(0)
Bezirksblätter luden zur Wahl-Diskussion im Komma Wörgl am 19. Februar 2010 |
vero / 22.02.2010 10:06
0 Wörgl Hochwasserschutz Integration Kandidaten Politik Wahlkampf Wahl-Diskussion Bezirksblätter Stadtfinanzen Gemeindratswahl2010 |
Von Politikverdrossenheit war bei den BesucherInnen der Wahl-Diskussion - darunter viele Kandidaten der sechs antretenden Listen - am 19. Februar 2010 im Komma Wörgl nichts zu merken. Bezirksblatt-Redakteur Christian Mey (Bild Mitte) moderierte und sah sich mit vielen Emotionen im Publikum konfrontiert. Unter den ZuhörerInnen war Vizebgm. Maria Steiner (links im Bild rechts), die nicht mehr zur Wahl antreten wird und mehrfach für ihre Arbeit als Sozialreferentin gelobt wurde.
Wörgler Wahlkampf 2010: Sechs Listen werben um 9.142 Stimmen
Deutlich mehr Wahlberechtigte als 2004 werden heuer über die künftige politische Zusammensetzung des 21 Mandatare zählenden Wörgler Gemeinderates entscheiden. Und entscheidend wird dabei auch die Wahlbeteiligung werden - die lag 2004 bei 7.796 Wahlberechtigten mit 64 % auf einem historischen Tiefpunkt. Das rasante Bevölkerungswachstum in den vergangenen 6 Jahren spiegelt sich in der Anzahl der 2010 Wahlberechtigten wider - heuer können mit 9.142 Personen über 1.300 Menschen mehr (!) über Wörgls politische Zukunft entscheiden.
Derzeit setzt sich der Gemeinderat aus 8 Mandataren der Bürgermeisterliste, 5 der SPÖ, 2 Unabhängiges Forum, 2 Grünen, 2 Freiheitliche Wörgler Liste und 2 Liste Petzer zusammen. Bis auf die Liste Petzer kandidieren alle Gruppierungen wieder. Als neue Liste kommt das Team Wörgl von Dr. Andreas Taxacher dazu, das sich nicht als Nachfolge-Liste der Petzer Liste sieht - trotz der Kandidatur von Gemeinderat DI Gerhard Wibmer.
Die Kandidaten bei der Podiumsdiskussion - von links: Hedi Wechner, Alexander Atzl und Andreas Taxacher
Wörgl und das liebe Geld...
"Ohne Göd koa Musig?" - Mit dieser Frage an Bürgermeister Arno Abler eröffnete Christian Mey die Podiumsrunde, nachdem alle Spitzenkandidaten vorab mit einem 30-Minuten-Videoclip erklärten, warum das Kreuzerl auf dem Wahlzettel bei ihrer Liste bzw. ihrem Namen stehen sollte. "In der Jahresrechnung 2009 zeichnet sich ein Jahresüberschuss von 2,2 Millionen Euro ab. Wörgl hat Geld und ist gut situiert. Die Rücklagen werden Ende 2010 wieder 5,9 Millionen Euro betragen", erklärte Bgm. Arno Abler und meinte, dass dieses gute Ergebnis bei der Budgeterstellung für 2010 noch nicht bekannt war und der Haushaltsplan aufgrund einbrechender Kommunalsteuern und Abgabenertragsanteile um 1,5 Millionen Euro niedriger als im Vorjahr angesetzt wurde.
"War dann der Kassasturz umsonst?" wollte Mey von der Runde wissen. Wechner dementierte und wies auf Kostenüberschreitungen bei städtischen Projekten von über einer Millionen Euro hin - die Stadt müsse in Zukunft "sehr genau überlegen, wofür Geld ausgegeben wird." Alexander Atzl von den Grünen kritisierte, dass "im Budget vieles nicht auftaucht, weil die Kosten in Gesellschaften ausgelagert werden - das betrifft das Wave, die Wörgler Infrastrukturgesellschaft WIG und das Gesundheitszentrum. Das verfälscht das Bild." "Wenn die Haftungen für diese Gesellschaften und Leasingverpflichtungen der Gemeinde beim Verschuldungsgrad berücksichtigt werden, ergibt sich für Wörgl nicht ein Verschuldungsgrad von 28 %, sondern zwischen 76 und 80 %", rechnete Wechner vor.
"Die Auslagerung hatte einen wirtschaftlichen und steuerlichen Zweck. Die Haftungsübernahme durch die Gemeinde bringt bei der Kreditaufnahme bessere Konditionen bei den Banken", rechtfertigte Bgm. Arno Abler die Vorgangsweise. Die Stadt zahle so ein Prozent weniger Zins, was jährlich rund 300.000 Euro ausmache. Abler habe schon zwei Mal versucht, das Land davon zu überzeugen, die Berechnungsgrundlage für den Verschuldungsgrad zu ändern und darin "auch die Vermögen der ausgelagerten Gesellschaften zu berücksichtigen".
