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Tagung Integration vor Ort in Wörgl am 7. Oktober 2011

  

Im Gespräch über gemeinsame Integrationsbemühungen: Bürgermeisterin Hedi Wechner und Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel (Bild links Mitte) mit IGZ-Geschäftsführer Kayahan Kaya. IGZ-Obfrau Irmgard Moritz hielt eingangs ein Plädoyer für gesellschaftliche Vielfalt und sieht sich durch das MuT-Projekt zu Nachfolgeprojekten ermutigt (Bild Mitte). Seine Wertschätzung für MuT brachte auch Mag. Johannes Gstir zum Ausdruck (Bild rechts).

MuT steht für Multiplikatorenausbildung und Training und wurde vom Integrationszentrum Wörgl in Kooperation mit Wörgls Integrationsbeauftragten DI Peter Warbanoff und Johannes Ungar von „innovia – Wege zur Chancengleichheit“ konzipiert und im Rahmen eines EU-geförderten Projektes umgesetzt. Der Lehrgang umfasste u.a. die Vermittlung von Zahlen und Fakten zum Thema Integration in Tirol, Rassismus-Sensibilisierung, Argumentationstraining gegen Stammtischparolen, Diversity-, Konflikt- und Projektmanagement. Nachdem das IGZ 2010 beim Aufbau des Integrationsnetzwerkes mitwirkte und 2011 MuT durchführte, stehen weitere Projekte an: „Wir wollen eine Integrations-Plattform für den Bezirk Kufstein gründen und 2012 in Wörgl ein Projekt zur Verbesserung der Nachbarschaft in Wohngemeinschaften umsetzen“, teilte IGZ-Geschäftsführer Kayahan Kaya mit.

 
  
Im Tagungshaus Wörgl stellte die Tagung Integration vor Ort  aus dem MuT-Lehrgang entstandene Projekte vor.
 
Impulse und Denkanstöße zur Tagung formulierte Mag. Johannes Gstir, Leiter des Fachbereiches Integration beim Land Tirol. Er bezeichnete „MuT zur Integration“ als vorbildlich, da gemeindeübergreifend zusammengearbeitet wurde. Integration passiere vor Ort in der Begegnung mit konkreten Menschen, wobei Regionalität, Partizipation, Vernetzung und interkulturelle Öffnung Eckpfeiler erfolgreicher Integration seien.
 
  
Vorgestellte Projekte: Judith Essani und Sigrid Hölzl stellten "Der Elefant Elmar" vor, Herbert Folladore das Fußballprojekt auf Kufstein und Isabella Mölk  "Wir lernen dein Zuhause kennen".
 
Markt der Vielfalt
Einige der 17 beim MuT-Lehrgang entstandene Projekte stellten die Teilnehmer dann beim „Markt der Vielfalt“ im Tagungshaus dar. „Der Elefant Elmar“ betitelt sich ein Projekt von Sigrid Hölzl aus Wörgl und Judith Essani aus Kufstein, die mit Mahmut Ince ein Programm für Volksschulkinder mit Liedern über das Anderssein gestalteten. In Kufstein planen Volksschüler eine internationale Weihnachtsfeier und Herbert Folladore stellte das „MOJA-JUFA –Fußball-Projekt“ vor, das am 2. Oktober 2011 erstmals durchgeführt wurde: „Sechs Mannschaften mit Spielern aus unterschiedlichen Nationen waren mit voller Begeisterung dabei. Ziel ist es, dieses Turnier jährlich auszutragen.“
 
„Wir lernen dein Zuhause kennen“ lautet das Motto eines Projektes an der Volksschule 1 in Wörgl, das von Direktorin Isabella Mölk initiiert wurde: „Kinder der ersten Klasse begleiten ihre Mitschüler nach Hause und lernen sich so besser gegenseitig kennen. Eltern, Lehrer und Kinder waren davon begeistert – die Aktion soll als Regelprojekt künftig für die ersten Klassen weitergeführt werden.“ Die Zahl mit Kindern nicht deutscher Muttersprache liege bei den Schulanfängern teilweise in den Klassen über der Hälfte. Bestens bewährt haben sich in Wörgl die Sprachstartklassen: „In den ersten Klassen verstehen heuer alle Kinder so gut Deutsch, dass sie im Unterricht mitkommen.“
  
