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Frühstückscafé im Tagungshaus Wörgl mit Pfarrer Josef Pletzer am 8.2.2013 |
vero / 12.02.2013 12:52
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Begegnung auf Augenhöhe - das hat Mag. Josef Pletzer während seiner Auslandsstudienzeit in Kenia gelernt und verinnerlicht. Im Gespräch mit Tagungshaus-Mitarbeiterin Rita Hauser gab er tiefe Einblicke in seinen spannenden Lebensweg voller radikaler Wendungen.
Mit Wörgl verbinden Josef Pletzer zwei Stationen seines Lebens: Die erste dauerte gerade einmal ein paar Tage - er kam als erstes Kind der Familie Pletzer aus Going im Krankenhaus Wörgl zur Welt. Die zweite dauerte dann ein Jahr - Josef Pletzer wurde in Wörgl zum Diakon geweiht. "Es war in gewisser Weise ein Heimkommen", beschreibt er den Neubeginn seines beruflichen Lebensweges, den er aus innerster Überzeugung im zweiten Bildungsweg antrat und dabei die Gemeinsamkeiten mit seinem gelernten Beruf in der Gastronomie entdeckte: "Die Predigt bei meiner Diakonweihe handelte vom Dienst an den Tischen. Ich habe immer gern in der Gastronomie gearbeitet und mache nach wie vor Dienst an den Tischen."
Der Tourismus prägte mit allen positiven wie negativen Aspekten seine Kinder- und Jugendzeit, die mit 12 Jahren jäh zu Ende war. "Die Scheidung meiner Eltern 1986 war ein massiver Einschnitt und prägend für mein ganzes Leben", schildert Josef Pletzer die schmerzhafte Erinnerung an das Auseinandergehen. Die Mutter zog mit den drei Kindern von Going nach Söll. Durch den Ortswechsel waren auch die Freunde weg. "Ich war mit 12 Jahren plötzlich erwachsen und der Mann in der Familie." Was ihm beim Neustart half, war sein Dienst als Ministrant, den er in Söll fortsetzte: "Die Kirche hat mir in dieser Zeit eine Beheimatung gegeben." Geblieben ist Josef Pletzer die große Solidarität mit Scheidungskinder, die ihn jetzt als Schulseelsorger mit den 300 Schülern des Borromäums verbindet: "Wir müssen vor allem Kindern aus schwierigen familiären Situationen helfen."
Josef Pletzer hat aber auch erfahren, "dass die Schule das nicht auffangen kann, was Eltern nicht geben." Die Entwicklung seiner eigenen emotionalen Welt holte er später nach - und das war richtige Arbeit. Nach der Hauptschule in Söll stand sein Entschluss fest, die Tourismusschule in St. Johann zu besuchen und zum Vater nach Going zu übersiedeln. Dort zog ihn auch seine Mitgliedschaft bei der Musikkapelle und der Freundeskreis wieder hin. Nach der Volksschule wollte Josef eigentlich schon ins Borromäum - aber die Großmutter väterlicherseits drängte aufs Erlernen eines Handwerksberufes. Priester wollte er schon früh werden. Was ihn dazu anregte? "So komisch das klingt, die Heimatfilme mit den Pfarrern haben mir immer besonders gut gefallen. Wie der Pfarrer auf dem Bankl vor dem Haus sitzt und den Leuten hilft. Und da frage ich mich, welches Priesterbild wir heute haben. Sitzt man noch auf dem Vorbeibankl und hat Zeit für die Leute?" Mit und bei den Menschen sein, darin sieht Josef Pletzer als Aufgabe des Priesters.
Das war er auch schon gern während seiner Lehrzeit in der Gastronomie. Nach dem Praktikum im Hotel der Bär in Ellmau und einem Praktikum beim Blattlhof, arbeitete er danach im Hotel Hochfilzer und jobbte auch noch während der Studienzeit in der Gastronomie. Was aber lenkte seine Laufbahn dann trotzdem hin zum Seelsorger? Ein weiterer traumatischer Einschnitt in seinem Leben - ein Moped-Unfall. Als 17jähriger fuhr er von der Zimmerstunde nach Hause, um daheim beim Strohabladen zu helfen, als ihn ein Autofahrer übersah und rammte. Mit schlimmen Folgen - das Bein mehrfach gebrochen, das Knie gespalten. Die Ärzte entschieden trotz Schlechtwetters einen Hubschrauberflug in die Salzburger Klinik zu riskieren, um ein Steifbleiben des Beines durch bestmögliche Behandlung zu verhindern. 10 Stunden dauerte die Operation, ein Lungenschock kam hinzu und bedeutete, dass Josef fünf Tage lang in höchster Lebensgefahr schwebte. "Ich war aber immer bei Bewusstsein und habe auf der Intensivstation alles mitgekriegt - aber ich konnte wegen des Beatmungsgerätes nicht reden." Prägend sei dann der Besuch der geistlichen Schwester Eleonore Lorenzi aus Söll gewesen, die ihm ein Holzkreuz mitbrachte. "An diesem Kreuz habe ich mich festgehalten, es hat mir Kraft gegeben und ab diesem Zeitpunkt hab ich selbst gewusst, dass ich überleben werde", schildert Josef, der erst nach neun Tagen die Intensivstation verlassen konnte.
