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Öffentliche Gemeindeversammlung am 10. Oktober in Wörgl |
Interessierte Fragesteller - Prof. Klaus Walter (links) und Anita Schipflinger (rechts). Die meisten Anfragen des Abends richteten sich an Verkehrsreferent Erich Lettenbichler (mitte).
Vor Eröffnung der "Publikums-Fragerunde" gab Wörgls Bürgermeister LA Arno Abler einen kurzen Rückblick aufs vergangene Jahr und sprach gleich einige Themen an. Die Ursache für die Verzögerung beim Bau der Nordtangente liege jetzt in Wien bei der Asfinag sowie im Ministerium, wo noch wegen notwendiger Grundablösen verhandelt wird. Abler hofft aber, noch heuer die Straßenbauverhandlung durchführen zu können. Das LA21-Leitbild sei nun fertig und mit der bevorstehenden Zertifizierung sei der Start formal abgeschlossen und die Arbeitskreise könnten mit Projekten beginnen.
Abler rechtfertigte die ohne Gemeinderatsbeschluss gefasste Entscheidung, 70.000 Euro für die Bezeichnung Hauptbahnhof Wörgl auf den Fahrkartenschalter der Bundesbahn zu blättern, als "Marketingmaßnahme" zur Bewusstseinsbildung für den Bahnverkehr. Eine Vorgangsweise, für die er in der folgenden Diskussion mehrfach Kritik erntete.
Der Bürgermeister wies weiters auf die große Bedeutung des Themas Integration hin mit dem Hinweis, dass derzeit 1740 Ausländer aus 54 Nationen in Wörgl leben und viele Zugewanderte bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.
Schließlich begrüßte Abler noch die Gründung des Jugendbeirates, der Voraussetzung für ein Hinarbeiten auf ein Jugendzentrum sei. Der Gemeinderat hätte sich einstimmig für ein Jugendzentrum ausgesprochen, dessen Inhalte jetzt von der Jugend selbst erarbeitet werden sollen.
80 % der Anfragen betrafen Verkehrsthemen
"Wann wird die Nordtangente fertig? Und was gedenkt die Gemeinde gegen die ständigen Staus auf der Bundesstraße zu tun? lauteten Fragen, die Klaus Walter an die Stadtführung stellte und wies darauf hin, dass der Radweg ins Wave in einem derart "lausigen Zustand ist, dass man mit dem Rad im Schlamm stecken bleibt."
Verkehrsreferent Erich Lettenbichler nannte als Fertigstellungstermin für die Nordtangente Ende 2008,. 2009. Der erste Teil von der neuen Sparzufahrt Richtung Westen solle früher befahrbar sein. Was die Stausituation betreffe, so seien 30 bis 40 % des Verkehrs "Transitfahrten" von "Vignettensparern". Den trotz bestehenden Fahrverbotes durchrollenden Lkw will die Stadt nun mit einer Neuverordnung des Fahrverbots ausgenommen Ziel- und Quellverkehr beikommen.
Hinsichtlich des Radwegenetzes erklärte Lettenbichler, dass dafür von unterschiedlichen Seiten Vorschläge und Ideen vorhanden seien, dass dazu aber immer die Zustimmung der Grundbesitzer nötig sei.
Ein Anrainer aus der Ladestraße erinnerte die Stadt daran, dass der Rückbau derselben bereits fürs Frühjahr 2006 versprochen war, bis heute allerdings nichts dergleichen passiert sei. Lettenbichler: "Der Rückbau der Ladestraße wird mit der Verbauung des Lenk-Areals hinter dem M4 realisiert."
Helmut Lengerer vom Verein Wörgl verkehr(t) konfrontierte die Gemeinderäte mit ihren Aussagen zur Verkehrspolitik aus den Wahlprogrammen von 1999 und stellte dazu fest: "Ihr werdet von uns nicht an dem gemessen, was ihr gesagt habt - sondern was ihr getan habt." Und da lasse das Ergebnis noch sehr zu wünschen übrig. Legerer regte an, leisere Busse zu verwenden und teilte die Ansicht weiterer Bürger, das Regiobus-System zu erweitern und besser zu bewerben. .