"Aber was nützt das zum Beispiel bei der WIG, die die Straßen baut - die kann die Stadt ja nicht verkaufen. Welchen Wert hat denn eine Straße?" stellte Atzl in Frage und erntete damit Lacher im Publikum. Abler räumte ein, dass die Straßen keinen Verkaufswert aufweisen, wohl aber für die Aufschließung des Gewerbeparks wertvoll sind. Worauf Atzl nochmals die grundlegende Praxis der Auslagerung aufgrund der nun anstehenden Umsatzsteuer-Rückforderungen des Finanzamtes von 2 Millionen Euro in Frage stellte: "Begründet wurde sie mit der Umsatzsteuerrückvergütung. Dazu läuft ein schwebendes Verfahren. Wenn wir diesen Vorteil jetzt verlieren, hat das nichts gebracht."
"Wörgl geht´s nicht gut, wenn wir uns bei der Nachbargemeinde Geld ausleihen müssen", meinte zur Finanzlage der Stadt Team-Wörgl-Spitzenkandidat Andreas Taxacher und spielte damit auf den 250.000 Euro-Kredit für das Fußball-Vereinsheim Bruckhäusl an, den Kirchbichl für Wörgl aufnimmt. Daran dockte UFW-GR Emil Dander an und schlug vor, aus den 2,2 Millionen Euro Rechnungsergebnis von 2009 den Anteil am Bruckhäusler Fußballplatz zu bezahlen und den Kredit nicht in Anspruch zu nehmen.
Einsparen ja - aber wo? Das Thema griff FWL-Spitzenkandidat Mario Wiechenthaler auf und rechnete vor, wieviele Subventionen in den vergangenen 6 Jahren der Sport- und der Kulturausschuss an Vereine vergeben hat: "Vom Sportausschuss wurden bei den einmaligen Zuschüssen 1,9 Millionen Euro vergeben, vom Kulturausschuss rund 1,3 Millionen Euro. Und fürs Wave sind für die nächsten Jahre schon 100.000 jährliche Zuwendung beschlossen worden." Dagegen hielt UFW-Spitzenkandidat Emil Dander: "Das Budget der vergangenen sechs Jahre war rund 150 Millionen Euro - wir reden bei den Kultursubventionen von nicht einmal einem Prozent des Budgets - und eine Gesellschaft ohne Kultur ist tot." Dander warf allerdings Sportreferentin Evelin Treichl vor, dem Gemeinderat "in Salamitaktik das Trainingszentrum und den Sprungschanzenausbau" untergejubelt zu haben. 1,5 % des Budgets für die Vereins-Infrastruktur - Wörgl hat 180 Vereine - sah auch Bgm. Arno Abler als gerechtfertigt.
Wo brennt der Hut? Landesmusikschule neu...
"Wenn unsere Finanzlage eh so gut ist - warum wurde dann die Übersiedelung der Landesmusikschule abgewürgt?" meinte Grün-Spitzenkandidat Alexander Atzl. Sowohl Vizebgm. Wechner als auch Bgm. Abler erklärten daraufhin entgegen dem 19:2-Gemeinderatsbeschluss im Dezember 2009, dass man sich zum Musikschul-Projekt bekenne. Die Absage begründete Abler mit dem nicht ausreichenden Raumkonzept für die zur Verfügung stehenden 1.600 Quadratmeter in der Neuen Post sowie dem Wegfall der Vorsteuer-Abzugsberechtigung bei gemieteten Immobilien. Zudem erhoffe man sich noch Geld vom Land, da rund ein Drittel der Musikschüler aus Nachbargemeinden kommen. Das Argument, dass die Nachbargemeinden jetzt nicht beim Erhalt des Musikschulgebäudes mitzahlen, quittierte Alexander Atzl mit der Feststellung: "Das ist woanders ja auch so - die Wörgler zahlen 100 % fürs Wave und nur 10 % gehen hin."
Das Wave kam später auch noch aus dem Publikum unter Beschuss. Viel zu teuer und wenig attraktiv stellte ein junger Wörgler fest, kritisierte vor allem den Freibereich im Sommer als uninteressant und wollte wissen, ob die Stadt daran was ändern wird. Während Bgm. Abler Überlegungen betreffend eine Ausweitung in den Süden anstellte, plädierte Andreas Taxacher dafür, "die nächsten 10 Jahre keinen Cent mehr ins Wave zu stecken."
