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Diskussion um Jugendfreiräume in Wörgl
vero / 24.11.2011 09:09
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Wörgl  Tagungshaus  Jugend  Diskussion  Freiräume  Talk-um-4 

  

Tagungshaus-Mitarbeiterin Rita Hauser begrüßte zum 4. Talk um 4. Im interessierten Publikum waren u.a. Wörgls LA21-Berater DI Peter Warbanoff, von dem die Initiative zur Veranstaltung ausging, sowie Wörgls Streetwork-Team Achterbahn - hier im Bild in der Mitte Sabrina Widmoser links - und Irmi Moritz und Kayahan Kaya vom Integrationszentrum Wörgl (Bild Mitte). Wörgls Raumordnungsreferentin DI Bettina Müller stellte sich Anregungen wie Kritik.

"3.000 junge Menschen unter 20 Jahren leben in Wörgl", teilte Wörgls Raumordnungsreferentin GR Bettina Müller in ihrem Einleitungs-Statement mit. Die Frage "Haben wir Freiräume?" beantwortete sie mit "ja, wir haben Spielplätze, Wiesen zum Fußballspielen, den Skaterplatz, den Beachvolleyballplatz und rund um Wörgl Wälder und Naherholungsräume und Sportstätten. Aber - der Raum allein ist nicht das zentrale Thema für die Förderung der Kreativität - das braucht pädagogische Betreuung, und die bietet Wörgl auch mit der umfangreichen Jugendabteilung, die vieles abdeckt." Auf geänderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen müsse aber nicht nur die Stadt reagieren - Müller will auch die Eltern in die Pflicht nehmen und wieder "mehr Kinder- und Jugendbetreuung in den Familien".

"Die Jugend ist keine homogene Gruppe - man geht heute von der Altersgruppe der 12 bis 25jährigen aus", erklärte Wörgls Jugendkoordinator Klaus Ritzer. Beim Thema Freiraum gehe es nicht nur um örtliche Räume, sondern auch um Gesinnung und Einstellungen. So seien Kinder und Jugendliche mit vielen Regeln und Einschränkungen konfrontiert - Kinderspielplätze mit Altersgrenzen und Öffnungszeiten, zugesperrte Plätze wie der Funcourt beim Pflichtschulzentrum.

Langweilige Spielplätze...

"Spielplätze sind vielfach sehr konsumistisch und konsumorientiert", bestätigte Georg Mahnke, der sich beruflich mit Jugendbegleitung und der Planung von Spielplätzen unter Einbeziehung der Nutzer beschäftigt. Es gehe bei der Gestaltung um die Qualität des Platzes, um Erlebnisinhalte: "Eine Schaukel und ein Sandkasten bieten nicht viele Möglichkeiten." Das zentrale Thema sei die Beteiligung der Nutzer bei der Gestaltung öffentlicher Spielplätze, wobei Mahnke dabei auf das vorbildhafte Vorarlberger Modell verweist: "Das Land gewährt nur Förderungen, wenn von der Gemeinde ein Spielraum-Gesamtkonzept vorgelegt wird, das gemeinsam mit der Bevölkerung erstellt wurde. Der Bedarf wird erhoben, von einem Raumplaner begutachtet. Dann gibt es bis zu 70 % Förderung. Geregelt ist das im Spielraum-Gesetz, in das die Kinderrechtskonvention der UNO aufgenommen wurde." Mahnke sieht in dieser Vorgangsweise eine Chance für Wörgl: "Wörgl hat mit der Lokalen Agenda eine Kultur der Beteiligung und will jetzt familiengerechte Gemeinde werden."

"Was brauchen Kinder, um gesund aufzuwachsen?" - nach diesem Gesichtspunkt argumentierte die Ergotherapeutin Ursula Costa für eine Umgebungsgestaltung, die neben körperlicher Bewegung neue Formen eines gesunden und wertvollen Miteinanders fördern.

