Kommentare (0)

EU-Projekt: Internationales Trainingsseminar Maker Difference - Eco-building for practical youth work von 10. bis 18. Oktober 2009 in Cornwall

Eco-Building - was steckt dahinter?

Globale Klimaerwärmung, verantwortungslose Rohstoffausbeutung, Peak Oil - wie können wir unseren Lebensstil auch betreffend der Wohnraumbeschaffung umweltfreundlicher und gerechter gestalten, damit die Generationen nach uns noch einen lebenswerten Planeten vorfinden? Die Beantwortung dieser Frage führte von 10. bis 18. Oktober 2009 rund 20 Menschen aus der Europäischen Union nach Cornwall zum Trainingsseminar "Maker Difference - Eco-Building for practical youth work".

Eco-Buildings: Selbstversorger-Gebäude

Die Besonderheit von Eco-Buildings wie Earthships lässt sich anhand von sechs Themenbereichen aufzeigen. Die Gebäude sind durch intelligente und ökologische Haustechnik unabhängig von Strom-, Wasser- und Abwasser-Infrastruktur. Das erste Haus in dieser Bauart wurde 1970 vom Architekten Michael Reynolds in New Mexiko errichtet. Seither entstanden weltweit hunderte solcher Gebäude. In Europa bestehen derzeit fünf: Zwei in England (Schottland und Brighton), eines in Spanien, eines in der Normandie in Frankreich und eines in Zwolle/Holland. "2010 sollen weitere zwei in Schottland und Polen errichtet werden", erklärt Kevan Trott, der seit fünf Jahren praktische Erfahrungen mit der neuen Bauweise gesammelt hat und nun mit dem Schulungsraum für Jugendgruppen in Cornwall sein drittes Projekt umsetzt. Geplant ist weiters die Errichtung einer  Wohnanlage mit 16 Eco-Buildings in Earthship-Bauweise in Kevan Trotts Heimatstadt Brighton.

Die sechs Grundprinzipien der Passiv-Energie-Gebäude

Plan von Kevan Trotts Earth-Building in der Normandie. Fotonachweis: www.earthbuilds.com

Heizung und Kühlung von Eco-Buildings erfolgt üblicherweise ausschließlich durch die Nutzung von Sonnenenergie und mechanischer Thermik durch Zuführung der Luft durchs Erdreich. Die Architektur richtet sich nach der Sonne aus: Durch die Glasfront im Süden ist der Einfallswinkel der Sonne im Sommer steil und im Winter sehr flach - damit dringt das Licht bis in den letzten Winkel der Gebäude ein.

Die mit Erde befüllte Nordseite enthält die Haustechnik fürs Wasser-Management: Das Haus versorgt sich selbst mit Trinkwasser durch das Sammeln und Aufbereiten von Regenwasser. Nach Gebrauch des Wassers erfolgt die Weiterverarbeitung je nach Verschmutzungsgrad: "Grey water" - Abwasser aus Küche und Bad wird in den Pflanzbereich an der Gebäudesüdseite geleitet. Dort gedeihen auch im europäischen Klima Bananen, Zitrus- und andere Südfrüchte. Wasser, das die Pflanzen nicht benötigen, wird für die Toilettenspülung verwendet. Erst dann verlässt das "Black water" - mit Fäkalien verschmutztes Abwasser das Haus und wird in einer ökologischen Kläranlage neben dem Gebäude gereinigt. Solar- und Windenergie werden zur Stromerzeugung genutzt, nicht sofort benötigter Strom in Batterien gespeichert.

Ein möglichst schonender Umgang mit Rohstoffen und Energie gilt als Grundsatz bei der Auswahl der Baumaterialien: Gebaut wird vorwiegend mit natürlichen, vor Ort vorhandenen unbehandelten Materialien wie Erde, Sand und Steine sowie aus Recycling-Materialien. "Wir verwenden alte Autoreifen. Davon gibt es in England rund 48 Millionen, die auf Deponien liegen oder verbrannt werden. Jedes Jahr kommen 15 Millionen weitere Altreifen dazu", so Kevan Trott. Als Baumaterial dient weiters Altglas sowie Dosen.