Integration
Mit einer Publikumsfrage leitete Moderator Christian Mey zum Thema Integration von Zuwanderern über: "Wer hier im Saal hält Integration für ein wichtiges Thema in Wörgl?" Schätzungsweise die Hälfte stimmte dem zu. FWL-Spitzenkandidat Mario Wiechenthaler bezeichnete die bisherige Integrationspolitik der Stadt als verfehlt und schlug vor, den Integrationsbeirat mit den Befugnissen des Integrationszentrums auszustatten.
Unwidersprochen blieb dann die Feststellung von Moderator Christian Mey, dass die Integrationspolitik in Wörgl garnicht so schlecht sein könne, da es im Gegensatz zu Kufstein in Wörgl keine eigene Migranten-Liste für die Gemeinderatswahl gäbe.
Bgm. Arno Abler kritisierte die FWL-Wahlwerbung: "Die Ö und Ü auf den Plakaten schüren Aggressionen und Hassgefühle - wer Wind sät, wird Sturm ernten." Abler forderte von den Migranten die Bereitschaft, sich zu integrieren und die Sprache zu lernen. Er lehnte Pauschalverurteilungen und Polemisierung ab. Das Integrationszentrum, dem er als Vorstandsmitglied angehört, erhält eine Jahressubvention von 12.000 Euro von der Stadt Wörgl. Er halte es nicht für sinnvoll, dass diese Arbeit "Politiker so nebenbei" machen sollen.
Kritik an der Integrationspolitik der Stadtführung betreffend das IGZ kam auch von UFW-GR Dander: "Integration darf nicht politisiert werden! Die Gründung des Integrationszentrums war eine politische Aktion von Landesrätin Zanon - nicht einmal unsere Sozialreferentin hat davon gewusst. Wir wurden alle vor vollendete Tatsachen gestellt."
Vizebgm. Hedi Wechner trat für die Weiterarbeit des Integrationszentrums ein, das ja auch für Einheimische da sei, und will in der künftigen Gemeinderatsperiode einen eigenen Integrationsausschuss gründen.
Kritik an der Wörgler Integrationspolitik kam auch von Grün-GR Alexander Atzl hinsichtlich der neuen Wohnungsvergaberichtlinien, die Deutschkenntnisse als Voraussetzung für eine Wohnungszuweisung beinhalten. Atzl: "Diese Wohnungsvergaberichtlinien sind gesetzeswidrig und gegen EU-Recht." Bürgermeister Abler rechtfertigte sie damit, dass "diese Vorgaben keine Verordnung sind, sondern nur eine Richtlinie - und die ist nicht einklagbar."
Wahlkampf-Finanzierung
Fragen aus dem Publikum betrafen Themen wie Stadtpark, Radwege, die nur sporadisch und nicht wie gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Gemeindeversammlungen und die Frage nach den Wahlkampfkosten. Die auch prompt beantwortet wurde: Die SPÖ gibt 25.000 bis 30.000 Euro aus (aus Beiträgen von Mandataren und einem Kredit), die Grünen 9.600 Euro (von der Landespartei), das UFW 20.000 Euro (7.000 Mandatarsentschädigung und 13.000 Privatkredit von Emil Dander), die FWL 7.000 Euro, das Team Wörgl 12.000 Euro (von den Kandidaten selbst finanziert) und die Bürgermeisterliste zwischen 30.000 und 35.000 Euro (ebenfalls selbst finanziert).
Wörgler Bürgeranliegen formulierten Klaus Walter und für die Hochwasseropfer Willi Aufschnaiter und Gerhard Unterberger (v.l.)...
Reizthema Hochwasserschutz
"23 Punkte zum Hochwasserschutz umfasst ein Maßnahmenkatalog, der den Betroffenen versprochen wurde. Davon ist viel noch nicht umgesetzt", brachte FWL-GR Mario Wiechenthaler zur Sprache und warf Bürgermeister Arno Abler vor, dass dieser beim Land mehr Druck machen hätte sollen. Der Bürgermeister verwies daraufhin auf bereits durchgeführte Schutzbauten, womit allerdings etliche Hochwasser-Opfer im Publikum nicht zufrieden waren. Willi Aufschnaiter meldete sich mit dem Ergebnis einer unter den Betroffenen durchgeführten Umfrage. Derzufolge haben nach wie vor 92 % Angst vor einer neuerlichen Überflutung, 82 % sehen dadurch ihre Lebensqualität beeinträchtigt. Fazit: Unzufrieden sei man nicht nur mit dem aktuellen Stand der Hochwasserschutzbauten, sondern auch mit dem Einsatz der Politik und Behörden für die Opfer. "Der Inn ist noch in keinster Weise verbaut", pflichtete Andreas Taxacher, selbst Hochwasseropfer, bei. Während Bürgermeister Arno Abler und Vizebürgermeisterin Hedi Wechner die bereits durchgeführten Maßnahmen auflisteten - die Stadt hat dafür bereits 1,2 Millionen Euro ausgegeben - wies Dr. Josef Schernthaner im Publikum plakativ mit Fotovergrößerungen auf die Mängel beim Hochwasserschutz hin.