Doch damit war die Entscheidung, Priester zu werden, noch nicht gefallen. "Als ich aus dem Krankenhaus raus war, habe ich das ganze Schmerzensgeld auf den Kopf gestellt", erinnert er sich. Alle halbes Jahr ein neues Auto, feiern und ausgehen. "Ich habe mich von materiellen Dingen abhängig gemacht und die Wirtschaft ordentlich belebt, um der inneren Stimme nicht nachzugeben." Als er dann den Kauf einer Wohnung anstrebte und eine über eine Familiengründung nachdachte, kamen die Zweifel hoch - ist das wirklich der Weg? Josef Pletzer wollte sein Leben verändern - bewarb sich bei der Post und schrieb dem Erzbischof Eder, was es denn für Möglichkeiten gäbe, Priester zu werden. Und als dieser auch tatsächlich gleich antwortete und das Aufbaugymnasium in Horn empfahl, stand sein Entschluss fest: Innerhalb von zwei Wochen löste er sein Leben in Tirol auf, verkaufte sein Auto und übersiedelte nach Horn, wo er unbelastet vom schwierigen familiären Hintergrund neu startete. Fünf Jahre war er Klassensprecher, dann auch Schulsprecher, immer bemüht, die Probleme seiner Mitschüler wahrzunehmen, zu vermitteln. "Die fünf Jahre im Heim in Horn waren ein Segen für mich", erklärt Josef rückblickend. Die Schicksalschläge waren damit noch nicht vorbei - zwischen mündlicher und schriftlicher Matura starb der Vater. Wie er es dann schaffte, trotzdem mit Auszeichnung zu maturieren, ist Josef heute noch ein Rätsel.
Nach zwei Jahren Priesterseminar in Salzburg stand sein externes Studienjahr an, für das er die Universität in Tübingen anvisierte. Doch sein geistlicher Begleiter riet ihm zu Irland oder Kenia. "Kenia? Kenn i ned!" - und damit stand für ihn das Ziel fest: "Das war dasselbe wie beim Heim. Ich hab immer gesagt, ich geh in kein Heim - und ich habe immer gesagt, ich will nie nach Afrika!" Beides wurde für ihn zur unverzichtbaren Lebenserfahrung. Für sein Afrikajahr wurde ihm ein Ratschlag mitgegeben, den Josef beherzigte: "Vergiss alles, was du über Mission weißt. Geh da runter mit offenem Herzen, um zu lernen." Und so flog Josef Pletzer acht Tage vor Weihnachten nach Kenia in eine Welt, die ihm fremder nicht sein konnte. Begleitete Priester bei ihrer Arbeit am Land, studierte im Seminar und erlebte dann die lebendige Kirche in Kenia. "Nie mit europäischer Überheblichkeit, sondern als Begegnung auf Augenhöhe. Es besteht ein großer Unterschied in der Pastoralarbeit zwischen Europa und Afrika. Wir können viel von Afrika lernen," ist Josef Pletzer überzeugt, den nach wie vor Freundschaften mit Priestern dort verbinden. Zum Resümee jener Zeit zählt, dass "unsere Predigtausbildung mangelhaft ist. Wir haben den Auftrag, den Leuten am Sonntag etwas mitzugeben."
Nach einem halbem Jahr Seelsorgarbeit in Wörgl kam Josef Pletzer nach Hallein, das bekannt für den großen Ausländeranteil in der Gemeinde ist. Er fand sich gut zurecht, ebenso dann als Jugendseelsorger, "obwohl ich nie bei der katholischen Jugend war." Josef Pletzer hat sich einen Spruch zum Lebensmotto erkoren: "Dort, wo du deinen Hut aufhängst, bist du zu Hause." Wichtig ist ihm auch "eine gepflegte Streitkultur, bei der es um die Sache geht, nicht um die Person. Die Kirche braucht eine gute Streitkultur. Wir schweigen uns an." Dass dieser engagierte Priester nun Rektor des Borromäums und damit der "Kaderschmiede" der Erzdiözese Salzburg geworden ist, bricht bereits mit Traditionen, da Pletzer selbst nicht Borromäum-Schüler war und so eine wertvolle Außensicht mitbringt. Seine Herangehensweise an den Beruf des Seelsorgers, dessen Erfolg nicht messbar ist: "Schauen, hören und dasein!"