Schlechte Schulbusverbindung für 50 Kinder aus Wörgls Norden
Massive Kritik an der Gemeindeführung übte Anita Schipflinger, die nördlich der Bahn zuhause ist: "Seit sechs Jahre betteln wir jetzt um eine annehmbare Schulbuslösung - bis heute haben wir keine. Mittlerweile sind 50 schulpflichtige Kinder betroffen, die jetzt mit 30 Autos zur Schule gefahren werden." Der Citybus sei keine Lösung, das die Fahrzeiten in der Früh nicht zu den Unterrichtszeiten passen. Dazu komme, dass Kinder aus diesem Stadtteil nicht um 20 Euro den Schülerbus benützen können, sondern die Citybusermäßigung gestrichen worden sei und jetzt 50 Euro pro Kind aufzubringen sind. Peinliches Detail am Rand: Durch Schipflingers Wortmeldung erfuhr der Gemeinderat erst davon, dass heuer der Schulbeginn in den Volksschulen um fünf Minuten vorverlegt wurde - die Schülerlotsen aber zu den gleichen Zeiten wie im Vorjahr erst ausrücken.
Anita Schipflinger wies die Stadtführung auf die ihrer Meinung nach derzeit gefährliche Situation bei der Kreuzung Adolf Pichler Straße/Unterguggenbergerstraße im Pflichtschulbereich hin. Besonders für Radfahrer sei die unübersichtliche Kreuzung gefährlich. Verkehrsreferent Lettenbichler teilte dazu mit, dass das Problem schon im Verkehrsausschuss diskutiert wurde.
Und mit dem Wunsch, die Citybus-Fahrpläne besser zu gestalten, stand sie an diesem Abend auch nicht alleine da.
Wann der Weg nach Mühlstatt öffentliches Gut wird, wollte Andreas Lettenbichler wissen und warf der Gemeindeführung neuerlich Fehler vor, deren Ursache Jahre zurück liegen. Stadtbauamtleiter Dr. Egerbacher stellte dazu fest, dass der Weg öffentlich befahrbar ist, die formelle Übertragung in nächster Zeit erfolgen werden. Mit dem Abschluss der Verträge warte man die Vermessungsergebnisse ab.
"Dauerbrenner" Mülldeponie Riederberg
Nachdem nach kurzzeitiger Besserung der Gestanksbelästigung durch die Deponie Riederberg in den Frühjahrs- und Sommermonaten seit einigen Wochen die Situation wieder unerträglich ist, meldete sich Thomas Gasteiger, Obmann der Bürgerinitiative Bruckhäusl aktiv zu Wort: "Ab 1.1.2009 ist die Deponierung von unbehandeltem Müll verboten. Was macht die Gemeinde Wörgl danach mit dem Müll? Was wurde aus dem im Frühjahr versprochenen Kontrollgremium, das bis heute nicht einberufen wurde?Wurden die im Frühjahr vereinbarten Maßnahmen umgesetzt"
Umweltreferent Michael Pfeffer teilte dazu mit, dass Stadtamtsdirektor Alois Steiner Leiter des Kontrollgremiums sei und dieses demnächst einberufen werde. Gasteiger wollte weiters wissen, was aus dem Sickerwasserstau in der Deponie geworden ist. Stadtwerkedirektor Helmuth Müller dazu: "Das Problem wurde offenbar technisch gelöst. Vom Deponiebetreiber wurde eine zweite Osmose-Anlage mit größerer Kapazität installiert, die jetzt das Sickerwasser abarbeitet." Die Antwort auf die Frage, wohin mit dem Müll nach 2009, blieb die Stadt den Bruckhäuslern schuldig.
Ein Anrainer aus Ladestraße teilte der Versammlung mit, dass er ab Mitternacht aufgrund des Müllgestanks nur mehr mit geschlossenen Fenstern schlafen könne. Die Grünen sehen sich durch den neuerlichen Belastungsanstieg veranlasst, bei der nächsten Gemeinderatsitzung den im Frühjahr zurückgezogenen Antrag auf Erlassung eines Lkw-Fahrverbotes auf der Zufahrtstraße zur Deponie wieder einzubringen.