...sowie Dr. Josef Schernthaner (Bild links). Wenig Freude mit dem Wave artikulierte dieser junge Mann (Bild Mitte) kurz vor Ende der Publikumsdiskussion, die um 23 Uhr offiziell beendet wurde. Bild rechts: Die Kandidaten mit Moderator Christian Mey.
"Was heißt denn Lebensqualität in den Wahlprogrammen?"
...lautete eine weitere Publikumsfrage ans Podium. Dass diesbezüglich aufgrund der bereits bewilligten Bauvorhaben in den nächsten Jahren ohnehin keine Verbesserung in Sicht sei, meinte daraufhin Emil Dander. Mehr direkte Kommunikation mit den Menschen - nicht nur übers Internet - und eine Belebung der Innenstadt sehe er als Beitrag zur Verbesserung.
"In Wörgl wurde der Konsum zur obersten Maxime erhoben. Schon vor 6 Jahren hat uns Bürgermeister Abler Soft-Facts statt neuer Bauprojekte versprochen. Tatsache ist, dass von 2004 bis 2010 die Verkaufsfläche um 13.000 Quadratmeter vergrößert wurde. In der Vorperiode war es doppelt soviel. Hier wurden ohne Rücksicht auf die Lebensqualität der Wörgler Investorenwünsche erfüllt", so Grün-GR Alexander Atzl. Weiters würden noch drei Einkaufszentren mit fast 10.000 Quadratmetern Verkaufsfläche anstehen. "Wer soll euch da ein Engagement für die Lebensqualität noch glauben?" Es brauche mehr öffentliche Freiräume ohne Konsumzwang und den Erhalt des Naherholungsgebietes im Süden von Wörgl. Atzl kreidete der Stadtführung auch hier ihre Politik an, da "im Dezember 2009 der Gemeinderat noch mit einem 19:2-Beschluss die Umwidmung des Gasthofes Badl zu einer 200-Betten-Burg ohne ausreichende Zufahrt" bewilligt habe.
Für die SPÖ sei Lebensqualität "Maßnahmen im Kleinen wie eine Belebung der Bahnhofstraße sowie im Sozialbereich", so Wechner, die konkret u.a. eine "Mutter-Kind-Gratis-Parkkarte" für die Wörgler Innenstadt vorschlug. Bgm. Abler listete dazu den Stadtpark sowie eine Ausweitung der Senioren- und Kinderbetreuung auf und FWL-GR Wiechenthaler will mehr Lebensqualität durch ein "Sicherheitskonzept mit mehr Stadtpolizei und nächtlichen Streife-Gängen" ebenso erzielen wie durch "Brauchtumspflege, Spielplätze, Parks und eine richtige Integrationspolitik."
Sperrstundenregelung wieder ein heißes Thema: Privat-Security als Lösung?
Nächtlicher Lärm durch das Offenhalten von Lokalen bis fünf Uhr früh stört die Anrainer in der Pichler-Straße lautete eine weitere Wortmeldung, zu der Bgm. Arno Abler Stellung nahm. Die Aufhebung der Sperrzeitverkürzung auf 2 Uhr früh sei durch die Bewilligung der Öffnungszeit bis 5 Uhr früh für ein Lokal seitens der Bezirkshauptmannschaft Kufstein erfolgt. Nachdem es seither wieder vermehrt zu Anzeigen wegen nächtlicher Ruhestörung gekommen sei, laufe erneut der Beobachtungszeitraum, der im Rahmen eines Verfahrens zur neuerlichen Verkürzung der Öffnungszeiten notwendig sei. Dem Problem wolle man nun aber erst noch auf andere Weise beikommen. "Es liegt ein Vorschlag zur nächtlichen Überwachung der öffentlichen Bereiche durch Security-Kräfte am Tisch. Demnächst sollen Gespräche mit den Wirten dazu stattfinden, bei denen es darum geht, wie diese sich finanziell daran beteiligen", erklärte Abler. Wieweit dafür öffentliche Gelder fließen sollen, sei dann Sache des neuen Gemeinderates.
Die Publikumsfragen bezogen sich zum allergrößten Teil auf anstehende Probleme. Wie die wahlwerbenden Gruppen Wörgls Zukunft gestalten wollen, kam in der Diskussion zu kurz. Gefragt wurde schließlich noch, ob Listen miteinander koppeln, was alle verneinten.