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Gastspiel des Theaters ulüm in Wörgl am 16. Dezember 2006
vero / 18.12.2006 08:50
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Wörgl  Theater  Kultur  Komma  Integration 
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Schauspielerische Glanzleistungen brachte das Theater ulüm auf die Bühne im Komma - Tanz, Gesang und mimische Verwandlungsfähigkeit gehörte ebenso dazu wie das Spiel mit Klischees und Vorurteilen, allerdings vor durchaus ernstem Hintergrund.

Guter Humor zeichnet sich dadurch aus, dass man über sich selber lachen kann. So nahm Textautor und Regisseur Aydin Engin türkische Großfamilien-Traditionen ebenso auf die Schaufel wie Klischees, die nach wie vor fest verankert sind.

Das Stück dreht sich um den EU-Beitritt der Türkei. "Die Türkei und die EU sind seit 45 Jahren verlobt. Warum kam eine Heirat nicht zustande?" Vor diesem Hintergrund fühlt sich der Familienvater und Leiter eines türkischen Vereins, Memet Das dazu berufen, den Konflikt zwischen der Türkei und Europa zu lösen.

Zunächst lädt er Verwandte ein, um ihnen das Leben in Europa zu zeigen. Er sieht es als seine Pflicht an, dem als Hirten im Dorf arbeitenden Neffen und der jungen Schwägerin Deutsch beizubringen. Als dann ein deutsches TV-Team anruft und ihn zu einem Interview über den EU-Beitritt der Türkei bittet, kommen ihm Bedenken über seine eigenen Deutschkenntnisse und er spannt seine Tochter ein, ihm bei der Ansprache zu helfen.

Mit seinem "Hochdeutschkurs" scheitert Memet beim Neffen, der sich einfach aufgrund seiner Intelligenz als völlig ungeeignet erweist, die Sprache zu lernen - er muss zurück in die Türkei. Bei der Schwägerin ergeht es ihm nicht besser - sie kann nämlich als Germanistik-Studentin bereits besser Deutsch als er. Sie kommt auch mit seiner Tochter bestens auf deutsch zurecht, die nun ihrerseits ihrem Vater beim Interviewtext hilft.
 
Die patriarchalische türkische Männerwelt wird in Europa damit konfrontiert, ein Auslaufmodell zu sein - hier stehen traditionellen Erwartungen freizügige Kleidung und selbstbewusstes öffentliches Auftreten der Frauen gegenüber. Die Frauen im Stück lernen die Sprache rascher, kommen mit dem europäischen Leben besser zu Recht als die Männer. Da nützt dem Familienoberhaupt die Klage über kurze Röcke und T-Shirts nichts.

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Stoff zum Nachdenken trotz komödiantischer Umsetzung - vom Deutschkurs bis zur arrangierten Hochzeit wurden selbstkritisch türkische gesellschaftliche Reglements ironisch betrachtet.

Es scheitert auch der junge Mann aus einem Istanbuler Vorort, der für eine Aufenthaltserlaubnis in Deutschland eines der beiden jungen Mädchen heiraten will. Diese sind dann allerdings so gar nicht nach seinem Geschmack - Studium statt Arbeit und als die Auserwählte dann auf die Frage, ob sie gut kochen könne antwortet, dass sie "im Essen gut" sei, ist es aus mit der Heiratsabsicht.

So versucht Memet dem jungen Freier zu  erklären, dass das Leben in Europa nicht nur Leichtigkeit sei, sondern auch seine Schwierigkeiten habe, diese aber in der Türkei nicht gesehen würden.

Zum Finale stellt  sich die Frage, wie´s  denn jetzt nun weitergeht mit dem EU-Beitritt. Das deutsche Fernsehteam kommt in die Wohnung der Familie und interviewt Memet und dessen Frau. Was ist nun die EU? Ein "Zivilisationsprojekt"? Und beim Interview läuft dann alles garnicht wie geplant. Wer in Zukunft in der Weltpolitik mitreden wolle, müsse Zugang zu Energie haben - lautet Memets Feststellung  - und das habe die Türkei als Nachbar der energieliefernden Länder Asiens. Memet fragt schließlich die Reporterin - ob die EU eine Weltmacht sein will und vergleicht sie mit Amerika - das sei so eine Weltmacht. Und was macht Amerika? "Bush sitzt im Irak - mit Gewalt und Blut" - wolle man so eine Weltmacht sein?

Als die Reporterin dann die Ablehnung der Türkei in der EU mit der Ablehnung der EU-Verfassung in Verbindung bringt, verlässt der Kameramann seine Position und tritt zum Entsetzen der Reporterin auch vor die Linse. "Erst bin ich Bürger, dann erst Arbeiter", rechtfertigt er seinen Schritt und stellt klar: "Das Nein zur EU-Verfassung hatte mit der Türkei nichts zu tun. Diese Verfassung verlangte eine Anbetung der freien Marktwirtschaft. Das ist so, als wenn ich ein Schaf bin und mir den Schlächter selbst aussuchen soll. Und dazu sollen wir ja sagen?"

So blieb die Frage offen und für jeden selbst zu beantworten - will man in die EU? Und vor allem in welche EU? Was man auf jeden Fall als klare Botschaft mit nach Hause nehmen konnte war, sich mehr mit der Zukunft des  "Projektes Europa" zu befassen - auf beiden Seiten der "Festungsmauer".

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