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Pressekonferenz des Integrationszentrums Wörgl zum Projekt HAUS.GEMEIN.SCHAF(F)T. am 5. Juni 2012

"Das Thema Integration ist eine Querschnittsmaterie und betrifft nicht nur Zuwanderung", betonte IGZ-Obfrau Irmgard Moritz einleitend bei der Präsentation des Projektes "HAUS.GEMEIN.SCHAF(F)T.", das praxistaugliche Angebote für die Verbesserung des Zusammenlebens in Wohnanlagen und den Aufbau nachhaltiger Strukturen im Gemeinwesen im Bereich ehrenamtlichen Engagements zum Ziel hat. Konflikte seien oft Folge mangelnder Kommunikation und unterschiedlicher Lebenskonzepte.

"Wir wollen mit dem Projekt Hausgemeinschaft zur Versachlichung beitragen und bauen auf die Empfehlungen des Handbuches vom Innsbrucker Pilotprojekt auf", erklärt IGZ-Geschäftsführer Kayahan Kaya. Die Erarbeitung konkreter Problemlösungen erfolgt im Rahmen eines Beteiligungsprojektes, in das die Hausverwaltungen ebenso eingebunden sind wie die Bewohner. "Wir haben bisher eine Wohnumfeld- und Sozialraum-Analyse, eine Mieterbefragung und Experteninterviews durchgeführt. Alle Ergebnisse wurden bei drei Hausversammlungen diskutiert, eine folgt noch. Als erster Schritt zur Verbesserung wurden Aktionsgruppen in den Wohnanlagen gebildet, die mit Begleitung selbst Ideen und Lösungsvorschläge entwickeln sollen." Die Bewohner selbst sollen Experten für ihre Wohnanlage werden.

Die nächsten Schritte sind die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen, deren Wünsche sollen ebenso berücksichtigt werden. Die Einrichtung von Info-Points und Café-Nachmittage sollen Begegnungsräume schaffen, Infoaustausch ermöglichen und Ideen sammeln. Für den Spätsommer sind dann die ersten Umsetzungsschritte geplant.

Alltägliche Probleme: Müll, Spielplätze, Parken, Hausordnungen - Integration und Lärm sind Randthemen

"Probleme gibt es in allen Wohnanlagen - kleinerer und größerer Art", weiß Vizebürgermeisterin Sozialreferentin Evelin Treichl aus ihren Sprechstunden und zeigt sich zur Halbzeit des Projektes überrascht von den ersten Ergebnissen, die in Form von Mieterbefragungen am Tisch liegen.  Das Thema Integration ist bei Nachbarschaftskonflikten längst nicht das Hauptthema - es geht um Mülltrennung, Hausordnungen, Putzpläne, Spielplätze und Parkplätze. Auch das Thema Lärm taucht nur als Randthema auf.

"Die Aktionsgruppen sind sehr engagiert am Werk", berichtet Georg Mahnke, der als Leiter des Innsbrucker Hausgemeinschaftsprojektes auch im Wörgler Projekt-Team aktiv mitarbeitet. Ziel des Innsbrucker Projektes war Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Das entstandene Handbuch mit Empfehlungen dient als Basis für den Praxiseinsatz in Wörgl. "Was wir aus den Innsbrucker Erfahrungen gelernt haben ist, dass es unterstützende Strukturen für Nachbarschaftshilfe braucht - Hausvertrauenspersonen und Jugendbetreuung."

Die Wörgler Aktionsgruppen beschäftigen sich mit Themen wie Hausvertrauenspersonen und deren Zuständigkeiten oder der Organisation von Wohnanlagen-Festen zum besseren Kennenlernen der Nachbarn. "Wer seine Nachbarn kennt, fühlt sich sicherer", sagt Sabrina Widmoser, die ebenso wie ihr Streetwork-Kollege Tobias Muster eine der Aktionsgruppen betreut. Weitere Punkte sind die Gestaltung der Außenanlagen und Spielplätze sowie des Wohnumfeldes, wobei hier auch Generationenkonflikte zutage treten.

Konflikte sollen in den Hausgemeinschaften nicht schöngeredet werden, sondern unter Einbindung aller Beteiligten bestmöglich gelöst werden. Den Projektverantwortlichen ist die Einbindung der Betroffenen besonders wichtig - sie sollen an der Entwicklung von Lösungen mitwirken und befähigt werden, sie für die Gestaltung ihres Lebensraumes selbst zu engagieren.

Von links: Integrationsreferent GR Christian Kovacevic, Landesintegrations-Beauftragter Hannes Gstir, Vizebgm. Evelin Treichl.

