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Anrainer protestieren gegen Gestank der Wörgler Kompostieranlage |
Aktuelle Fotos aus der Dokumentation von Ingrid Schipflinger - sie zeigen die Wörgler Kompostieranlage in den vergangenen Tagen und Wochen.
Ingrid Schipflinger, betroffene Anrainerin, hält einen dicken Ordner mit Schriftverkehr über die jahrzehntelange Beschwerdeführung gegen die Kompostieranlage in Händen und zeigt Fotos, die austretende Rauchschwaden und vor sich hin dampfende Haufen in den vergangenen Wochen dokumentieren. Seit 1993 wehren sich die Anrainer gegen die Geruchsbelastung, erreichten damit auch zusätzliche Auflagen durch die Behörden. „Zwei Jahre lang war die Situation halbwegs erträglich. 2012 hat es während der heißen Jahreszeit schon mehr gestunken und seit heuer im April wird es immer schlimmer“, ärgern sich Schipflinger und weitere Anrainer, die stellvertretend für die betroffenen Siedlungsgebiete nördlich der Bahn ihrem Unmut Luft machen. „Lüften geht garnicht mehr. Wenn dieser Verwesungsgestank einmal in der Wohnung drin ist, kriegt man ihn auch nicht mehr raus.“ Je nach Windrichtung und Tageszeit sind auch Gebiete südlich der Bahn bis zur Anichstraße betroffen.
Als Ursache vermuten die Anrainer, dass Auflagen wie etwa das Abdecken der Mieten mit Folien bis zum Boden, das Reinhalten der Manipulationsflächen oder das Beimischen von geeigneten Zuschlagstoffen nicht eingehalten werden. „Als der Betreiber die Effektiven Mikroorganismen von Plangger verwendet hat, war es wesentlich besser“, erklärt Schipflinger, während hinter ihr ein Krähenschwarm in der Kompostieranlage landet.
„Sämtliche Kompostmieten, auch fertige, müssen mit einem Kompostflies abgedeckt sein, sofern sie nicht überdacht sind. Bei auftretenden Geruchsproblemen muss der Betreiber reagieren“, bestätigt Stadtwerke-Geschäftsführer Reinhard Jennewein. Die Stadtwerke seien zwar für die Abfallwirtschaft der Stadt zuständig, nicht aber für den Betrieb der Kompostieranlage, die von privater Hand vom Wörgler Landwirt Hubert Werlberger geführt wird. „Werlberger hat die gewerbliche Bewilligung. Die Einhaltung der Auflagen können wir als Stadtwerke nicht kontrollieren, dafür ist die Bezirkshauptmannschaft zuständig“, erklärt Jennewein und zeigt Verständnis für den Unmut der Anrainer: „Ich bin selbst jede Woche dort und kenne das Problem – es ist einfach grausig.“
„Uns sind bislang keine Beschwerden aus Wörgl über das Geruchsproblem vorgelegen“, erklärt Mag. Anita Hofer vom Umweltschutzreferat an der Bezirkshauptmannschaft Kufstein, das für die Überprüfung der Betriebsanlagen zuständig ist und eine solche auch für 21. August 2013 schon anberaumt hat. Allerdings erfolgt diese nicht einfach unangemeldet in der Betriebszeit, sondern mit vorheriger Ankündigung.
Konfrontiert mit den Vorwürfen der Anrainer räumt Betreiber Hubert Werlberger ein, dass er die Mieten absichtlich nicht abdecke: „Wenn ich sie einhülle, ist das Material zu nass und ich kann es nicht mehr sieben und der Gestank wird noch schlimmer.“ Die Geruchsentwicklung führt er auf die Wetterlage und das übliche wöchentliche Wenden zurück: „Dann stinkt´s halt die nächsten zwei Tage extremer.“ Probleme beim Betrieb führt er auch auf die schlampige Mülltrennung zurück – so beklagt er, dass viel zu viel Plastik im Biomüll landet. Berge von verunreinigtem Material türmen sich in der Anlage, um die auch das indische Springkraut wuchert. Einziger Trost für die Anrainer: „Ab nächstes Jahr fällt der Biomüll von Kirchbichl und der Wildschönau weg, dann ist es eh nur mehr der Wörgler Abfall.“
„Uns wurde unter Bürgermeister Abler versprochen, dass mit 1.1.2014 zugesperrt wird“, erinnert Ingrid Schipflinger. Doch der Gemeinderat hat den Pachtvertrag verlängert bis 1.1.2016. „Derzeit werden jährlich 950 Tonnen Biomüll aus Wörgl in der Kompostieranlage angeliefert sowie 720 Tonnen aus Wildschönau und Kirchbichl. Ab 1. Jänner 2014 liefern Kirchbichl und Wildschönau in die neue Co-Vergärungsanlage bei der Kläranlage in Kirchbichl, ein Gemeinschaftsprojekt von 13 Gemeinden, bei dem der Bioabfall energetisch genutzt wird. Wörgl entsorgt ab 2016 auch dort den Biomüll“, bestätigt Reinhard Jennewein.
„Diesen Gestank halten wir keine zweieinhalb Jahre mehr aus!“ hält Willi Leitner als betroffener Anrainer der angekündigten Schließung 2016 entgegen. Der unerträgliche Gestank beeinflusst massiv die Lebensqualität. Kein Grillen oder Essen im Garten, kein Schlafen bei offenem Fenster, kein Wäschetrocknen im Freien. Der Gestank verursacht Brechreiz und Atemnot bei Allergikern, wie Ingrid Schipflinger leidvoll am Beispiel ihres eigenen Sohnes miterlebt. „Wir können nicht mehr“, lautet der eindringliche Appell der betroffenen Bevölkerung.