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Hochwasserschutz-Informationsabend der Stadt Wörgl am 11. April 2013

   

Im Volkshaus Wörgl lud die Stadt zum Hochwasserinfoabend, am Podium Stadtamtsleiter Dr. Alois Steiner, Bgm. Hedi Wechner, Dr. Peter Egerbacher und Vizbgm. Dr. Andreas Taxacher.

Hochwasserbedrohung: Zwei Szenarien - Wörgler Bach und Inn

Die Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte zeigten, dass Wörgl im Wesentlichen zwei Hochwasser-Bedrohungspotenziale aufweist: Einmal den Wörgler Bach, der 1994 über die Ufer trat und die Stadt verwüstete, sowie den Inn, dessen Hochwasser 2005 noch lebhaft in Erinnerung ist. Einleitend schilderte Dr. Peter Egerbacher die Situation betreffend den Wörgler Bach, dessen Verbauung im Stadtgebiet bereits abgeschlossen ist und im Bereich des Einzugsgebietes in der Wildschönau noch bis 2014 läuft. Geschieberückhaltebecken sowie das große Retensionsbecken in der Wörgler Schlucht, das mit 27 Meter hoher Staumauer die größte Wildbachsperre Österreichs ist, sollen künftige Hochwasserereignisse abmildern und das Wasser ohne mitgeführtem Material dosiert ableiten. Ufermauern und Brücken entlang des Wörgler Baches wurden erneuert, das Fassungsvermögen des Bachbettes vergrößert.

Eine Reihe von Maßnahmen wurde bereits entlang des Innufers im Bereich zwischen den Autobahnbrücken im durchgeführt: Die Dämme wurden erhöht, beim Pumpwerk des Giessenbaches ein Damm vorgesetzt und die Kapazität der Pumpen ist nun um ein Drittel höher als ursprünglich. Auch entlang des Wörgler Baches wurden die Ufermauern erhöht.

Land verzögert Schutzdamm-Bau

Die Schwachstelle befindet sich auf Höhe der Firma Transped an jener Stelle, wo 2005 der Inn über die Autobahn schwappte. Das ausgearbeitete Projekt für den gewünschten Damm wurde um wasserrechtliche Bewilligung beim Land eingereicht, gebaut wird dann von der Stadt. Dass der von Wörgl gewünschte Damm noch nicht errichtet wurde, liege beim Land Tirol, das hier eine Retensionsfläche für eine kontrollierte Flutung bei Hochwasser vorgesehen habe. "Es gibt internationale Verträge mit Bayern, die das Land verpflichten, übermäßigen Abfluss zurückzuhalten. Da der Inn schon sehr schwer verbaut ist, sind diese Flächen rar", wies Dr. Egerbacher auf den Hintergrund der Verzögerung hin. "Wir werden unser Wohn- und Gewerbegebiet sicher nicht als Überflutungsgebiet zur Verfügung stellen", teilte Bgm. Hedi Wechner mit, eine Klage basierend auf den Regensburger Verträgen wurde ihr auch schon angedroht.

Für den Notfall steht mobiler Hochwasserschutz bereit, der dann anstatt des fehlenden Dammes aufgebaut würde. "Die Big Bags liegen im Katastrophenschutzlager und würden im Ernstfall mit Sand und Schotter gefüllt", erklärte Vizebgm. Dr. Andreas Taxacher. Die Stadt dränge jedenfalls weiter auf die Errichtung des Dammes, die nächsten Gespräche mit dem Land Tirol darüber finden am 8. Mai 2013 statt. Taxacher: "Der Gemeinderat hat sich einhellig zu diesem Damm bekannt. Sobald wir die Genehmigung vom Land haben, wird er auch gebaut, unabhängig von Fördergeldern."

