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Neue Initiative gegen die Müllverbrennung
vero / 13.11.2006 09:50
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Müllverbrennung  Umwelt  Tirol  Luftgüte 

Kommentar von Ingo Gödeke, Karlsruhe, Mitglied im Bundesarbeitskreis Abfall beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

zu den Artikeln "Tiroler Müllfrage gelöst: AMBA im Ahrental kommt nicht", "Paukenschlag in der Müllfrage - Lösung steht", "Tirols Mülllösung klingt wie ´Treff ma uns in der Mitt´n", "Umweltplattform kritisiert ´Tiroler Mülllösung´"  und zu einigen Kommentaren:

Als Teilnehmer der Podiumsdiskussion in Wörgl als Repräsentant des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V., Bundesarbeitskreis Abfall, war mir bereits zu dem Zeitpunkt klar, dass die Planung von Landesrat Hans Lindenberger auf eine Billig-MVA mit unzureichender Rauchgasreinigung hinausläuft, die nicht dem Stand der Technik entspricht. Die wohl schon zu dem Zeitpunkt geplante im technischen Standard "abgespeckte" Version der Müllverbrennung zeichnete sich bereits ab. Jetzt ist "die Katze aus dem Sack". Was den jetzigen Verlautbarungen des Herrn Lindenberger und der Lobby, die er anscheinend vertritt, zu entnehmen ist, kann in der Auswirkung ungefähr wie folgt zusammengefasst werden:

Zunächst wird der komplette Müll Tirols mit Ausnahme von Außerfern und Osttirol per LKW in das Ahrental zur mechanischen Vorbehandlung (MA) transportiert. Das entspricht etwa 10.000 bis 12.000 Müll-LKW jährlich oder etwa 35 LKW täglich. In der mechanischen Behandlung wird der Müll geshreddert und gesiebt. Schwer brennbare Anteile wie Glas und Steine werden dabei teilweise aussortiert. Mehr ist mit so einer Billigversion nicht möglich. Die Grobfraktion wird zur MVA Wels zur Müllverbrennung transportiert, die Feinfraktion in die geplante Wirbelschicht-MVA. Das heisst dann noch einmal zum Abtransport ca. 35 LKW täglich oder 10.000 bis 12.000 LKW jährlich. Auf den Straßen im Ahrental geht es dann zu wie im Bienenhaus, nur das leider keine Bienen mit Honig summen, sondern Müll in LKWs herumschwirrt, dass es nur so brummt. "Honig" gibt es nur für den AVE und die Geschäftspartner. Und das in Teuro. Die Tiroler zahlen, wenn Landesrat Lindenberger mit dem "Deal" durchkommt, viel Geld für Luftverschmutzung und Lärm durch Müll-LKWs, die Umladestation und die Müllverbrennung auch mit ihrer Gesundheit.

Ob das Fremdenverkehrsgeschäft im Tirol dann noch so brummt, wage ich zu bezweifeln, wenn der Werbespruch dann künftig heisst: "Günstige Fremdenzimmer mit Blick auf die Lindenberger-MVA zu vermieten, reisen Sie besser mit der Bahn an, um den LKW-Verkehr nicht zu behindern. Für gesundheitliche Schäden wird keine Haftung übernommen".

Der Grund für die Trennung des Mülls in Grob- und Feinfraktion ist auch klar: Während eine Rostfeuerung wie in der MVA Wels auch stückigen Müll verbrennt, kann eine Wirbelschichtfeuerung nur staubförmigen bzw. feinkörnigen Müll verbrennen. Das heisst aber in der Folge, dass in Ahrental in Wirklichkeit nur eine Müllumladestation entsteht, die den Müll dann auf zwei Müllverbrennungsanlagen verteilt. Eine - die MVA Wels - verfügt zumindest über eine dem Stand der Technik entsprechende Abgasreinigung. Die Billig-MVA, die geplant ist, wird hingegen bei gleicher Müllmenge das Vielfache an Dioxinen und Furanen, Schwermetallen, Feinstaub, Stickoxiden, Schwefeldioxid, Salzsäure, Flusssäure und tausenden anderer Schadstoffe in die Umwelt bringen.

Zudem soll dort noch Klärschlamm verbrannt werden, der aufgrund des Schadstoffgehaltes ebenfalls erhebliche Emissionen verursacht und zudem auch wegen des hohen Gehaltes an Unbrennbarem zusätzliche erhebliche giftige Aschemengen verursacht. Diese Asche, giftige Stäube und Rückstände müssen dann unterirdisch in Sonderabfalldeponien verwahrt werden und zuvor auch in LKWs abtransportiert werden.

Dieser unnötige "Mülltourismus" ersetzt dann den Fremdentourismus, Gebiete mit Umweltverschmutzung und Müll-LKW-Kolonnen sind unattraktiv, da sagen sich die Leut´: "Eine Müllverbrennung und schmutzige Luft habe ich auch daheim, warum soll ich da Urlaub bei der Müllverbrennung im Tirol machen?"

