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Pressekonferenz am 20. Juni 2012 zur weiteren Vorgangsweise betreffend WIG und Nordtangente
vero / 20.06.2012 13:36
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Wörgl  Nordtangente  Stadt  Verkehr  Straßenbau  WIG 

  

Den Ernst der Lage schilderten bei der Pressekonferenz im Stadtamt am 20. Juni 2012 Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner und die WIG-Aufsichtsräte GR Christian Pumpfer (Aufsichtsrat-Vorsitzender), Vizebgm. Dr. Andreas Taxacher und Stadtradt Dr. Daniel Wibmer (von rechts nach links).

"Auf Antrag der Geschäftsführung ergeht aus dem Aufsichtsrat der WIG die Empfehlung an den Wörgler Gemeinderat, die operative Tätigkeit der WIG einzustellen und diese an die Stadtgemeinde zu übergeben", teilte Wörgls Bürgermeisterin Hedi Wechner das Ergebnis einer langwierigen Prüfung der Angelegenheit mit, zu der auch externe Expertisen eingeholt wurden. In weiterer Folge sei auch an eine Auflösung der Gesellschaft gedacht, was derzeit noch geprüft werde.

Die WIG wickelte seit 2003 den Bau der Rupert Hagleitner-Straße, der Fuß- und Radwegunterführung Wörgl Mitte sowie der Haupterschließungsachse für das neue Gewerbegebiet im Westen der Stadt, bekannt als Nordtangente, inklusive  Kreisverkehr Wörgl-West ab.

Die Nordtangente - eine Chronologie des Scheiterns...

Natürlich bewegt angesichts der aktuellen Entwicklung die Vorgeschichte die Gemüter. War das Desaster absehbar? "Die Sache hat erfolgversprechend begonnen. Bei der Gründung der WIG 2003 lag eine aufsichtsrechtliche Genehmigung der Gemeindeaufsichtsbehörde vor, ebenso eine positive Stellungnahme des Finanzamtes Kufstein", teilt Bürgermeisterin Hedi Wechner mit. 2007 zogen mit einer anderen Einschätzung durch die Finanzbehörden erste dunkle Wolken auf - mit dem Kostenvorteil durch Vorsteuerabzug wars vorbei, bei der Stadt langten Umsatzsteuernachforderungen ein. Das Ergebnis der Großbetriebsprüfung 2007 durch das Finanzamt Kufstein wich in der Beurteilung der Sachlage wesentlich von den Ansichten 2003 ab. Die daraus resultierenden Bescheide wurden von der Stadt beeinsprucht, das Verfahren läuft noch.

Zudem entwickelte sich der Gewerbepark nicht so wie geplant. "Wir hatten mit personalintensiven Klein- und Mittelbetrieben und dadurch auch mit mehr Kommunalsteuer gerechnet", so Wechner. Was sich ansiedelte, waren aber flächenintensive Betriebe - "über die wir natürlich auch froh sind!" - beeilt man sich festzustellen. Durch die 2008 weltweit ausgelöste Wirtschaftskrise blieb der erhoffte Ansturm auf die Gewerbeflächen ebenso aus wie die erhofften Infrastrukturbeiträge der Neuansiedlungen. "Aufgrund der Wirtschaftskrise sind Flächen nicht mehr wie geplant bebaut worden", berichtet STR Dr. Daniel Wibmer.

Das Hochwasser 2005 bescherte dem Straßenbauprojekt ebenso einen saftigen Kostenanstieg - das Straßenniveau musste um einen Meter angehoben werden. Der Kreisverkehr Wörgl-West verteuerte sich durch die stabilere Betonausführung, die aufgrund des Schwerverkehrs notwendig wurde.

Die Finanzierung der WIG-Straßenbauprojekte erfolgt über Darlehensaufnahmen mit Laufzeiten bis zum Jahr 2036, allesamt mit Haftungsübernahmen durch die Stadt, wobei diese alle aufsichtsbehördlich genehmigt worden seien. Den jährlichen Finanzverlust beziffert die Stadt mit rund 600.000 Euro, bis zum Jahr 2017 steht eine jährliche Belastung von einer Million Euro zur Schuldentilgung in der mittelfristigen Finanzplanung.