Unverständnis über die Haltung des Landes brachte Dr. Josef Schernthanner, selbst Betroffener des Inn-Hochwassers 2005 zum Ausdruck: "Beim Land ist der politische Wille nicht da. Man verschanzt sich hinter den Regensburger Verträgen. Rechtlich ist das aber nicht so eindeutig, jede Gemeinde hat das Recht, sich zu schützen. Die Retensionsflächen neben dem Inn sind viel zu klein - das kann man vergessen! Es dauert keine 10 Sekunden, dann sind die ein bis zwei Hektar voll, das rettet Rosenheim nicht - das ist eine Augenauswischerei. Die Herrschaften in Innsbruck sollen das einmal rechtfertigen!" Der bereits versprochene, aber immer noch fehlende Damm sei das entscheidende Teilstück: "Wörgl ist jetzt noch nicht sicherer als eh und je - ob ein Loch offen ist oder drei, das ist egal", ärgert sich Schernthanner, der neben der Schelte fürs Land auch Lob für die Stadt vorbrachte: "Heute geht man viel offener und transparenter mit den Hochwasseropfern um."

Latreinbach und Lahnbach entschärfen

Eine Hochwassergefahr geht auch den Inn-Zuflüssen westlich des Wörgler Baches aus, die in den Bahn-Giessen münden, namentlich dem Latreinbach und dem Lahnbach, dessen materialhaltiges Wasser für die Versandung des Giessens verantwortlich ist. "Der Lahnbach verfügt über drei Geschiebebecken. Eines davon kann nicht geleert werden, die beiden weiteren werden regelmäßig geräumt. 2012 wurden 250.000 Kubikmeter Material entfernt, was Kosten von 70.000 Euro verursachte", teilte Egerbacher mit. Nicht zurückgehalten werden kann allerdings das feine Material, das sich dann im Giessen ablagert.

Um dieses Problem langfristig zu lösen, wurde bereits vom Büro Passer ein Projekt zur direkten Ableitung des Lahnbaches in den Inn bei Kundl ausgearbeitet. Darin enthalten ist auch eine Lösung für die Ableitung des Latreinbaches. Das Problem sind die hohen Kosten - man geht von 10 Millionen Euro aus. Ein Aufwand, der nur mit Fördermitteln von Land und Bund zu bewältigen sei.

Das Projekt scheiterte im ersten Anlauf an der Kosten-Nutzen-Rechnung - hier wurde allerdings nachverhandelt, weil etlich Objekte nicht berücksichtigt wurden. "Jetzt sind wir im förderungswürdigen Bereich. Aber wann wir Fördergeld erhalten, wurde nicht mitgeteilt", erklärte Bgm. Wechner. Und auf eine weitere Schwierigkeit wies Taxacher hin: "Dafür sind zwei Ministerien zuständig - Siedlungswasserbau und Lawinen- und Wildbachverbauung. Da ist es schwierig, Fördergelder zu erhalten - wir rennen wie im Hamsterrad."

Zur Umsetzung des Großprojektes laufen auch Gespräche mit der Nachbargemeinde Kundl. Der Gießenbach wird heuer noch geräumt, wofür 150.000 Euro angesetzt sind.

Betroffene drängen auf Maßnahmen

"Von unserem 23-Punkte-Katalog sind nur 9 erledigt", meldete sich Willi Aufschnaiter, selbst Hochwasser-Betroffener, zu Wort und ärgert sich über den zögerlichen Fluss von Fördergeldern für die Schutzbauten: "Die denken wohl, es ist billiger, 50 % der Schäden zu zahlen und über den Katastrophenfonds abzuwickeln als zu bauen. Unsere Ängste und Sorgen werden negiert!" Zu den offenen Punkten nahm Vizebgm. Taxacher Stellung. Was die Stromversorgung der Pumpen beim Giessen betreffe, werde die bestehende Stromzufuhr von zwei Seiten nun noch um ein Notstromaggregat ergänzt. Die Ausschreibung für die 200.000 bis 300.000 Euro teure Investition laufe, ebenso die Verhandlungen mit der Tiwag und anderen Beteiligten. Weitere Maßnahmen hängen mit dem Passer-Projekt für Latrein- und Lahnbach zusammen.

