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Presseinformation zur Multivisionsschau am 11.2.2011 in Wörgl
vero / 19.01.2011 19:47
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SEENOMADEN – 4 JAHRE SÜDSEE

Archipel Sehnsucht
  Wer hat nicht schon einmal davon geträumt, in die Südsee zu reisen? Keine andere Region der Erde hütet bis heute mehr Sehnsüchte und Träume als die Eilande des Pazifiks, die versprenkelt in einem Ozean liegen, der größer ist als alle Kontinente zusammen. Vier Jahre kreuzen die Seenomaden auf ihrer zweiten Weltumsegelung durch die Südsee. Neugierde und Sehnsucht treiben sie von einer Insel zur anderen. Oft wähnen sie sich „außerhalb dieser Welt“.
In Tahiti erwischt sie ein tropischer Sturm, der den beiden bis heute in den Knochen sitzt. Nicht angekündigte 60 bis 70 Knoten in stockdunkler Nacht, slippender Anker, Kollision mit Nachbarboot, Dingi und Windfahne aus der Heckplattform gerissen und futsch, Propeller samt Welle verbogen, Bimini zerrissen.
Inseln, Inseln, Inseln. Von Tahiti kreuzen sie gegen den Passat zurück zu den spektakulären Marquesas und gehen dann wieder ernsthaft auf Westkurs. Sie stoppen u. a. in den Cook Islands auf Suwarrow, jenem legendären unbewohnten Eiland, wo sich vor 50 Jahren Tom Neale aussetzen ließ und seinen Traum an der Realität maß. Über Wallis segelen sie nach Fidschi in die von Yachten kaum besuchte Lau Gruppe. Bereits Ende Oktober läutete Xavier die Hurrikansaison ein, und sie vertschüßen sich nach Neuseeland. Man soll den Zyklonen nicht auf der Nase herumtanzen. 1.200 Seemeilen in nur sieben Tagen auf Halbwindkurs bedeutet: ständig überspültes Deck, tropfende Luken, Waschmaschine mit Schleudergang. Die Vollgasabteilung lohnt sich, kaum in Opua angekommen, zieht Sturm auf. Geschwindigkeit steht oft auch für Sicherheit.
 Im Gegensatz zu den meisten Fahrtenseglern, die in Neuseeland für ein halbes Jahr die Segel streichen, beginnt für die Seenomaden ein neues Abenteuer. Sie wollen runter in den "Southern Ocean" bis nach Stewart Island, zur Antipode von Österreich. Dort einen Rundblick über das Meer werfen und wissen: Da geht es nach Hause. Und da auch. Das machen sie dann wirklich. Im windzerzausten Port Pegasus, auf 47 Grad Süd, finden sie sich am anderen Ende der Welt. Würden sie hier eine riesige Stricknadel durch den Globus stechen, würde ihre Spitze in Österreich rauskommen.
Eines ist klar: Sie befinden sich quasi auf dem Heimweg. Doch der Gedanke gefällt ihnen gar nicht. So schenken sie sich ein weiteres Jahr in Ozeanien. Aber nicht im erschlosseneren Teil zwischen Tahiti und Fidji, sondern im wilderen Teil der Südsee, Lichtjahre vom Lifestyle Bora Boras entfernt. Sie setzen Segel Richtung Melanesien und Mikronesien, eine Kette von Archipelen im Westpazifik. Tikopia, Nanumea, Ailuk, Nukuoro, Kapingamarangi, Kitava - das sind einige der Ziele. Kaum bekannte Namen in einem ozeanischen Kosmos, der weit abseits der gängigen Fahrtenseglerrouten zu finden ist. Was in den Monaten darauf folgt, ist erwartungsgemäß kein gemütlicher Urlaubstörn. Das gilt für die Tage auf See, an denen sich Nomad hart am Wind durch Konvergenzzonen und stürmischen Passat müht. Das gilt erst recht an Land, wo Myriaden von Moskitos und Fliegen auf sie lauern, wo jeder kleine Schnitt zum Tropengeschwür wuchert, wo in brütender Hitze jegliche Aktivität mit ungeheurer Anstrengung einhergeht. Sie treffen auf Kulturen, in denen das Archaische noch immer gegen die Neuzeit steht. In einer Welt voller Tabus und rätselhafter Rituale kommen sie sich manchmal wie Außerirdische vor. In Tikopia z.B. müssen sie in die Hütte des Häuptlings auf allen vieren robben. Nach der Audienz kriechen sie rückwärts wieder hinaus, denn dem Chief das Hinterteil zu zeigen, wäre ein grober Fauxpas. In den Marshall Inseln darf Doris nur lange Sackkleider tragen, denn weibliche Knie und Oberschenkel sind einzig und alleine dazu da, den Männern den Kopf zu verdrehen. Außerdem kein Landgang mit nassen Haaren, sie würden auf soeben ausgeübten Sex deuten. In Kitava verschenken die Menschen z.B. ihre gesamte Yams-Ernte, um ihrerseits von anderen beschenkt zu werden. Gaben verpflichten, Schenken verbindet. Schnell werden sie Teil dieser archaischen Schenkkultur. Die Insulaner bringen Yams, Süßkartoffeln, Papayas und Schnitzereien im Kanu zu ihnen an Bord. Sie geben Reis, Zucker, Kleidung und Angelzeug zurück. Während der Jahre in den Hinterhöfen der Südsee leben die beiden außerhalb unserer Zeit. Sie vermissen nichts, kein Telefon, keinen Fernseher, kein Internet, keinen Supermarkt. Die Insulaner lehren sie Genügsamkeit: Weniger, statt immer mehr.
Schließlich das Unbehagen vor der Rückkehr in die Zivilisation. Und ein Gefühl von Zerrissenheit. Als ob das Wandern zwischen zwei Welten, sie daran hindert, sich noch irgendwo heimisch zu fühlen. Auch nach diesen vier Jahren will die Südsee in ihren Köpfen der faszinierenden Realität nicht völlig weichen. Ständig träumen sie von einer Rückkehr. Es ist fast wie Heimweh.
Französisch Polynesien – Cook Inseln – Fidschi – Neuseeland – Vanuatu – Salomonen – Tuvalu – Kiribati – Marshall Inseln – Mikronesien – Papua Neuguinea