Sportstätten-Benützung optimieren

"Grundsätzlich gibt es Freiräume, auch Rückzugsräume, wir sind hier privilegiert", räumte Streetworker Tobias Muster ein. Allerdings seien viele genutzte Plätze privat, die Nutzung vom Wohlwollen der Eigentümer abhängig - wie etwa die M-preis-Tiefgarage oder derzeit der Pavillon im Gradlanger, der sich nach Auflassung des Biergartens zum beliebten Treffpunkt der Kids entwickelt hat. Bei der Sportstättennutzung stehen viele Jugendliche vor Hürden: Teilweise ist Vereinsmitgliedschaft Voraussetzung, Hallen-Plätze sind rar. "Wer im Funcourt Ball spielen will, muss sich vorher bei der Stadt anmelden und eine Kaution von 145 Euro zahlen", so Muster. Eine Lösung wäre hier, wenn das Jugendzentrum ZONE an einem Nachmittag in der Woche hier aufsperren könnte.

Der Skaterplatz am Inn biete den Jugendlichen einerseits einen nicht kontrollierten Freiraum, andererseits sei er für Anfänger wenig geeignet, wie die beiden anwesenden Jugendlichen bestätigten. Zur Benutzerfreundlichkeit trägt auch nicht gerade bei, dass es weder Wasser noch ein WC am Gelände gibt. Was die vorwiegend männlichen Benützer nicht stören mag, aus hygienischer Sicht allerdings sehr wohl Fragen aufwirft.

Alkoholverbot und andere Regeln...

"Wozu wurde das öffentliche Alkoholverbot eingeführt und wer kontrolliert es? Es gibt ja ohnehin das Jugendschutzgesetz", richtete Streetworkerin Sabrina Widmoser die Frage an die Stadt. Bettina Müller rechtfertigte die Vorgangsweise mit Vorfällen, auch auf Spielplätzen - zurückgelassene Party-Reste wie Scherben gefährden die Sicherheit. Die Kontrolle sei Aufgabe der Stadtpolizei, die allerdings am Wochenende nicht im Einsatz ist.

"Das Verbot verhindert nicht Alkoholkonsum, es verdrängt ihn nur aus dem öffentlichen Raum - und damit erreichen wir die Leute auch nicht mehr", zeigte Klaus Ritzer die Problematik für die Jugendarbeit auf. Zudem sei das Verbot in der Bahnhofstraße angesichts der öffentlichen Feste mit Alkoholausschank zu hinterfragen.

Der Wunsch nach mehr Sportstättennutzung für Jugendliche ohne Vereinszugehörigkeit kam bei Volksschuldirektorin Isabella Mölk schlecht an: Durch zurückgelassenen Müll seien die Plätze nicht mehr benutzbar, in den Hallen verschwinden Geräte oder werden kaputt gemacht - ohne Kontrolle habe man bisher nur schlechte Erfahrungen gemacht.

"Es ist schade, wenn 99 % auf etwas verzichten müssen, nur weil sich 1 % daneben benimmt", wandte Klaus Ritzer ein und plädierte ebenso wie Ursula Costa und Sabrina Widmoser dafür, einen gangbaren Weg zu finden - zwischen wünschenswerter pädagogischer Aufsicht und mit den Jugendlichen erarbeiteten Nutzungsvereinbarungen, die sie auch in die Verantwortung fürs Aufräumen nehmen.

 

  

Viele Anregungen in der Diskussionsrunde mit Georg Mahnke, Klaus Ritzer, Bettina Müller und Ursula Costa.

Großes Lob für den Spielplatz in der Ladestraße

Ein Plädoyer für die Erhaltung des umstrittenen Spielplatzes in der Ladestraße kam von Nutzern ebenso wie von Volksschuldirektorin Isabella Mölk: "Der Spielplatz wird sehr gut angenommen und der Austausch mit Migrantenkinder funktioniert hier und ist wichtig. Ich bin auch Anrainerin und verstehe nicht, wie man dagegen eine Unterschriftenaktion durchführen kann." Die optisch wenig ansprechende Einzäunung hat auch ihre Vorteile, wie eine Spielplatzbenützerin bestätigte: "So bleibt der Platz sauber, auch in der Nacht kommen keine Hunde und Katzen rein." Raumordnungsreferentin Bettina Müller bestätigte, dass der Spielplatz bestehen bleibt, weitere Flächen für Kinder und Jugendliche in diesem Stadtteil vorgesehen seien. Vorgesehen seien von der Stadt zudem ein Waldspielplatz beim Badl sowie der Spielplatz in der Bodensiedlung beim Egerndorfer Wohnpark. Dass der geplante Spielplatz beim M4 am Widerstand der Anrainer bisher scheiterte, obwohl dessen Errichtung vor dem Einzug den Wohnungsmietern bzw. -eigentümern bekannt war, bedauert Müller.