Beim Trainingsseminar praktisch gelernt wurde die Befüllung der Autoreifen für die Wände sowie das Anfertigen von Glasziegeln aus Flaschen, die eingebaut in Wände lichtdurchlässig sind. Das Trainingsseminar zur Errichtung des Earth-Buildings auf den Hügeln von Maker organisierte das Team von Point Europa mit Sitz in Kingsand/Cawsand zusammen mit der Organisation Earthship Europe. Realisiert wird das Projekt auf dem Gelände der Stiftung MakerHeights zur Erhaltung der natürlichen Landschaft in Cornwall. Der Schulungsraum für Jugendgruppen soll 2010 in Betrieb gehen und mit weiteren Projekten unter Einbindung von Freiwilligenarbeit fertigstellt werden. Dazu organisiert Point Europa u.a. ein dreiwöchiges EVS-Programm (Europäischer Freiwilligendienst) im November 2009.

Ökologisches Umdenken als EU-Projekt

Neben dem Erlernen des Earthship-Know-Hows sowie der praktischen Übung hatte das Trainingsseminar auch das Ziel, Menschen aus unterschiedlichen EU-Ländern zusammen zu bringen und die Idee in diese Länder zu tragen. Zum Rahmenprogramm zählten gemeinsame Aktivitäten wie der Besuch des Eden-Projektes in Cornwall, das aus einer aufgelassenen Bergbau-Mine ein Vorzeigeprojekt für biologische Vielfalt geschaffen hat. Mit dem Garten Eden als Vorbild wurden Gewächshäuser und Freilandpflanzungen mit einem breiten Vermittlungsprogramm über ökologische und ökonomische Zusammenhänge geschaffen. Das Bildungsspektrum reicht vom Basiswissen über Pflanzen bis hin zu HighTech-Wissen im Sektor Bionik - Info auf www.edenproject.com.

Ökologisches Bewusstsein keimt in Cornwall in der Transition-Bewegung auf. Transition meint Übergang vom fossilen Brennstoff-Zeitalter in ein neues Zeitalter, in dem erneuerbare Energien, ein schonender Umgang mit Rohstoffen und Leben in der Gemeinschaft im Vordergrund stehen. Infos zur Transition-Bewegung, die Anhänger in vielen Ländern der Welt hat, gibt´s auf www.transitiontowns.org sowie über die Aktivitäten in Cornwall auf http://www.transitioncornwall.org.uk. Die 2009 neu gegründete Transition Rame Gruppe stellte sich mit einem Filmabend vor, bei dem der Film Transition 1.0 gezeigt wurde.

Transition-Towns entdecken auch Regionalgeld für sich als Möglichkeit wirtschaftlicher Entwicklung - ein Beispiel dafür ist die Stadt Lewes, die seit rund einem Jahr den Lewes Pound als Komplementärwährung zur Förderung der regionalen Wirtschaft verwendet. Infos: http://www.thelewespound.org/

Earthship in Tirol? Eine abschließende Einschätzung...

Die TeilnehmerInnen wurden abschließend dazu eingeladen, sich Gedanken darüber zu machen, was sie zur Umsetzung der Earthship-Idee im jeweiligen Land unternehmen können. Earthships wurden ursprünglich als autarke Wohneinheiten in der Wüste konstruiert und weisen durch die ebenerdige Bauweise einen großen Flächenverbrauch auf. Nimmt man die Grundphilosophie ernst, so scheidet die private Wohnhausnutzung solcher Gebäude in unserem Gebirgsland aus, in dem nur 13 % der Fläche besiedelbar sind und für Verkehr, Wirtschaft und Wohnen genutzt werden können.

Mit Adaptierungen des Heizungs-/Lüftungssystems sowie der Bauweise, die auf alpines Klima (z.B. Schneelast im Winter) abgestimmt werden kann, bieten sich Earth-Buildings als Gemeinschaftsprojekte an, die dann auch gemeinschaftlich genutzt werden sollten.  Um Earth-Buildings zur errichten, ist ein großer Aufwand an körperlicher Arbeit und damit Arbeitszeit notwendig, die bisher als Freiwilligenarbeit in die Projekte eingeflossen ist.  Earth-Buildings eigenen sich als Gemeinschaftstreffpunkte für die Jugendarbeit ebenso wie beispielsweise an entlegenen Orten im Gebirge - so könnte der Alpenverein Schutzhütten nach diesem Prinzip realisieren. Das Earthship in Zwolle/Holland dient als Cafébetrieb.

Übernommen werden kann auch bei anderen Gebäuden die intelligente Haustechnik der Earthships, die umweltschonend hilft, Betriebskosten einzusparen. Das Training bot zudem auch viele Anregungen betreffend gestalterischer Elemente: bunte, lichtdurchlässige Flaschenwände bieten kreativen Spielraum auch in herkömmlichen Gebäuden.

