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Verband der Käserei- und Molkereifachleute tagte am 30. Juni 2011 in Wörgl zur Vollversammlung

„Mit 2,78 Millionen Tonnen Milch jährlich liegt der Anteil Österreichs an der EU-weiten Milchanlieferung bei 2 %“, leitete Helmut Petschar, Direktor der Kärntnermilch und Präsident der VÖM – Vereinigung Österreichischer Milchverarbeiter sein Referat über die Zukunftschancen der österreichischen Molkereien ein. Seit dem EU-Beitritt 1994 stieg die Milchanlieferung in Österreich um 26 % bei einem Rückgang der Milchlieferanten um 55 % und der Milchkühe um ein Drittel. Der Jahresumsatz stieg um ein Drittel bei einem Rückgang der Unternehmen um 21 %, der Betriebsstätten um 33 % und des Personals um 32 %.

Die Bedeutung der Milchwirtschaft in benachteiligten Gebieten zeige sich daran, dass gerade dort von den Bauern Kontingente zur Anlieferung von Milch gekauft wurden. "Die Milchquotenregelung ist mit 31. März 2015 Geschichte", erinnerte Petschar im Hinblick auf die anstehende Neuorganisation in der Milchwirtschaft.

   

Referent Direktor Helmut Petschar berichtete über Aktuelles aus der Milchwirtschaft und Zukunftschancen und legte dazu zahlreiche statistische Zahlen vor (alle abgebildeten Folien sind aus der ppt-Präsentation von Helmut Petschar - zu Vergrößern anklicken).

Vor welchem weltweiten Hintergrund diese stattfindet, erläuterte Petschar im Weiteren: "Die Weltmilchproduktion stieg vom Jahr 2000 bis 2009 um 20 %, wobei sie in den Staaten der EU-27 annähernd gleich blieb. Deutlich aufgeholt haben die USA, Indien und China. Lag im Jahr 2000 der Weltmarktanteil der EU-27 bei 38 %, so sind es jetzt nur mehr 24 %."

  

Milchwirtschaft in Österreich

Österreichs Milchwirtschaft ist seit Jänner 2010 deklariert gentechnikfrei. "Die Top-Ten der Milchverarbeiter in Österreich setzen jährlich 2,08 Milliarden Euro um", erklärte Petschar und ging auf die Milchpreisentwicklung ein. Vor dem EU-Beitritt lag der Milchauszahlungspreis bei 45 Cent, jetzt liegt er bei 38 Cent. Ein Milchlieferungs-Boykott mit dem Ziel, einen besseren Preis zu erreichen, zeitigte allerdings andere Folgen: Der Handel reagierte mit Importen, die Industrie änderte die Rezepturen, um weniger Milch zu verwenden. 43 % der österreichischen Milchprodukte gehen in den Export, während die Importe bei steigender Tendenz 25,6 % ausmachen.

Petschar ließ Kritik an Milchpreisverleichen anklingen: "Preisvergleiche sollten ehrlich und fair gemacht werden. In Deutschland beträgt die Mehrwertsteuer 7 %, bei uns 10 %." Zudem habe Österreich Strukturnachteile durch die Berglandwirtschaft und kleinere Betriebseinheiten. Leider werde auch nicht die gentechnikfreie und tierschutzgerechte Produktionsweise dabei berücksichtigt.

 

Konzentration im Lebensmittelhandel - immer mehr Konzern-Eigenmarken

Die Zunahme von Importen setzt die heimische Milchwirtschaft ebenso unter Preisdruck wie der Lebensmittelhandel, bei dem Eigenmarken von Konzernen stark im Vormarsch sind. „Hofer, Spar und Rewe halten fast 85 % der Marktanteile im Lebensmittelhandel“, zeigte Petschar auf und ärgert sich über medial geführte Preis-Diskussionen: „1983 kostete ein Liter Milch 80 Cent, heute 85 Cent – sie ist gemessen am Verbraucherpreisindex heute um rund 40 % billiger. Es ist höchste Zeit, dass wir eine Wertediskussion führen.“ 

   

"Höchste Qualität bei billigstem Preis geht nicht - diese Lebensmittelskandale sind hausgemacht", so Petschar, der zu einem "gravierenden Umdenken" auffordert. Im Warenkorb des Verbraucherpreis-Indexes sind nur 12 % für Nahrungsmittel angesetzt, wobei der Anteil der Milchprodukte am gesamten Warenkorb nur 1,64 % ausmache.