Nachhaltige Strukturen schaffen

Parallel zur Arbeit in den Wohnanlagen zielt das Wörgler Hausgemeinschafts-Projekt auf den Aufbau von Gemeinwesenstrukturen, die das Thema weiterbearbeiten und das gewonnene Know-How auch anderen Wohnanlagen zur Verfügung stellen. "Es geht um konkrete Angebote für ehrenamtliches Engagement", so Kayahan Kaya. Damit befassen wird sich der in Gründung befindliche neue Verein für Jugend, LA21 und Integration, geplant sich auch Workshops für Nachbargemeinden. Die Erkenntnisse und Ergebnisse aus dem Projekt sollen als Grundlage für die Entwicklung von nachhaltigen Strukturen auf kommunaler und regionaler Ebene dienen. Im Zentrum stehen dabei Strukturen, die Angebote zur ehrenamtlichen und gemeinwesenorientierten Integrationsarbeit wie Nachbarschaftshilfe oder Selbstvertretung von BewohnerInnen entwickeln und koordinieren.

"Das nächste Treffen des Wörgler Integrationsnetzwerkes am 4. Oktober 2012 wird sich mit dem Thema Wohnen befassen", kündigt Kayahan Kaya an, ebenso einen Vortrag der wissenschaftlichen Begleiterin Univ.-Prof. Mag. Dr. Gudrun Biffl, Dekanin an der Fakultät für Kommunikation und Globalisierung an der Donau-Universität Krems.

Das Wörgler Pilotprojekt HAUS.GEMEIN.SCHAF(F)T. läuft von 1. Jänner bis 31. Dezember 2012, zur Finanzierung des Projektbudgets in Höhe von 80.000 Euro tragen der Europäische Integrationsfonds, das Innenministerium, das Land Tirol, die Stadt Wörgl sowie die vier beteiligten Wohnbauträger Neue Heimat Tirol, WohnungsEigentum, Frieden und Alpenländische Heimstätte bei. Dass das Integrationszentrum damit das 3. EU-geförderte Projekt an Land ziehen konnte, freut Integrationsreferent GR Christian Kovacevic ebenso wie der nachhaltige Ansatz, der "die Leute animiert und für dauerhafte Verbesserungen sorgt."

Sehr zufrieden mit dem Projektverlauf: Dr. Dietmar Härting/Baugenossenschaft Frieden, Integrationsreferent GR Christian Kovacevic, IGZ-Obfrau Irmi Moritz, Dr. Anna Zátura-Rieser/WohnungsEigentum, Ing. Mag. Martin Geisler/Alpenländische Heimstätte, DI Heidi Geisler/Neue Heimat Tirol und Vizebgm. Evelin Treichl.

Positives Echo bei den Wohnbauträgern

Froh über das Zustandekommen des Projektes zeigt sich Hannes Gstir, Leiter des Landesintegrationsreferates ebenso wie die Vertreter der Wohnbauträger. "Es geht darum, gegenseitiges Verständnis zu erwirken. Wir haben dadurch schon gute Wege aufgezeigt bekommen", erklärt Mag. Dr. Anna-Maria Zátura-Rieser von der WohnungsEigentum und meint, dass das Projekt eine Senkung der Betriebskosten bei Heizung und Müll zur Folge haben kann. Schon aus dem Innsbrucker Projekt zog auch die Neue Heimat Konsequenzen - "bei der Kinder- und Jugendbetreuung, auch eine Einzugsberatung führen wir jetzt durch", erwähnt DI Heidi Geisler.

Wenn es um Nachhaltigkeit geht, geht es auch um Strukturen wie Architektur und Freiraumgestaltung. Auch hier gibt es erste Erkenntnisse hinsichtlich der Baudichte. "Höher bauen mit mehr Grünraum in der Anlage wird als angenehmer empfunden", so Dr. Dietmar Härting von der Baugenossenschaft Frieden, der auch für die Spielplatzgestaltung seine Lehren aus der Praxis zieht und hier die Gemeinden gefordert sieht: "Besser die Gemeinde errichtet einen großen Spielplatz für mehrere Wohnanlagen und die Wohnbauträger beteiligen sich daran, als jede Wohnanlage baut winzige Spielplätze." Deren Betreuung sei auch teuer und sei meist nur für Kleinkinder geeignet, während größere Spielplätze auch für ältere Kinder und Jugendliche interessant gestaltet werden können.

Nicht gut komme bei den Bewohnern der Drang der Architekten zur Schaffung öffentlicher Flächen in Wohnanlagen an, wie Zátura-Rieser betont: "Öffentlich zugängliche Freiräume werden nicht geschätzt - hier kommt es immer wieder zu Problemen mit Hunden und Camping." Der Aufenthalt ortsfremder Personen gebe ein Gefühl der Unsicherheit.

Besonders in punkto Spielplätze sieht sich Vizebgm. Evelin Treichl angesprochen: "Die Stadt wird künftig mehr darauf achten, das ausreichend Spielplätze beim Bau von Wohnanlagen geschaffen werden und nicht nur alibimäßig." Umgesetzt werde dieser Ansatz bereits beim Wohnbauprojekt im Gradlanger.

Weitere Infos zum Projekt auch auf www.hausgemeinschafft.eu