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Info-Veranstaltung am 30. April 2015 im Tagungshaus Wörgl

Zur Info-Veranstaltung im Tagungshaus kamen auch ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuer sowie Flüchtlinge aus Syrien. Bild Mitte: Harald Bachmeier und Christine Baur, Bild rechts: Flüchtlingsbetreuerin Elisabeth Heinzl, Landesrätin Christine Baur und Flüchtlingskoordinator Harald Bachmeier.

"Weltweit sind 52 Millionen Menschen auf der Flucht. Der Großteil sind Binnenflüchtlinge, nur ein kleiner Teil will nach Europa", erklärte Landesrätin Christine Baur einleitend. 2002 waren in Tirol 4.000 Asylwerber registriert, derzeit seien es 3.000. Bei 40 Millionen Tourismus-Nächtigungen in Tirol, so Baur. Österreich ist als Unterzeichner der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet, Asyl zu gewähren. Das sei im Zuge der Ungarnkrise sowie des Bosnienkrieges auch schon in weitaus größerem Ausmaß als derzeit passiert. "Der Unterschied liegt darin, dass uns diese Menschen räumlich näher sind."

Wer aktuell einen Asylantrag stellt, kommt zur Erstaufnahme nach Thalham oder Traiskirchen. "Die Bundesländer sind dann zuständig für die Grundversorgung", so Baur. Ist der Asylbescheid positiv, handelt es sich um Flüchtlinge mit Status - und für diese werden Wohnungen gesucht. Während in anderen Bundesländern die Grundversorgung an Partner wie Caritas oder Volkshilfe ausgelagert sei, ist Tirol das einzige Bundesland, das bis heuer selbst die Grundversorgung über die Landesverwaltung organisierte - bis 1. April. Seither ist die Tiroler Soziale Dienste GmbH unter der Geschäftsführung von Harald Bachmeier dafür zuständig.

"Wir betreuen 2.800 Menschen. Das Problem ist, menschenwürdige Plätze zu finden und diese Menschen zu integrieren. Asylwerber sind für unsere Gesellschaft Bausteine für die Zukunft", so Bachmeier, der davon überzeugt ist, dass "einiges besser gemacht werden muss." Von den 276 Gemeinden in Tirol nehmen derzeit nur 45 Flüchtlinge auf. Waren es vor einem Jahr noch 20 Einrichtungen in Tirol, so sind es mittlerweile 75 Standorte. "Für heuer werden in Österreich 45.000 Flüchtlinge erwartet. In Tirol brauchen wir 3.800 Plätze. Wir sind auf der Suche nach geeigneten Liegenschaften", so Bachmeier. In Wörgl seien derzeit 31 Flüchtlinge in Landesbetreuung untergebracht. Auf Schiene sei die Adaptierung eines Hauses für 30 Flüchtlinge in Wörgl-Pinnersdorf - dort seien noch Sanierungs- und Umbauarbeiten nötig. Sehr interessiert ist Bachmeier auch am "Badl" Bad Eisenstein: "Das hängt von der Realisierung des vorliegenden Projektes ab - der Ball liegt bei Roland Ponholzer." Wobei hier derzeit die Rede von 25 Flüchtlingen sei.

"Bei über 70 Standorten in Tirol gibt es natürlich auch Konflikte, wie überall. Der Großteil der Tiroler ist aber ungeheuer hilfsbereit. Wenn Ängste und Befürchtungen im Vorfeld bestehen, ist es mit dem Widerstand in der Regel dann vorbei, sobald die Menschen da sind", berichtet Baur aus der Praxis und nennt das Beispiel Thiersee, wo anfangs heftig protestiert wurde: "Als der Bund nach vier Monaten das Heim wieder schloss, suchten die Thierseer von sich aus Wohnungen, damit die Flüchtlinge bleiben können." Sehr viele positive Erfahrungen mit ehrenamtlich engagierten Tirolerinnen und Tirolern macht Harald Bachmeier. Leider würden diese viele ermutigenden Initiativen nicht so oft im öffentlichen Rampenlicht stehen wie Negativbeispiele.