Viele Kleinkinderspielplätze - aber keine für Jugendliche

"Wohnungsnahe Kleinkindspielplätze gibt es meistens genügend - aber keinen Platz für Jugendliche", schildert Georg Mahnke aus seiner Arbeit die gängige Praxis, dass beim Bau von Wohnanlagen keine freie Flächen für solche Nutzungen zur Verfügung stehen. "Jugendliche sitzen heute viel, sie brauchen dringend Ausgleich für eine gesunde Entwicklung und selbst bestimmte Tätigkeiten", forderte auch Ursula Costa ein.

Die Frage, ob die Stadt Wohnbaugesellschaften Spielplätze und Freiflächen für Jugendliche etwa für Basketball, Streetsoccer, Federball u.ä. nicht vorschreiben könne, verneinte Bettina Müller: "Das ist gesetzlich nicht möglich. Wenn ein Spielplatz im Umkreis von 300 Metern ist, braucht kein eigener gebaut werden." Was allerdings angesichts verordneter Parkplätze - die meist ein vielfaches des Platzes für Kinder und Jugendliche ausmachen - auf Unverständnis stößt. Was der Stadt allerdings möglich ist: Bei Grundverkäufen für Wohnbauten Grundabtretungen für Spielplätze zu verlangen. Müller: "Das praktizieren wir bereits." Und verweist auf das Stadtpark-Servitut am Fischerfeld sowie auf die Neugestaltung der Südtiroler Siedlung.

Konkrete Anliegen

Mit einem konkreten Anliegen kamen zwei Jugendliche, Kemal und Alex zum Talk um 4: Sie suchen einen Raum, wo sie Breakdance ausüben können. Dafür sei die ZONE ungeeignet, bestätigte auch Klaus Ritzer. Der Wunsch wurde von Bettina Müller ebenso registriert wie die Problematik, dass der Gradlanger als Treffpunkt ab Baubeginn im Frühjahr wegfällt, die Eröffnung des Stadtparks Fischerfeld in unmittelbarer Nähe aber vom Gemeinderat auf die lange Bank geschoben wurde. Der Gradlanger bot jetzt ein optimales Umfeld - Wetterschutz im Pavillon, Bäume zum Slacklinen, in unmittelbarer Nähe WC-Anlagen.

Da für Burschen schon viele Angebote bestehen, brachte IGZ-Obfrau Irmi Moritz das Anliegen ein, Mädchen zu beteiligen und deren Bedürfnisse im Rahmen einer Tagung zu ermitteln. Gefragt sind zudem auch weiterhin Proberäume für junge Bands

"Ich nehme mit, dass es einen unbeaufsichtigten zentralen Platz braucht", stellte Bettina Müller fest und wünscht sich einen Kinder- und Jugendstadtplan, in dem Einrichtungen, Vereine mit Jugendarbeit, Sportstätten, Jugend-Infrastruktur und Veranstaltungen aufgenommen werden. Bestenfalls mit Familienangeboten - wobei Klaus Ritzer auf ein derartiges Projekt in Innsbruck aufmerksam machte, das aufgrund der unterschiedlichen Zielgruppen den Jugendstadtplan vom Familienstadtplan trennt.

Einen Wunsch teilten am Schluss der konstruktiven Veranstaltung alle - dass diese Diskussionsrunde nicht die letzte war und die Jugend weiter bei der Gestaltung öffentlicher Plätze und Räume einbezogen werden soll: "Es ist wichtig, die Jugendliche zu bestärken, ihre Wünsche selbst zu sagen. Und auf Entscheidungsträgerebene dann zu erklären, was geht und was nicht geht", erklärte abschließend Klaus Ritzer, der auch auf den laufenden Jugendbeteiligungsprozess "Lerne deine Stadt kennen und sie wird dich kennenlernen" hinwies. Bei diesem EU-geförderten Beteiligungsprojekt erhalten engagierte Jugendliche für die Umsetzung ihrer Projekte bis zu 3.000 Euro.

    

Interessierte Diskussionsrunde mit Anliegen beim Talk um 4 im Tagungshaus Wörgl.