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Premiere der Schlossbergspiele Rattenberg am 2. Juli 2010: Kanzler Bienner von Manfred Schild |
vero / 03.07.2010 11:24
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Er war ein Mann fürs Volk, der mit Adels- und Kirchenprivilegien aufräumte und der Korruption in den Amtsstuben den Kampf ansagte. Der Hofkanzler Dr. Wilhelm Bienner, der unter Claudia von Medicis Regentschaft in Tirol in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Innsbruck wirkte. Bienner forderte Steuern von den Bischöfen und Tirols Adel als Beitrag zur Landesverteidigung ein. Sein einziger Fehler war, keine Fehler zu machen. Das machte ihn unbeliebt bei seinen Zeitgenossen - denn wer keine Fehler macht, ist nicht erpressbar.
Fünf Monate lang beschäftigte sich der freischaffende Autor und Regisseur Manfred Schild, der seit 2009 Direktor des Innsbrucker Kellertheaters ist, intensiv mit den historischen Fakten. Bienner war kein Superheld, ein untadeliger, den einfachen Menschen des Landes verpflichteter Politiker. Den Mangel an effektvollen Heldentaten macht Schild mit Wortgefechten wett, in denen trotz des ernsten Stoffes der Humor eine fein gewetzte Klinge führt. "Geld und Macht saufen aus dem gleichen Sautrog", lässt der Autor den Kanzler, dargestellt von Werner Klikova gleich zu Beginn sagen und verleiht ihm ein klares Profil. Bienner wolle den "Saustall mit einer Heugabel ausmisten", wobei auf jedem Zinken am besten einige Adelige, Bischöfe und Beamte stecken würden. An klaren Ansagen fehlt es dem Kanzler ebensowenig wie an der Unterstützung seiner Schirmherrin Claudia von Medici (Claudia Lugger). Doch die weiß, "wer die Wahrheit sagt, steht oft allein auf öffentlichen Plätzen."
Wer zieht die Fäden der Macht? Schmeichelei öffnet ebenso Türen wie Geld. "Das Geld des Handels regiert das Land - die Welt muss geschmiert werden", stellt der Innsbrucker Kaufmann Abraham May (Wolfgang Niedermayr) fest und wird im Spiel der Macht auch nur zur benutzten Schachfigur des Drahtziehers Dr. Isaac Volmar (Hans-Peter Teufel), der sein Ziel an Bienners Stelle zu treten rücksichtslos und mit Tücke verfolgt: "Wenn wir könnten, wie wir wollten, würden wir uns alle umbringen. Das ist von Gesetzes wegen nicht erlaubt. So treiben wir eben Politik."
In Bienners Weltbild hat Politik ein anderes Ziel als persönliche Bereicherung und Machtstreben: Gerechtigkeit und gute Lebensbedingungen für alle. Als die Erzherzogin stirbt und ihr kindlicher, dekadenter Sohn an die Macht kommt, sieht Bienner die Gefahr. "Das Ei der Gerechtigkeit hat eine dünne Schale", warnt ihn ein befreundeter Jesuitenpater (Georg Feichtner). "Deshalb darf es nicht der dümmste Gockel ausbrüten", antwortet Bienner. Sein Rat stört den jungen Herrscher in der Feierlaune, in dessen Umfeld sich Bienners Widersacher als Günstlinge versammeln. Der Erzherzog wird nicht gern an seine Pflichten erinnert - er überlässt das Regieren lieber seinem Hofstaat. Und den richtet sich jetzt Dr. Volmar nach seinem Geschmack und dem Motto "Was wäre eine Regierung ohne ihre Idioten?" ein. Er strickt mit seinen korrupten Verbündeten ein Netz aus Intrigen und Lügen und lässt den bereits pensionierten Bienner mit falschen Anschuldigungen verhaften.
Der Ausgang ist bekannt - Bienner wird am 17. Juli 1651 nach einem Scheinprozess in Rattenberg enthauptet. Das Begnadigungsschreiben des Erzherzoges wird aufgehalten, bis das Urteil vollstreckt ist. Was zählt, ist nicht die Wahrheit. "Wirklichkeit ist, was wirkt", stellt der oberste Beamte Dr. Johann Schmauss (Heinz Auer) in der Schluss-Szene fest.
