„Die Ergebnisse sind so ausgezeichnet, dass wir damit jetzt an die Öffentlichkeit gehen“, betonte Kufsteins Bezirksschulinspektorin Margarethe Egger am 16. Dezember 2011 in Wörgl und präsentierte gemeinsam mit Josef Federspiel, Landesschulinspektor für Sonderpädagogik, Wörgls Volksschullehrerin Isabella Mölk und Lehrpersonen der Volksschule die ersten Erfahrungen mit dem Schulversuch der Sprachstartklassen.
Als Lehrer in Telfs kennt Josef Federspiel, auch Bildungsreferent der Gemeinde, die Schwierigkeiten der Kinder: „Ohne Deutschkenntnisse ist der Schuleinstieg ein negatives Erlebnis für die Kinder. In der Sprachstartklasse, die nach einem eigens entwickelten Lehrplan als Vorschulklasse geführt wird, unterstützt eine mehrsprachige Schulassistentin die Lehrperson.“ Die Sprachförderung zielt dabei nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf die Muttersprache ab. „Auch die Stärkung der Muttersprache ist wichtig“, so Federspiel, da es wissenschaftlich erwiesen ist, dass die Kompetenz der Erstsprache Grundlage für jede neu zu erlernende Sprache ist.
„Die Sprachstartklasse ist keine Ghettoisierung!“ betont Bezirksschulinspektorin Margarethe Egger und sieht Ängste der Eltern in fehlender Information über den gelebten Schulalltag. Die Kinder der ersten Sprachstartklasse in Wörgl, die als eine von drei Vorschulklassen geführt wird, sind mittlerweile alle aufgestiegen in die erste Klasse, aufgeteilt auf sechs Klassen. Sie können jetzt mühelos den Anweisungen folgen und mit ihren Klassenkameraden kommunizieren, es gibt keine sprachlichen Hindernisse. „Das ist eine große Erleichterung“, betont VS-Direktorin Isabella Mölk.
Die nach dem ersten Jahr erzielten beeindruckenden Erfolge sind auch durch eine universitäre Begleitstudie von Birgit Heinrich dokumentiert. Die Überprüfung von Wortschatz und Hörverständnis zeigen die enorme Leistungssteigerung bei den Kindern. „Der erstaunlichste Kompetenzzuwachs lässt sich im Hörverständnis von Texten festhalten“, heißt es in der Auswertung. Der größte Erfolg liege im aktiven Sprechen und im aktiven Gebrauch grammatikalischer Grundstrukturen der deutschen Sprache.
„Bis Weihnachten lief der Unterricht doppelsprachig, ab dem Semester haben die Kinder dann fast alles auf deutsch verstanden“, berichtet Sprachstartklassenlehrerin Karin Schwaiger-Brettner, die im Unterricht ihre Ausbildungen in Montessori-Pädagogik, Dyskalkulie und Legasthenie sowie Sprachheilkunde einbringt und von Schulassistentin Sati Zorlosoy unterstützt wird. Sati kam mit 15 Jahren aus der Türkei nach Österreich, absolvierte die Abendhandelsakademie und lebt seit vier Jahren in Wörgl: „Ich kann den Kindern nachfühlen, wie es ihnen geht – sie lernen wirklich sehr viel in diesem Jahr, das ist ein Supersprachtraining.“
Die Sprachstartklasse besuchen allerdings nicht nur Kinder mit türkischer Muttersprache- heuer sind unter den elf SchülerInnen zwei serbische und ein tschechisches Kind – und nicht nur Kinder der ersten Schulstufe. „Wer ohne Sprachkenntnisse an die Schule kommt, erhält Deutschunterricht in der Sprachstartklasse, bei anderen Fächern wie Rechnen, Zeichnen, Werken oder Turnen besucht das Kind schon seine künftige Klasse“, erklärt Isabella Mölk. Bei raschem Lernerfolg werden Kinder auch während des Schuljahres aufgestuft.
Nachahmenswerter Schulversuch: Bezirksschulinspektorin Margarethe Egger, Landesschulinspektor Josef Federspiel, VS-Direktorin Isabella Mölk, Schulassistentin Sati Zorlosoy und Lehrerin Karin Schwaiger-Brettner stehen hinter dem Unterrichtsmodell Sprachstartklasse und ihren Kindern, hier im Bild mit einem Teil der Sprachstartklasse (Bild links v.l.). Bild Mitte: Der Unterricht läuft nach einem eigens erarbeiteten Lehrplan mithilfe unterstützender Materialien. Bild rechts: Landesschulinspektor Josef Federspiel, Bezirksschulinspektorin Margarethe Egger und VS-Direktorin Isabella Mölk.
Alle Beteiligten sprechen sich für eine Fortführung dieses Unterrichtsmodelles aus, das sich ganz an den subjektiven Bedürfnissen des Kindes orientiert und das derzeit in Telfs, Wörgl, Schwaz und Imst praktiziert wird. Interesse an Sprachstartklassen meldeten bereits Innsbruck, Reutte, Hall und Kufstein an. „Das Land finanziert zur Hälfte die nötigen Sprachassistenten. Jede Gemeinde erhält derzeit jährlich 7.500 Euro“, erklärt Josef Federspiel. Die andere Hälfte der Kosten tragen die Gemeinden.
Die Einschreibung in Sprachstartklassen erfolgt nach Feststellung der Sprachkompetenz beim Schuleintritt und ist nicht an die Zustimmung der Eltern gebunden. „Die Schulleitung entscheidet, ob Kinder die Vorschule, die Sprachstartklasse oder die 1. Klasse besuchen“, erklärt Federspiel, wobei die Sprachstartklasse zur regulären Pflichtschulzeit zählt und maximal 15 SchülerInnen aufweist, was individuelle Lernförderung ermöglicht.
Die engagierten Lehrpersonen setzen dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern. „Wir haben wöchentlich Kontakt, geben Anleitungen, wie mit den Kindern geübt werden soll, was auch in den Ferien gemacht wird“, freut sich Karin Schwaiger- Brettner. Und noch ein schöner Nebeneffekt: Mit ihrer Freude am Lernen stecken die Kinder auch ihre Eltern an, die gleich mitlernen!