Haisara-Pass heute noch getragen.


Am 5. und 6. Dezember 2008 schlüpft Thomas Hager wieder in sein Hexen-Gewand, das auch bei der Ausstellung in der Hauptschule zu sehen war.

Hintergrund:

 "Das lautlose Heranschleichen der kleinen Gruppen an die Häuser und das dumpfe, seltsame  Tuten der Bockshörner - das Bockshorn ist eines der ältesten Instrumente der Welt und war einst ein heiliger Kultgegenstand - dienen vorerst der Täuschung der bösen Geister und Dämonen. Dann plötzlich stürzen diese Gestalten unter scheußlichem Lärm der Bockshörner, Kuhschellen und Blechtrommeln wild ins Haus hinein und beginnen, gewaltige Sprünge zu vollführen. Je höher und wilder sie mit beiden Beinen gleichzeitig auf Stühle und Tische springen, umso größer die Wirkung, ja umso besser wird das Wachstum sein. Die buckelige Hexe geht vor ihnen her und kehrt mit ihrem Reisigbesen das Böse aus. Früher bedeutete es Unglück, die Peaschtln nicht ins Haus hereinzulassen. Und so ist es auch heute noch der Brauch: niemand versäumt es, diese Glücksbringer zu bewirten und zu beschenken."

Aus: Tiroler Brauchtum von Günther Haas und Brigitte Teutsch