Von links: Anita Als mit ihrem Projekt "Lesereise ins Andersland", Wörgls Streetwork-Team von Achterbahn mit Sabrina Widmoser (links) und Tobias Muster mit Volksschuldirektorin Isabella Mölk und Wörgls Jugendkoordinator Klaus Ritzer.
 
Eine „Lesereise“ ins „Andersland“ startete die Wörgler Kindergärtnerin Anita Als im Pfarrkindergarten. Muttersprachliche Vorleserinnen lesen aus dem Kinderbuch „Das kleine Ich bin ich“ in deutsch, kroatisch, serbisch und türkisch und stellen dabei den Kindern die jeweilige Landeskultur vor, bringen dazu auch Essen mit. „Die Mütter gestalten diese Lesereise. Nach der ersten Station Kroatien boten sich schon weitere Mütter an, Vorleserin zu sein – das Projekt läuft schon von selbst“, freut sich Als. Den Abschluss bildet dann eine gemeinsame Theateraufführung zum Buch.
 
Die Streetwork-Aktion „Jugendfreiraum“ nützten die Wörgler und Kufsteiner Jugend-Sozialarbeiter für Integrationsprojekte. Während das Achterbahn-Streetwork-Team Sabrina Widmoser und Tobias Muster in Wörgl mit 20 Kindern und Jugendlichen einen Graffiti-Workshop zur Gestaltung der Schulhofmauer in der Volksschule Wörgl organisierten, lud das Kufsteiner Jugendzentrum zum gemeinsamen Besprühen eines Autos und einer Straßenmalaktion. Das Auto steht als Ausstellungsstück in den Galerien und Alexandra Schweiger und Verena Jung halten bereits Ausschau nach privaten Hausbesitzern, die Wände für die Weiterarbeit mit Graffitis zur Verfügung stellen würden.
 
„Mut gegen die Parole“ betitelt Wörgls Jugendkoordinator Klaus Ritzer sein Projekt, das im Dezember 2012 starten soll: „Mich ärgern rassistische Einträge in Internet-Foren und will mit Mut gegen die Parole gegen diese Diffamierungen agieren. Fünf bis acht Leute sollen geschult werden, online aktiv gegen diese Parolen aufzutreten. Wir wollen sehen, was das bewirkt.“
  
Von links: Richard Spindler, Manuel Tschenet und das Kufsteiner Jugendarbeiter-Team Verena Jung und Alexandra Schweiger.
 
Eine Arbeitserleichterung für alle Jugend-Einrichtungen erstellen Richard Spindler und Reinhard Rausch von der LEA-Produktionsschule in Wörgl: „Wir erstellen einen Workshop-Guide mit Angeboten im handwerklichen Bereich. Die Info-Sammlung enthält auch Kontaktdaten und soll ähnlichen Einrichtungen zur Verfügung stehen. Das Ziel ist auch, weitere Partner für das Folder-Projekt zu gewinnen“, erklärte Richard Spindler.
 
„MuT hat uns für das Thema Integration sensibilisiert“, erklärte Manuel Tschenet von den Kufsteiner Stadtwerken, wo man sich nun darüber Gedanken macht, warum bei den 200 Mitarbeitern fast keine mit Migrationshintergrund anzutreffen sind. Was nicht daran liege, dass sich auf Stellenausschreibungen keine Migranten melden. Eine Erfahrung, die auch Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel teilt: „Auf einen ausgeschriebenen Sekretärs-Job kamen 70 Bewerbungen – und keine einzige mit Migrationshintergrund.“ Wie das zu ändern wäre und wie Informationen der Stadtwerke – Stichwort Mülltrennung und Energiesparen – besser an die Zielgruppen vermittelt werden, ist jetzt Inhalt von Mitarbeiterschulungen.
 
