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Eine Weihnachtsgeschichte
Schutzengerl-Spezialauftrag: Der Wörgler Weihnachtsesel
„Schutzengerl-Spezialauftrag“ hieß es – pah! Dass ich nicht lache. In Wahrheit wars doch so, dass keiner hier oben sich freiwillig für den Job meldete, auf den Wörgler Weihnachtsesel aufzupassen. Was sollte es da schon zu tun geben. Urfad. Dachte ich, als ich den Auftrag ausfasste. Wohl auch, weil ich beim Meeting mit der Job-Vergabe verschlafen hatte und nur mehr der Zettel am schwarzen Brett der himmlischen Jobangebote hing.
  
„Einsatzort: Christkindlmarkt in Wörgl. Vier Samstage von 13 bis 20 Uhr im Stadtpark Seniorenheim“ - recht viel mehr war dem Zettel nicht zu entlocken. Ach ja, und noch von wo aus mein Klient himmlischen Begleitschutz brauchte: „Waldlegererbauer, Wörgl.“ Dort war die Eseldame Weiwi vor etlichen Jahren als Geburtstagsgeschenk für den Bauern im Pferdestall eingetroffen und erfreute sich seither eines gemütlichen Lebens, das als gesellschaftliche Höhepunkte sozusagen die Eselritte der Kinder, als sie noch klein waren, sowie ein paar Kutschenfahrten verbuchte. 
Ausgerechnet ein bockiger Vierbeiner. Naja. Hätte schlimmer kommen können. Pünktlich fand ich mich am ersten Adventsamstag ein. Weiwi marschierte brav in den Anhänger, mit dem sie der Bauer zum Einsatzort lieferte. Weihnachtsesel. Ob da eine Krippe steht? – Nein, keine Krippe. „Christkindlmarkt“ ?– Nein, auch kein Menschenhandel! Die Menschen wählten die Bezeichnung für den Weihnachtsmarkt wohl aus marketing-strategischen Überlegungen. Schließlich gilt es für unseren Erlöser, der ganz ohne Geld mit Liebe glücklich macht, wieder Boden gegenüber dem Geschenke-bepackten Weihnachtsmann zu gewinnen, wenn es um den Sinn des Weihnachtsfestes geht. Schließlich ist es ja sein Geburtstag, den die Menschen da so ausgiebig feiern.
O.k. – ich bin kein Konsumfeind. Und hätte ich ein Geldbörserl, so wär ich bei dem einen oder anderen Standl am Christkindlmarkt auch eingekehrt – um Kindern im Himalaya, in Afrika oder auch in Tirol zu helfen. Oder Armen und Hilfsbedürtigen in Not. So viele Menschen, die anderen helfen wollen. Apropos Hilfe: Die hatten sie sogar für mich geplant! „Eselhirte gesucht“ lautete ein Jobangebot beim städtischen Jugendprojekt I-MOTION – doch auch hier blieben die Bewerber aus. Für die Weihnachtswerkstatt, basteln mit Kindern – ja, da meldeten sich die Jugendlichen. Aber auf einen Esel aufpassen?
Wozu überhaupt. Was soll so einem Esel schon passieren, wenn er im Streichelzoo steht. Noch dazu so einem herzigen – und das ist wirklich wörtlich zu nehmen, festzumachen an seinem „Kurzhaarschnitt“ , der nebst gestutzter Mähne zum besseren Nachwuchs mit einem ausrasierten Herzerl am Hinterteil aufgepeppt wurde. So konnte ich mir auch garnicht vorstellen, dass Weiwi den Schafen eines anderen Bauern Angst einflößte. Eins sprang sogar in Panik über den Zaun. Da half auch beschnuppern nichts – Weiwi musste raus aus dem Schaf-Gatter und das Los akzeptieren, außen angebunden zu werden.

    

Solange nachmittags die Streicheleinheiten von kleinen und großen Weihnachtsmarkt-BesucherInnen für Unterhaltung sorgten, war das auch kein Problem. Große Kinderaugen, zaghafte Annäherungen – schließlich sahen etliche Menschenkinder zum ersten Mal einen Esel in voller Größe, nicht nur im Bilderbuch oder im Fernseher. Entdeckten sein weiches Fell, seine samtigen Lippen, mit denen er ganz vorsichtig angebotenes Essen wie Karotten, Kekse oder Trockenfrüchte untersuchte.

 

Aber wehe, Weiwi wurde langweilig! Mit Haflingern verstand sie es ja, sich zu unterhalten. Aber mit Schafen? Funkstille. Gab es für sie keine Ansprache, konnte sie herzzerreißend ein elendiges iiiiiiiaaaaaahhhiaiaiiiiiiiaaaaahhhhh! losbrüllen, worauf mit schöner Regelmäßigkeit sofort jemand vom Standl der Wörgler Jugendabteilung mit der bangen Frage auf den Lippen „Wer hat dem Esel was getan?“ herangestürzt kam. Niemand! Aber Weiwi war wieder zufrieden, schließlich kümmerte sich wieder jemand um sie. Und das war doch was anderes als nur so nebenbei von den Mitarbeitern der Nachbarstandl im Auge behalten zu werden.
  
Weiwi ist also gut bewacht - dachte ich und gönnte mir einen Abstecher zu den anderen Attraktionen des Christkindlmarktes. Köstliche Krapfen, Glühweinduft, Kinderpunsch, fröhliche Menschen und – wie schön! Keine Weihnachtslieder aus Lautsprechern geplärrt, sondern von Kindern und Musikanten selbst gesungen und gespielt. Da entstanden vor meinen Augen Christbaumkugeln aus flüssigem Glas – oder kleine, durchsichtige Schneemänner.
Bis mich plötzlich das schlechte Gewissen packte. Ich sollte doch auf meinen Weihnachtsesel achten! Im Handumdrehen bereute ich meinen kleinen Ausflug – waren da doch ein paar selbst schon recht Beschwipste auf die dumme Idee gekommen, meinem Weiwi Glühwein anzubieten. Auch wenn sie nur schwanger aussah – aber das ging auf alle Fälle zu weit. Stopp! Doch einmal probiert dürfte sie schon haben, was ich aus ihrer garnicht mehr so guten Laune nachher ableitete.
Jedenfalls zeigte sich Weiwi in Eselsmanier charakterstark und wollte beim nächsten Christkindlmarkt-Termin einfach nicht mehr in den Anhänger steigen. Also was tun? Ihren beiden jungen Spielgefährten kann sie einfach keinen Wunsch abschlagen – und so ließ sie sich brav zu fuß von Katharina und Andreas aus dem warmen Stall zum Auftritt beim Streichelzoo führen. Obwohl sie sich am letzten Samstag dabei besonders viel Zeit ließ und es überhaupt nicht mehr eilig hatte. Vielleicht lag es am vielen Neuschnee und den wirklich frostigen Temperaturen im Freien, trotz des Sonnenscheins.
Doch Weiwi harrte tapfer bis zum Einbruch der Dunkelheit aus und freute sich, als es wieder heimwärts ging. Brav war sie. Was wohl auf ihrem Wunschzettel ans Christkind stehen würde? Schreiben kann sie ja nicht, aber als ich ihr „Arbeitszeitverkürzung“ an so bitterkalten Wintertagen ins Ohr flüsterte, zwinkerte sie mir zustimmend zu.
 
Text und Fotos: Veronika Spielbichler