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Vortrag im Tagungshaus Wörgl am 18. April 2013

Nicole Schreyer begrüßte im Tagungshaus Wörgl zum Vortrag mit Wolfgang Pirklhuber, dessen Vortrag "Gutes Essen für alle" mit einem Blick auf die derzeitige Ernährungssituation der Weltbevölkerung begann.

"Eine Milliarde Menschen hungern", leitete Wolfgang Pirklhuber, Agrarsprecher der Grünen im österreichischen Parlament, seinen Vortrag am 18. April 2013 im Tagungshaus Wörgl ein und stellte den hohen westlichen Fleischkonsum in Frage. der zu hohen Futtermittel-Importen in Europa führe. "Europa importiert jährlich Agrarprodukte von 35 Millionen Hektar, davon betragen die Futtermittelimporte aus Lateinamerika 41 Millionen Tonnen jährlich", so Pirklhuber. Um den Hunger zu bekämpfen, brauche es auch ein anderes Ernährungsverhalten.

"40 % der Weltbevölkerung sind Kleinbauern unter zwei Hektar", informiert Pirklhuber. Trotz dieses hohen Anteils landwirtschaftlich tätiger Menschen sei der Hunger ein ländliches Phänomen, verursacht durch hohe Kosten für Saatgut und erschwertem oder keinem Zugang zu Land. Der Landkarte der Hungergebiete stellte Pirklhuber eine der Gebiete mit den meisten Fettleibigen gegenüber. Wobei er darauf hinwies, dass das nicht ausschließlich mit Ernährungsgewohnheiten zusammenhänge, sondern nach neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft auch mit Umweltgiften, die Einfluss auf das Wachstum haben.

Die kapitalintensive Landwirtschaft führt zur Verdrängung der bäuerlichen Strukturen. Eine Entwicklung, die die Finanzmärkte vorantreiben und den Hunger durch Spekulation mit Lebensmitteln aber auch mit Agrotreibstoffen weiter verschärfen. Pirklhuber: "Brotgetreide in Treibstofftanks zu füllen ist ethisch nicht vertretbar." In Afrika erfolge im Zuge des Landgrabbings eine Enteignung der lokalen Bevölkerung. Auf diesen Flächen werde zu zwei Drittel Pflanzen für Agrotreibstoffe angebaut, während die afrikanische Landwirtschaft durch Billig-Importe aus Europa zerstört wird.

"Selbstbestimmung beim Essen" 

Um die Ernährungssituation zu verbessern, brauche es einen europäischen Eiweißplan mit Anbau von eiweißhaltigen Pflanzen wie Soja und Bohnen in Europa sowie eine Stärkung kleinbäuerlicher Strukturen und Förderung ökologischer und biologischer Anbauweisen, die auf chemische Dünger, Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel verzichten. Konzerne wie BASF erzeugen durch irreführende Werbung die Illusion, der Einsatz dieser Mittel wäre harmlos. Pirklhuber kritisiert, dass Chemikalien wie Roundup von Monsanto im Baumarkt erhältlich sind und oft bedenkenlos angewendet werden.

"Konzerne haben kein Interesse an regionalen Rohstoffen", so Pirklhuber, der auch die Praktiken der Nahrungsmittelhersteller bei der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe wie auch der Werbung hinwies. Bei fettarmen Produkten sei häufig mehr Zucker drin, was sich im Körper in der Bildung von Fettgewebe auswirke. Weißer Zucker wird vermehrt durch Fruchtzucker ersetzt, der aus Maisstärke produziert wird und nachweislich mehr Gewichtszunahme verursache. Ein weiteres Argument, statt zu viel beworbener Konzern-Markenware zu greifen, sieht Pirklhuber im Preisvergleich etlicher Produkte: "Ein Liter Actimel, das in Polen hergestellt und importiert wird und doppelt soviel Zucker wie Naturjoghurt enthält, kostet 4,5 Euro im Handel - da ist regional erzeugtes Biojoghurt billiger!"

Er sei allerdings Agrarpolitiker, nicht Ernährungsberater, weshalb Pirklhuber auch die politischen Forderungen der Grünen vorstellte: Keine Softdrinks in den Schulen. Lebensmittel seien ein Teil der Kultur, die werde bereits in der Kindheit geprägt. Gefordert wird weiters ein Pestizid-Monitoring, da diese Stoffe auch in niedriger Dosis Einwirkung auf den Stoffwechsel haben. Kontrollen zeigten bei konventionellen Produkten, dass 67 % der Proben mit mindestens einem Pestizid, meist mit mehreren belastet waren. "Keine einzige österreichische Bio-Probe enthielt Pestizide", so Pirklhuber.

Weiters fordern die Grünen eine bessere Lebensmittelkennzeichnung hinsichtlich der Genusstauglichkeit. Irreführend sei derzeit etwa die Fleischkennzeichnung: "Jährlich werden 500.000 Schweine und 100.000 Rinder lebend importiert und hier geschlachtet, was sie dann als österreichisches Produkt ausweist", so Pirklhuber, der auf das Bio-Label Europa hinwies - dieses Zeichen sollte in der EU auf Bioprodukten zum Herkunftsnachweis drauf sein.

Pirklhuber wies auf den Welt-Agrarbericht hin, demzufolge es "so nicht weitergeht". Die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu stärken beinhalte auch Frischgemüseanbau in der Stadt, das mache auch aufgrund keiner langen Transportwege Sinn.

Ein Informationsdefizit ortet Pirklhuber beim Konsumenten hinsichtlich des Wissens, welche Marken zu welchen Lebensmittelkonzernen gehören. Bewusster einkaufen heißt sich über Produktionsbedingungen zu informieren - dazu dient das neue europäische Gütezeichen für biologische Produkte.

Die Presseinformation der Tiroler Grünen zum regionalen Testeinkauf im Supermarkt lesen Sie hier...