   
 
Özlem Aslauer und Naciye Mayaci bei ihrer Projektvorstellung (Bild links). Die Zertifikatsverleihung nahmen die Bürgermeister Hedi Wechner und Martin Krumschnabel mit IGZ-Obfrau Irmi Moritz vor (Bild Mitte). Absolvieren in Wörgl und Kirchbichl ihren Europäischen Freiwilligendienst: Helene Stanguennel und Irina Galabova.
 
„Orient trifft Occident“ benannten Özlem Aslauer und Naciye Mayaci ihr Projekt, das sie als Einladung sehen, Vorurteile und Meinungen zu reflektieren. Am 1. Oktober luden sie 23 Menschen zu einem Treffen ein, bei dem es darum ging, für das Thema Herkunft zu sensibilisieren. Eine Aufstellung im Raum nach eigenem Geburtsort, dem der Eltern und Großeltern machte schnell klar, dass Österreich seit Generationen ein Einwanderungsland ist und das Zugehörigkeitsgefühl zu einer Kultur nicht immer mit dem Geburtsort übereinstimmt.
 
Den Abschluss des informativen Vormittags bildete nach der Zertifikats-Verleihung Small-Talk bei einem köstlichen kalten Buffet, das von den beiden Teilnehmerinnen des Europäischen Freiwilligendienstes Irina Galabova aus Bulgarien, derzeit im Einsatz bei Pro Juventute in Kirchbichl, sowie von Helene Stanguennel aus Frankreich, die das Wörgler Jugend-Team unterstützt und im Komma mitarbeitet, zubereitet wurde.
 
Weitere Bilder von der Tagung Integration vor Ort hier in der Galerie...
 
Thema am Rand: ATIB
Aus aktuellem Anlass gingen Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner und Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel in ihren Statements auf die aktuellen Entwicklungen betreffend ATIB ein. Hedi Wechner betonte, dass es beim Nachbarschaftskonflikt mit dem türkischen Kulturverein in Wörgl um die Einhaltung bestehender Gesetze gehe.
 
„Wir wurden österreichweit in den Medien als rückständig und hinterwäldlerisch dargestellt“, ärgert sich Kufsteins Bürgermeister Martin Krumschnabel und kritisiert das bestehende Tiroler Raumordnungsgesetz, dessen Anwendung zu den bekannten Problemen geführt habe: „Im Raumordnungsgesetz ist ganz klar festgelegt, in welcher Widmungssparte was erlaubt ist. Eine Widmung für ATIB ist demzufolge im Mischgebiet nicht möglich. Es ginge nur im Wohngebiet, wenn   das dem kulturellen Bedarf der Gegend dient. Weiters im Kerngebiet sowie auf auszuweisenden Sonderflächen.“ Der ablehnende Bescheid   sei gesetzeskonform von der Stadt als Baubehörde erteilt worden: „Das war keine politische Entscheidung, sondern nur die Einhaltung der gültigen Rechtslage“, so Krumschnabel. Es sei unredlich, die fehlende landesgesetzliche Basis den Gemeinden anzulasten: „Wir brauchen entsprechendes gesetzliches Handwerkszeug“, fordert Krumschnabel eine Gesetzesänderung.
 
Ob in Kufstein durch Ausweisung eine Sonderflächenwidmung zustande kommt – den Antrag dazu brachte Gemeinderat Andreas Falschlunger im Bauausschuss ein, sei offen. „Vorgeschlagen wurde ein Mediationsverfahren mit den Nachbarn“, berichtete Krumschnabel, der viel von dem Verfahren hält – allerdings unter gewissen Voraussetzungen: „Bevor wir uns auf dieses Verfahren einlassen, bei dem alle Einwände geprüft und Lösungen gesucht werden, muss in der Politik Konsens darüber herrschen, dass wir das Ergebnis auch akzeptieren und bei einem positiven Ausgang eine Sonderflächenwidmung vornehmen. Die Politik muss sich dazu bekennen.“