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Vortrag und Film übers Bienensterben am 5. September 2013 im Tagungshaus Wörgl

Tagungshaus-Leiterin Edith Bertel konnte zum Vortrags- und Filmabend über das Bienensterben über 100 interessierte BesucherInnen begrüßen.

Woran sterben die Bienen? Dass sie sterben, ist traurige Tatsache. "Der Bienenverlust in Tirol liegt bei jährlich 25 %, hier in der Region ist er noch etwas höher", teilte Konrad Gwiggner, Imker und Obmann des Bienenzuchtvereines Wörgl, Kirchbichl und Bad Häring einleitend mit. Nachgewiesen ist auch, dass bei Maiskulturen die Bienenverluste höher sind als in Gebieten ohne Maisanbau.

Die Ursache sieht er erfahrene Imker in mehreren Faktoren und schließt dabei Fehler bei der Bienenhaltung nicht aus. Das kann das Management mit den Bienenköniginnen ebenso betreffen wie Futtermangel im Winter. Als eines der größten Probleme nennt Gwiggner den Befall mit Varoa-Milben. Die aus Südostasien eingeschleppten Spinnentiere sind Parasiten und saugen die Bienen sowie ihre Brut aus. Dabei übertragen sie Viren und Krankheiten, die etwa zu Flügeldeformationen und damit zum Tod der Bienen führen. Ohne Einschreiten des Imkers, der hierzulande gegen die Parasiten mit Ameisensäure, Oxalsäure oder Thymianöl ankämpft, führt der Varoa-Befall zu Massensterben im Bienenstock. "Ohne Imker kann die Biene bei uns nicht mehr überleben", so Gwiggner.

Zu diesen natürlichen Ursachen kommt ein chemischer Giftcocktail aus der Anwendung von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft und in Gärten. Dazu gehören die Neonikotinoide, deren Einsatz beim Maisanbau jetzt zwar verboten wurde, die aber weiterhin etwa beim Zuckerrübenanbau verwendet werden, ebenso wie andere Pestizide und Fungizide. In Großbritannien werde bereits ein Drittel der Landwirtschaftsfläche mit Neonikotinoiden behandelt. Und während Glysophat beim Getreideanbau nun in Verruf gerät - in jedem Getreideprodukt außer bei Bioanbau wurde das Gift bereits gefunden - wird es zur Abtötung von Pflanzen an Straßenrändern und Bahndämmen weiterverwendet.

Beispiele dafür, was im industriellen Obst- und Gemüseanbau so alles zum Einsatz kommt, zeigte Gwiggner anahnd des Pestizid-Reduktionsprogrammes auf, das Billa online anbietet. Die Umweltorganisation Global 2000 nimmt dafür Früchte und Gemüse unter die Lupe und listet die aufgespürten Chemikalien auf. Am Beispiel französischer Marillen, die mit sechs Fungiziden und Pestiziden behandelt wurden, erläutert Gwiggner die Folgen des Einsatzes der chemischen Keulen für das Ökosystem - diese machen auch vor den Nützlingen und am Ende der Nahrungskette vor dem Menschen nicht halt. "Das verwendete Insektizid bringt auch den Marienkäfer um, der als Nützling der größte Feind der Blattläuse ist. Fungizide schädigen das Immunsystem der Bienen, die dann krank werden. Diese Mittel sind ein Kreislauf des Todes." Völlig unzureichend untersucht sei zudem das Zusammenwirken mehrerer solcher Substanzen. Was die Auswirkungen des Gift-Cocktails angehe, sei "die Wissenschaft mit ihrem Latein zu Ende. Die Situation ist derzeit verantwortungslos."

Nicht nur in der Landwirtschaft kommt Chemie zum Einsatz, sondern oftmals massiv auch in den Hausgärten: "Pro Quadratmeter werden in Hausgärten mehr Pestizide ausgebracht als in der Landwirtschaft", informierte Gwiggner, der beim Verursacherprinzip vor allem die Agrarlobby im Visier hat und ein anderes Verständnis von Landwirtschaft einfordert. "In Österreich sind 20 % der Landwirte Bio, in der EU nur 4 %. Österreich ist hier absoluter Spitzenreiter." Leider wurden die Weichen durch die Förderpolitik der EU aber weg von Bio hin zur industriellen Landwirtschaft gestellt. "Bio Austria zertifizierte vor der Verschlechterung des ÖPool-Programmes jährlich 2.000 Biobetriebe, jetzt sind es nur mehr 400 und der größte Teil davon mit 300 sind Imker", so Gwiggner. "Der Vorwurf geht nicht an die Bauern - das wurde so gesteuert!" Und wird ab 2015 mit dem Wegfall der Milchkontingentierung noch verschärft: "Die Landwirte werden in eine ruinöse Situation gedrängt."

Wo das hinführe, zeige Dänemark, wo aus der Natur das Letzte herausgeholt wird. "Der Boden gehört den Banken, der Landwirt kann aufgrund des finanziellen Druckes garnicht mehr für eine nachhaltige Bewirtschaftung entscheiden", so Gwiggner. Und wenn man aus der Natur das Letzte heraushole, sei auch nichts mehr drinnen.

Konrad Gwiggner informierte über Bienenhaltung, Bienensterben und wie der Konsument daran etwas ändern kann.

Dass es ein generelles Umdenken braucht, machte Gwiggner auch anhand eines Vergleiches klar: "Das EU-Budget für Landwirtschaft ist mit 40 % das größte und wird immer kritisiert. Pro Bürger und Tag gibt die EU zwei Euro für Landwirtschaft aus. Die Ausgaben im österreichischen Budget für Gesundheit liegen bei 11 Euro pro Tag und Kopf. Die Landwirtschaft liefert die Basis für unsere Gesundheit. Wir brauchen einen gesunden Lebensraum für alle Lebewesen, die Basis für die Landwirtschaft darf nicht nur nach finanziellen Kriterien ausgerichtet sein." Dazu gehöre Artenvielfalt, Fruchtfolge und bessere Bedingungen in der Tierhaltung, die Bio-Landwirtschaft ermöglicht. Am Ende seines Vortrages plädierte Gwiggner für Bio-Produkte aus der Region - da könne der Konsument sicher sein, was er auf dem Teller hat.

Der außergewöhnliche Dokumentarfilm "More than Honey" zeigte in sensationellen Aufnahmen Einblicke in das Leben der Bienen und deren Kultivierung durch den Menschen im Wandel der Zeit sowie die Probleme, die die industrielle Landwirtschaft für die Bienen mit sich bringt. Danach stand Konrad Gwiggner noch für Fragen zur Verfügung. Im Bezirk Kufstein pflegen rund 400 Imker in etwa 4.000 Bienenvölker, der größte davon ist Bio-Imker in Rettenschöss mit 300 Völkern.