Die nun erfolgte technische, finanzielle und rechtliche Überprüfung der WIG wurde vom 2010 nach der Gemeinderatswahl neu installierten WIG-Aufsichtsrat angeregt und von externen Fachleuten durchgeführt. "Die Gutachten wurden allen Fraktionen zur Verfügung gestellt", teilt Aufsichtsratvorsitzender GR Christian Pumpfer mit und weist darauf hin, dass die Behandlung der Causa im nächsten Gemeinderat im öffentlichen Teil der Sitzung erfolgen wird. Bei den Baurechnungen zeigten sich keine Mängel. Das juristische Gutachten wies auf die Problematik der Auslagerung von konkreten Gemeindeaufgaben im Rahmen der Straßenerrichtung hin und stellte "interne Verfahrens- und Vertragsdefizite mit Auswirkungen auf das operative Geschäft der WIG" fest.

Wie geht´s jetzt weiter?

Angesichts der für den Endausbau zu erwartenden Kosten von weiteren 19,7 Millionen Euro habe man jetzt "die Reißleine gezogen", so Wechner. Eine Weiterführung Richtung Osten sei nur mit finanzieller Unterstützung des Landes möglich, ein erstes Gespräch mit Landesrat Steixner habe es diesbezüglich bereits gegeben: "Wir werden die Karten offen auf den Tisch legen. Einem Nackerten kann man nix mehr ausziehen - wir werden mit dem Land neu verhandeln müssen."

"Das Ziel der Stadt bleibt die Fertigstellung der Nordtangente, aber entscheidend für die weitere Vorgangsweise ist jetzt, dass die Anrainer des Gießenweges vom Verkehr entlastet werden und der Anschluss Wörgl Mitte heuer noch fertiggestellt wird", sagt Vizebgm. Dr. Andreas Taxacher. Dazu liegen zwei Ausbauvarianten am Tisch, die derzeit geprüft werden: Fertigstellung über die bestehende Brücke über den Wörgler Bach um 500.000 Euro sowie mit neuer Brücke um 1,9 Millionen Euro. Die Anbindung Wörgl-Mitte soll nur Pkw und Fahrzeugen bis 3,5 Tonnen zur Verfügung stehen, Schwerverkehr ist hier nicht vorgesehen.

Wenn alles im Zeitplan abgewickelt wird, sei auch eine Umsetzung im Herbst 2012 realistisch. "Wir bekommen mit 1. September 2012 einen neuen Stadtbaumeister, der wird sich dann damit befassen", so Bürgermeisterin Hedi Wechner.

Lokalaugenschein Nordtangente:

Derzeit wird noch geprüft, ob die bestehende Brücke über den Wörgler Bach zur Anbindung der Nordtangente an die Wörgler Innenstadt genützt werden soll (Bild links). Bild rechts: Die Nordtangente mündet derzeit östlich des Pumphauses am Gießen und des neuen Klingler-Betriebsgebäudes in den Gießenweg (Bild Mitte), dessen Anrainer vom Durchzugsverkehr durch die Anbindung Wörgl Mitte vom Durchzugsverkehr durch die Siedlung erlöst werden sollen.

Ende der Nordtangente östlich der Firma Klingler - eine Schotterpiste zeigt seit Herbst 2011 den weiteren Verlauf.

Der Stillstand im Straßenbau verschafft der Natur eine "Erholungspause": Derzeit ist das ruhende Straßenstück für Naturfreunde interessant...

   

.... hier lässt sich beobachten, welche Pionierpflanzen sich niederlassen, wie sich auf der einen Seite Artenvielfalt brach liegende Flächen zurückerobert (3. Bild von links), die andererseits wieder durch wuchernde Springkrautbestände bedroht wird (Bild unten).