Integration braucht Arbeit und Maßnahmen
Zunehmend Sorgen bereitet Eltern der steigende Anteil von Kindern nicht deutscher Muttersprache in den Pflichtschulen. Diese Tatsache wird in Zukunft vermehrten Einsatz bei der Sprachförderung ebenso benötigen wie eine intensive Auseinandersetzung der Stadtführung mit dem Thema Integration, das sich absolut nicht dazu eignet, politisches Kleingeld wechseln zu wollen.
Konkrete Ansätze dazu könnte das Projekt "Switch Wörgl" der Universität Innsbruck, Institut für Städtebau und Raumplanung liefern. 60 Studenten unter der Leitung von Prof. Arnold Klotz nehmen sich zwei Semester lang Wörgl genau unter die Lupe und starteten damit am 10. Oktober. Nach einem Stadtrundgang kamen zahlreiche Studenten ins Komma, um bei der Gemeindeversammlung Facts vom versammelten Gemeinderat zu erfahren.
Wörgls Raumordnungsreferentin DI Bettina Müller gab den jungen Leuten dafür zwei Punkte mit auf den Weg: Erstens das rasante Wachstum der Stadt - nachdem bisher im Zehnjahresabstand ein Wachstum von 10 % verzeichnet wurde, geht die Prognose für dieses Jahrzehnt bis zu 24 %. Und zweitens den Umstand, dass derzeit 1500 Muslime in der Stadt leben und der Anteil dieser Religionsgruppe weiter steigt. Müller: "Integrationspolitik wird in Wörgl sehr wichtig. Wie schaffen wir es, dass keine Ghettos entstehen? Wie kann man durch städtebauliche Maßnahmen hier zur Problemlösung ansetzen?"
Universitäts-Projekt Switch
Prof. Klotz erläuterte, dass die Studenten im ersten Semester sich vor allem mit der statistischen Erfassung Wörgls befassen und im zweiten dann Prognosen über Entwicklungschancen erarbeiten sollen. Von der Gemeindeführung wie von den dünn gesäten anwesenden GemeindebürgerInnen wollte Prof. Klotz wissen: "Welche Ideen und Visionen haben Sie?" Diese waren dann gleich spärlich wie die Fragen der Studenten, die mit zahlreichen Basisinformationen über die Stadt von den Ausschussobleuten gefüttert wurden.
Dabei bekamen die Studenten auch konträre Meinungen im Gemeinderat mit. Während Bgm. Abler den Vorteil Wörgls in der "pulsierenden Entwicklung" sieht, die losgekoppelt von historischer Substanz hier möglich sei und den Handel als Kernkompetenz weiter forcieren will, gibt Wörgls Wirtschaftsreferent DI Gerhard Wibmer von der Liste Petzer Konter: "Der Handel hat Wörgl überrollt. Wir konkurrenzieren uns schon gegenseitig, was Probleme in der Innenstadt bringt. Die Stadt reagiert mit der erforderlichen Infrastruktur erst hinten nach." Besser sei die Situation im Gewerbepark, wo die Erschließung vorher erfolge.
In den kommenden Monaten werden die Studenten noch öfter in Wörgl vor Ort für ihre Arbeit recherchieren. Der einzige Fragesteller aus ihren Reihen formulierte, was ihm nach der Präsentation am augenfälligsten aufgefallen war: "Warum besteht eigentlich dieser extreme Wettbewerb zu Kufstein? Warum vergleicht man sich nicht mit anderen Tiroler Städten?" Bürgermeister Abler: "Die Distanz ist mit 16 Kilometer sehr gering - wir sind Rivalen im selben Einzugsgebiet."
Bürgermeister LA Arno Abler (Foto links) sieht Wörgls Wirtschaftsentwicklung anders als Wirtschaftsreferent DI Gerhard Wibmer (Bild Mitte). Rechts: Prof. Dr. Arnold Klotz (links) und Wörgls Raumplaner DI Andreas Lotz (rechts), der in seiner Stellungnahme meinte: "Wörgl ist das Las Vegas vom Tiroler Unterland."