Manfred Schilds "Kanzler-Bienner" Inszenierung für den Rattenberger Schlossberg bringt trotz des ernsten Themas kurzweiliges, spannendes und lebendiges Volkstheater im besten Sinn des Wortes auf die Bühne, das mit dem Fest des jungen Erzherzoges auch für eine Tanzeinlage und viele junge DarstellerInnen Platz hat. Viel Lob erntete nach der Uraufführung das gesamte Ensemble und die vielen fleißigen HelferInnen hinter den Kulissen, wie etwa Ria Mair und ihr Team, das sämtliche Kostüme und Requisiten anfertigte. Und ein ganz großes Kompliment hatte auch Manfred Schild für die Schauspieltruppe: "Obwohl alles Laiendarsteller sind, haben sie insgesamt ein sehr hohes Spielniveau erreicht."
Weitere Aufführungen stehen bis 7. August 2010 auf dem Spielplan, Infos dazu auf www.schlossbergspiele-rattenberg.at. Kartenvorbestellung unter Tel. 05337/93570 oder 93571. Bühnentelefon ab 19 Uhr (wetterbedingte Absagen) unter 05337/64818.
Mit der Plätte landete am Premieren-Abend der festgenommene Kanzler Dr. Wilhelm Bienner, beeindruckend dargestellt von Werner Klikova, bei der Rattenberger Innbrücke und wurde von bewaffneten Schergen, allesamt Darsteller der Rattenberger Schlossbergspiele, auf den Schlossberg gebracht.
Das Schauspiel des Einzuges durch die Stadt inszenierten die Schlossbergspiele nur für den Premierenabend.
Der historische Ort der Hinrichtung Kanzler Bienners am Schlossberg - hier steht heute die Freilichtbühne, deren Bühnenbild wieder von Erich Eberharter und seinem Team gestaltet wurde und von der Licht- und Tontechnik-Crew mit effektvoller Lichtführung ins Szene gesetzt wird.
Soviel Polit-Prominenz wie bei dieser Premiere erlebten die Rattenberger Schlossbergspiele noch nie: Rattenbergs Bürgermeister Franz Wurzenrainer (linkes Bild rechts) begrüßte u.a. Landeshauptmann Günther Platter (linkes Bild 2.v.r.), hier im Bild mit Tirol-Werbechef Josef Margreiter mit Gattin Gwendolyn, weiters Kulturlandesrätin Beate Palfrader, den ehemaligen Landtagspräsidenten Mader, viele Bürgermeister und Bezirkshauptmann Christian Bidner. Unter den Ehrengästen waren weiters Nationalrat Josef Auer (Bild Mitte rechts) und Rattenbergs Stadtpfarrer Dieter Reutershahn (Bild Mitte links). Das Symbol für die Bühne der Macht: der große rote Sessel, bespielt auf drei Ebenen.
Polit-Bühne mit wechselnden Akteuren: Mit dem Tod der Claudia von Medici (großartig dargestellt von Claudia Lugger) kommt ihr kindlicher, dekandenter Sohn Erzherzog Ferdinand Karl (Bernhard Schrettl in seiner ersten großen Sprechrolle) und damit jene korrupten Hintermänner an die Macht, die den Hofkanzler entmachten und mittels Scheinprozess von der Justiz ermorden lassen.
Nicht nur einen, sondern gleich fünf Bösewichte versammelt Manfred Schilds Stück im Dunstkreis der Macht. Die Fäden des Verderbens zieht dabei genial böse Hans-Peter Teufel als Bienners Gegenspieler Dr. Isaak Volmar. Heinz Auer als Dr. Johann Schmauss, Wolfgang Oehm als Graf Maximilian Mohr, Michael Zangerl als Hofkanzlerstellvertreter Anton Girardi und Siegfried Läugner als adeliger Graf Montecuculi komplettieren das korrupte Regime, dem der rechtschaffene Kanzler Bienner ein Dorn im Fleisch ist.
Das Ende des infernalen Planes - das erzherzögliche Begnadigungsschreiben wird von den Drahtziehern des Scheinprozesses zurückgehalten. Zum verdienten Schlussapplaus, der aufgrund des beklemmenden Endes erst zögerlich einsetzte, holte Schlossbergspiele-Obfrau Claudia Lugger alle Mitwirkenden der Produktion auf die Bühne - darunter Stückautor und Regisseur Manfred Schild (im rechten Bild rechts mit Kutlurlandesrätin Beate Palfrader und Hauptdarsteller Werner Klikova).
Weitere Bilder von der Uraufführung des Kanzler Bienner hier...
Kanzler Bienner Szenenbilder von Mag. Gabriele Grießenböck - Galerie hier