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Vortrag mit Diskussion im Volkshaus Wörgl über Echte Gesamtschule

   

Im Volkshaus Wörgl diskutierten Interessierte aus dem gesamten Tiroler Unterland - im Bild links aus dem Zillertal - mit Referent Prof. Dr. Rupert Vierlinger (Bild rechts).

"Eine echte Gesamtschule umfasst die Schulstufen der Volksschule sowie der Hauptschule - erst danach soll eine Sortierung der Schülerinnen und Schüler nach Interessen und Begabungen erfolgen", leitete Irmgard Egger, SPÖ-Landesfrauenvorstand im Bezirk Kufstein und Gemeinderätin, den Diskussionsabend ein. Die Neue Mittelschule erfülle nicht die Kriterien der echten Gesamtschule. Egger: "Solange es eine Unterstufe Gymnasium gibt, ist eine echte Gesamtschule auch nicht möglich."

Dr. Rupert Vierlinger, selbst Lehrer, ehemaliger  langjähriger Direktor der Pädagogischen Akademie der Diözese Linz und Ordinarius für Schulpädagogik an der Universität Passau, lernte das Schulsystem aus vielen Perspektiven kennen und plädiert für eine "echte" Gesamtschule aller Kinder bis 14 Jahre.

Die Herausforderung für das Bildungssystem sei "die Verschiedenartigkeit der Kinderköpfe". Während das heutige Schulsystem die Kinder sortiert und in unterschiedlichen Schultypen einstufe, will Vierlinger auf diese frühe Selektion verzichten und stattdessen durch "variieren der Methoden" auf die altersmäßige und leistungsmäßige Verschiedenartigkeit der Kinder eingehen.

Vierlinger nimmt dabei den gängigen und immer wieder zitierten Leistungsaspekt genau unter die Lupe. Die Leistungseliten seien nicht die Leistungsträger. "Mit welchem Recht bezeichnet sich die jetzige Schule als leistungsfähig? 20 % der Schulabgänger können nach 9 Jahren nicht sinnverständig lesen und 5.000 Schüler verlassen jedes Jahr die Schule ohne Abschlusszeugnis nach der Pflichtschulzeit", so Vierlinger. Von den Lerninhalten werde viel vergessen. "Da ware es besser, man würde die Schüler fragen, was sie interessiert und da gezielt ansetzen." Erschreckende Defizite stellten Studien, u.a. unter angehenden Physikstudenten fest: Nur wenige Grundkenntnisse wurden beherrscht. Vierlinger: "Die Testfragen waren aus dem Lehrbuch der 3. Klasse Hauptschule entnommen - nur 41 % der Studierenden konnten die Aufgaben lösen, 59 % nicht."

"Das traditionelle Schulsystem sollte nicht stolz Leistung verkünden und behaupten, mit der Gesamtschule werde Leistung vernichtet", so Vierlinger. Eine Interessensdifferenzierung  sei erst ab 14 Jahren legitim - dann hätten sich Begabungen herauskristallisiert. Als Argument dafür schickt Vierlinger auch die Pisa-Testergebnisse ins Rennen: "Die Siegerländer haben alle ein Gesamtschulsystem." Es gelte, die Schwachen mitzunehmen - diese auszugrenzen könne sich ein demokratisches Schulsystem nicht leisten. Das Leistungsargument sei vorgeschoben, das eigentliche Argument sei oft Statusdenken. Vierlinger ist überzeugt, dass im Bezug auf Leistung "die Gesamtschule durch Variierung der Methoden ein besseres Ergebnis bringt."

Für alle, die sich eingehender mit Vierlingers Argumentation befassen wollen: Das Bildungs-TV bringt einen Vortrag von Prof.Dr. Hubert Vierlinger  online auf http://bildungs.tv/bildungsthemen/bmukk/1372/plaedoyer-fuer-gesamtschule