Das malerische Cornwall zeigte sich hier bei den Küstendörfern Kingsand und Cawsand (Bild rechts) während des Eco-Building-Trainingsseminares von 10. bis 18. Oktober 2009 dank spätsommerlichen Schönwetters von seiner schönsten Seite. Im Kontrast zur ländlichen Idylle die Präsenz der Royal Navy, die im nahen Plymouth auch Atom-U-Boote stationiert hat und die jungen Soldaten hier mit Manövern trainiert.

Zu den vielen alten, aufgelassenen Militäranlagen zählt auch das Tamar Outdoor-Center auf den Hügeln von Maker, in dem die rund 20 TeilnehmerInnen aus Estland, Lettland, Frankreich, Italien, Österreich und England - hier bei der Bauplatzbesichtigung am ersten Tag (Bild Mitte und rechts) - untergebracht waren.

Montag, 12. Oktober - die Baustelle wird eingerichtet: Als erstes treffen die alten Autoreifen ein, aus denen die Wände errichtet werden. Sie werden mit dem am Bauplatz vorhandenen Erdmaterial befüllt, das mit Füßen und Hämmern verdichtet wird, um daraus tragfähige Bauelemente zu erhalten.

Beim Komprimieren des Materials in den Reifen sind keine Maschinen im Einsatz - das bedeutet körperliche Schwerarbeit.

Zum Schutz des Gebäudeinneren wird am Boden eine Folie eingearbeitet. Maßarbeit ist beim Befüllen der Reifen angesagt.

Learning by doing auf der Baustelle bildete neben theoretischer Wissensvermittlung den Inhalt des Trainingsseminars. Mit der geleisteten Arbeit wurde der Grundstein für einen Schulungsraum gelegt, der künftig als Trainings- und Gruppenraum für die Jugendarbeit von Point Europa verwendet werden soll. Kursleiter Kevan Trott von Earthship Europe erklärte die Funktionsweise und das Konstruktionskonzept der Gebäude ebenso wie die praktische Umsetzung - hier im Bild rechts bei der Herstellung eines Glasziegels für den Bau von Licht durchlässigen Flaschenwänden.

Recycling statt Wegwerfen lautet das Prinzip bei der Beschaffung des Baumaterials. Vor dem Befüllen werden die Reifen nach unten mit Karton abgedichtet.

Teamwork macht Spaß - die Arbeit auf der Baustelle bildete die beste Gelegenheit, eigene Fähigkeiten auszuprobieren und handwerklich zu lernen.

Kevan Trott arbeitete vier Jahre mit dem Earthship-Erfinder Michael Reynolds, zusammen und errichtete sein eigenes Earthship in der Normandie in Frankreich. Er ist Architekt und passt das Konzept an die klimatischen Erfordernisse in Europa an. Dazu gehört auch eine andere Dimensionierung der Außenisolierung, die er hier im Bild rechts Simon Ryan von Point Europa erklärt.

Das Organisationsteam vor Ort - Bruce Stockley und Simon Ryan von Point Europa sowie Bauleiter Kevan Trott (Bild links v.l.). Beim Befüllen der Reifen entwickelte jeder so seine eigene Taktik... Zu den TeilnehmerInnen zählte das österreichische Team mit Ulli Schindl-Helldrich (3. Bild v.l.), Gründerin des Vereines Tafie in Tirol, mit Tochter Tina (die während des Trainingsseminars ihren Geburtstag feiern konnte) sowie Veronika Spielbichler aus Wörgl (Unterguggenberger Institut, Projektentwicklung I-MOTION). 

Alle Vorurteile gegen englisches Essen widerlegte unsere wunderbare Köchin Sharon - nochmal ein herzliches Dankeschön, auch dem beiden Teambetreuern Lee und Hazel!

Weitere Bilder vom Trainingsseminar Maker Difference gibt´s hier in der Galerie

Hintergrund-Info: Point Europa wurde vor fünf Jahren als Trainings- und Bildungszentrum mit vielfältigen Aktivitäten gegründet, hat seinen Sitz in Kingsand/Cawsand, Cornwall und arbeitet bei EU-Projekten mit dem Tiroler Verein Cubic zusammen. Cubic - Cultur und Bildung im Context - befasst sich gemeinnützig mit interkulturellem Austausch. Info: 0699-11797034 und  http://cubic.ligges.at/

 

Weitere Link-Tipps:

Earthship Europa - Kevan Trott: www.earthbuilds.com  und www.earthship-france.com

Earthship-Gründer Michael Reynolds: http://www.garbagewarrior.com/

Point Europa: http://www.pointeuropa.org/

Reportage: Autor und Fotos - Veronika Spielbichler