Betroffene nützten die Möglichkeit, Fragen zu stellen.

Langzeitfolgen für Hochwasseropfer: Versicherungen erhöhen Prämien oder steigen aus

"Ich verstehe die Informations- und Widmungspolitik nicht. Laut Uniqua-Versicherung wird unser Wohngebiet zur roten Zone. Die Generali-Versicherung erhöht unseren Versicherungswert wegen der Hochwassergefahr nicht mehr," meldete sich eine betroffene Anrainerin zu Wort. Andere Versicherungen lehnen ganz ab oder erhöhen die Prämien. Nach wie vor würden aber Grundstücke um einen Quadratmeterpreis von 400 Euro in diesem Gebiet verkauft und Baubewilligungen erteilt. "Ich sehe das moralisch grenzwertig. Da werden Leute, die von auswärts zuziehen, in die Falle gelockt. Das ist eine Schädigung von Privathaushalten", meint die Hausbesitzerin und schildert ihre Lage: "Wir möchten eine Absicherung, bekommen sie aber nicht  - weder vom Land, noch von der Gemeinde, noch von einer Versicherung." Sie macht sich Sorgen, sollte neuerlich ihr Haus durch Hochwasser verwüstet werden: "Wir haben die Auskunft erhalten, dass wir - ich und mein Mann - ja beide verdienen und deshalb aus dem Katastrophenfonds nicht viel bekommen werden."

"Wen klagen wir, sollte wieder Hochwasser sein - wer haftet dann?", fragte Gerhard Unterberger, ohne darauf eine erschöpfende Antwort zu erhalten und warf die Frage nach einem Gutachten der Donau-Consult auf, das nach dem Unwetter 2005 erstellt wurde. "Da ging man davon aus, dass die Folgen heute noch ärger wären als 2005, weil kein Loch mehr für den Wasserabfluss offen ist", so Unterberger und wies auf die wirtschaftliche Dimension hin, von der 250 Familien betroffen sind: "Wir haben 50 % vom Wert unserer Immobilien eingebüßt und müssen höhere Prämien zahlen."

"Eine Zonenausweisung gibt es nicht", erklärte Dr. Peter Egerbacher. Die Versicherung arbeiten anhand der Daten des Hochwassers 2005, da sie die betroffenen Gebiete kennen. Aufgrund des Donau-Consult-Ergebnisses, das nicht mehr aktuell sei, habe das Land eine Regionalstudie über den Hochwasserabfluss in Auftrag gegeben. Diese sei noch nicht fertig und diene als Basis für Maßnahmen, um Rote Zonen-Ausweisungen zu verhindern. Die Versicherungen berufen sich offenbar auf die Basiserhebungen, ohne Maßnahmen zu berücksichtigen, was jetzt zur Unsicherheit führe.

 

Kritik am Land brachte Stadtarzt Dr. Josef Schernthanner vor (Bild links). Bild Mitte und rechts: Vizebgm. Dr. Andreas Taxacher präsentierte die Profile des Grundwasserstandes.

Grundwasserspiegel unverändert

Die Vermutung, mit dem Giessenbach stehe ein Anstieg des Grundwasserspiegels in Zusammenhang, wird durch langjährige Messergebnisse nicht bestätigt. Vizebgm. Taxacher präsentierte die Messprofile, die auch zeigen, dass die 2011 errichtete neue Drainage funktioniert.

Laufend im Auge behalten und geräumt werden übrigens auch die Rückhaltebecken  aller Bäche, die in die Brixentaler Ache münden. 

Für die Zukunft kündigte Bgm. Hedi Wechner zusätzlich zu den laufenden Stadtteilgesprächen jährlich eine eigene Hochwasserschutz-Informationsveranstaltung an. Vom Infoabend am 11. April 2013 fertigte die Stadt auch ein Protokoll an, das ab 22. April 2013 im Stadtamt öffentlich eingesehen werden kann.