Die künftige Mengensteuerung müsse über faire Erzeugerpreise erfolgen, die die Strukturnachteile der österreichischen Landwirtschaft, die gentechnikfreie und tierschutzgerechte Produktionsweise berücksichtige. „Der österreichische Weg führt über die hohe Qualität, glaubhafte Produktstandards, tierschutzfreundliche und gentechnikfreie Milchproduktion, regionale Produktspezialitäten und kontrollierte Herkunft “, sind sich Petschar und Sebastian Wimmer, Obmann des Verbandes der Tiroler Molkerei- und Käsereifachleute einig. „Unser Ziel ist es, dass die österreichische Milchwirtschaft nicht im Eigenmarken-Markt der Konzerne verschwindet“, so Wimmer. 

Genossenschaften sind gute Basis

Für die Zukunft nach Auslaufen der Milchquotenregelung, die ab 2015 verboten ist, sieht Petschar für die österreichische Milchwirtschaft in den Genossenschaften eine gute Basis. Die Bauern bleiben Eigentümer, können Betriebsziele und damit Mengenanlieferung selbst bestimmen und erhalten Abnahmesicherheit. Wichtig sei, auf richtige Produkt-Deklaration als Kaufentscheidung für den Konsumenten hinzuarbeiten. 

Aktivitäten des Verbandes der Käserei- und Molkereifachleute

Der Verband der Käserei- und Molkereifachleute zählt 600 Mitglieder und ist eine freiwillige Berufsvereinigung, zu deren Aktivitäten die Ausrichtung der Käsiade in Hopfgarten, die Durchführung von Betriebsbesichtigungen und der jährlichen milchwirtschaftlichen Wallfahrt auf die Kraftalm bei Itter zählen, die heuer am 21. August stattfinden wird. Die nächste Besichtigungs-Exkursion steht am 13. Juli 2011 zur Almkäserei auf der Aschinger Alm am Programm.

   

Die Vollversammlung tagte im Gasthof Alte Post in Wörgl. Mit dabei: SchülerInnen der Berufsschule in Rotholz mit Direktor Kurt Wimmer (Bild Mitte).

 

An der 10. Käsiade vom 11. bis 13. November 2010 beteiligten sich 120 Betriebe aus acht Ländern mit 302 Käseproben. "Das Ziel ist Qualitätsverbesserung und Präsentation für den Handel", erklärte Obmann Sebastian Wimmer und sieht darin auch eine Wertschätzung für Berufsgruppe der Käserei- und Molkereifachleute.

Die Käsiade schlug sich auch als größter Posten im Kassabericht von Kassier DI Lutz Pfeffer nieder: Sie machte rund 50.000 Euro vom Gesamtumsatz von rund 75.000 Euro 2010 aus. Der Vermögensstand des Vereines liegt bei rund 38.000 Euro. Die Vollversammlung erteilte dem Vorstand die Entlastung.

 

In der Diskussion meldete sich Kurt Wimmer, Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule Rotholz, der mit SchülerInnen an der Vollversammlung teilnahm: "Wie können wir Jugendliche motivieren, diese Berufe zu ergreifen? Wie tritt die Milchwirtschaft an die Jugend heran, um diese zu motivieren?" Helmut Petschar will auch hier mit der Wertediskussion in der Gesellschaft ansetzen: "Die Wertschätzung für die Arbeit der Bauern, der Molkereien sowie für die Qualität von Lebensmitteln ist leider teilweise verloren gegangen. Diese wertvolle Arbeit wird von den Konsumenten zu wenig geschätzt." Dass diese allerdings zu gewinnen seien, zeigte eine Image-Aktion in Kärnten: "15.000 Menschen kamen zu einem Tag der offenen Tür in Kärtner Bauernhöfen - damit konnten wir einen Umsatzrückgang unserer Produkte wettmachen."

   

An der Vollversammlung nahm auch Tirol Milch-Obmann Stefan Lindner teil (Bild links). Obmann Sebastian Wimmer und Verbandsgeschäftsführer DI Stefan Hörtnagl präsentierten das neue Buch. 

Wertschätzung für die Milchwirtschaft spiegelt sich auch im 2010 vom Verband herausgegebenen Buch "Werdegang der Tiroler Milchwirtschaft", das bei der Vollversammlung vorgestellt wurde - Verbandsgeschäftsführer DI Stefan Hörtnagl und die Verbandssekretärin Susanne Köferle stellten den Inhalt zusammen. Übers Verbandsgeschehen informiert zudem eine eigene Zeitschrift.