Wie der Landesrat Hans Lindenberger auf die Idee kommt, dass zerkleinerter und gesiebter Müll kein Müll mehr sei und dass eine MVA "light" mit mangelhafter Abgasreinigung keine UVP braucht, bleibt sein Geheimnis. Das zeugt meiner Ansicht nach von wenig Kompetenz im Umgang mit Abfällen. Da wäre es vielleicht an der Zeit, dass Herr Lindenberger sein Ressort an jemanden überlässt, der zum Thema nachhaltige Abfallwirtschaft über mehr Sachverstand verfügt. Da könnte ja jeder erst einmal seinen Müll durch den Fleischwolf drehen, bevor er ihn in die Tonne wirft und braucht dann keine Müllgebühr zu zahlen, weil es aus Sicht des Herrn Lindenberger ja kein Müll mehr ist. Da hätte ich von einem Landesrat zumindest eine bessere Ausrede für die wohl von langer Hand geplante Müllverbrennung erwartet.

Selbstverständlich ist für eine MVA eine UVP erforderlich, ob der Müll nun zerkleinert ist oder nicht, ebenso wie für die im Ahrental geplante Müllumlade- und Zerkleinerungsstation. In dem Moment, in dem Müll behandelt wird, und sei es nur, wie geplant, durch Zerkleinern und Sieben, ist es eine UVP-pflichtige Müllbehandlungsanlage.

Der verbrannte Müll hinterlässt dann ja etwa 30.000 Tonnen oder mehr, je nach zusätzlich verbrannter Klärschlammmenge jährlich an toxischer Müllverbrennungsasche, die sicher deponiert werden muss und noch einmal etwa 6.500 Tonnen jährlich an hochgiftiger Flugasche und Abgasreinigungsabfall, der unterirdisch in Salzbergwerken deponiert werden muss, ähnlich wie Atommüll.

Ein Irrtum eines Kommentarschreibers sollte an dieser Stelle auch noch aufgeklärt werden: Es wird in der Müllzerkleinerungsanlage im Ahrental kein Kunststoff aussortiert. Das ist durch Zerkleinern und Sieben in einer MA-Billigversion technisch nicht möglich. Um Recycling und nachhaltige Abfallwirtschaft geht es bei dem nun abgeschlossenen "Deal" wohl auch nicht. Müll ist nun einmal ein Milliardengeschäft, die Bürger zahlen, die Entsorgungsunternehmer kassieren.

Der zweite Irrtum ist, dass der Einsatz von Kunststoff in der Stahlindustrie keine oder weniger Kohlendioxid-Emissionen verursacht. Dazu muss man natürlich wissen, wie Stahl hergestellt wird: Eisenerz (Sulfide wie Pyrit oder Markasit oder andere Eisenerze) werden zunächst geröstet, das entstehende Eisenoxid wird mit Kohlenstoff (üblicherweise Koks) und Kohlenmonoxid reduziert. Dabei wird Eisenoxid zu Eisen und der Sauerstoff des Eisens bindet an den Kohlenstoff und bildet Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Bei der Stahlherstellung wird darauf geachtet, dass eben möglichst wenig Kohlenstoff mit dem Eisen zu Eisen reagiert.

Durch hohe Kohlenstoffgehalte wird Eisen spröde und hat allenfalls die Qualität von Gusseisen. Roh- und Gusseisen enthält mehr als 2% Kohlenstoff, unlegierter Stahl hat erst bei Gehalten von 0,2% bis 2% Kohlenstoff die Qualität, walz- und Schweissbar zu sein und durch Abschrecken härtbar zu sein.

Am Ende des Prozesses der Eisenherstellung ist sämtlicher Kohlenstoff, der nicht im Eisen verbleibt, in Kohlendioxid umgewandelt. Dasselbe gilt auch, wenn Kunststoff als Reduktionsmittel eingesetzt wird. Da ist aber dann das zusätzliche Problem von Chlorkorrosion durch PVC (enthält ca. 50% Chlor) und Bildung von Dioxinen. Die Belastung an Schwermetallen, insbesondere die Cadmiumbelastung des Kunststoffs, verursacht toxische Emissionen. Zudem geht die Bildungsenergie, die zur Kunststoffherstellung verwendet wurde, unwiederbringlich verloren. Dies sind etwa 20 MJ/kg Kunststoff. Mit jedem Kilo verbranntem Kunststoff ist zunächst ca. ein Kilogramm Rohöl als Rohstoff und noch einmal ein halbes Kilo Rohöl an verbrauchter Herstellungsenergie verbrannt. Recycling hingegen erhält die Herstellungsenergie und den Rohstoff.

Was von einigen Interessenvertetern im Tirol nun in einem "Kuhhandel" vereinbart wurde, hat mit nachhaltiger Abfallwirtschaft nicht das geringste zu tun, sondern nur mit der Interessenvertetung u.a. der AVE, der nicht nur die MVA in Wels wegen besserer Auslastung profitabler betreiben kann, sondern eine weitere profitable MVA bekommt, nämlich im Tirol. Das alles unter federführender Hilfe des Landesrats Hans Lindenberger, der mit seiner Müllverbrennungswerbungs-"Ausstellung" durch die Lande zog. Der "Deal", der jetzt öffentlich wurde, war also von langer Hand vorbereitet.