Ein Problem seien derzeit die langen Wartezeiten für die Flüchtlinge bei den Behörden. "Solange über ihren Antrag nicht entschieden ist, dürfen sie nicht arbeiten. Ausgenommen sind gemeinnützige Tätigkeiten oder Arbeiten im Heim. Sie sind zum Nichtstun verdammt. Viele haben die Hoffnung, dass sie ihre gefährdeten Familien nachholen können und wissen nicht, ob die Angehörigen überleben", so Baur zu belastenden Situation. Das Ministerium habe immer wieder versprochen, das Personal aufzustocken.

Welche sozialen Leistungen erhalten AsylwerberInnen?

AsylwerberInnen haben Anspruch auf Grundversorgung. Wieviel Geld ausbezahlt wird, hängt von der Form der Unterbringung ab. Menschen im Heim erhalten drei Mahlzeiten und 40 Euro Taschengeld pro Monat. Bei Selbstversorgern kochen die AsylwerberInnen selbst, erhalten zu den 40 Euro Taschengeld pro Monat 200 Euro, pro Kind 90 Euro. In privaten Unterkünften wird monatlich ein Mietzuschuss von 120 Euro pro Person gewährt, in allen Bundesländern gleich.

Das Land erhält vom Bund 19 Euro pro Tag pro AsylwerberIn. Mit diesem Tagsatz ist die gesamte Versorgung zu finanzieren. Wie viel ein Vermieter für sein Quartier bekommt, wird individuell ausverhandelt und im Mietvertrag geregelt. Zur Ausstattung gelte grundsätzlich: "Wenn das Bauliche, die Hülle passt, bringen wir den Rest, die Möblierung selbst mit", so Bachmeier.

"Die Grundversorgung ist halb so hoch wie die Mindestsicherung, auch bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen", erläutert Baur. "Das ist weit weg von Luxus." Dass viele Asylwerber Handy oder Tablett-Computer besitzen habe den Grund, dass sie nur so kostengünstig übers Internet in Kontakt mit ihren Angehörigen sein können. Zudem kann das Handy wertvolle Übersetzungsdienste leisten - denn wer hat schon beispielsweise ein Deutsch-Syrisches Wörterbuch ständig dabei?

Für die Betreuung der Flüchtlinge ist die Flüchtlingskoordination zuständig. Hier liegt Tirol weit unter dem bundesweit festgelegten Betreuungsschlüssel von 170:1. Asylsuchende seien froh um jede Tagesstruktur - Schulbesuch für Kinder, Deutschkurse für Erwachsene, Mithilfe in Gemeinden, lernen mit Ehrenamtlichen. Gerade das Engagement von Ehrenamtlichen entlastet die professionellen BetreuerInnen vielfach. Das weiß auch Elisabeth Heinzl, die als Flüchtlingsbetreuerin in Eben am Achensee, in Wörgl und seit kurzem in Erl für die Tiroler Soziale Dienste GmbH tätig ist. Die 31 in Wörgl betreuten Asylwerber kommen aus Syrien, Afghanistan und Irak. Die Deutschkurse für die Erwachsenen werden von Komm!unity organisiert und von Ehrenamtlichen im Tagungshaus gehalten, das seine Räumlichkeiten dafür kostenlos zur Verfügung stellt. Besonders beeindruckt ist Heinzl von der Integration der Kinder in der Schule: "Das ist ein Traum!" In der Gemeinde helfen Asylwerber beim Bauhof mit, weitere Einsatzgebiete sind gesucht, auch Möglichkeiten für sportliche Aktivitäten. Grundsätzlich ist jede Hilfe willkommen, auch Sachspenden. Wer Kontakt mit Heinzl aufnehmen will, kann das per e-mail unter elisabeth.heinzl@asyl-in-tirol.at

In der Diskussion tauchten weitere Fragen auf: Nach Berufsaussichten für SozialarbeiterInnen in der Flüchtlingsbetreuung und wieweit diese durch Ehrenamtliche konkurrenziert werden. Ob man sich aussuchen könne, wer kommt. Nach Begleitung Ehrenamtlicher, denn auch hier können Fehler passieren. Wo erhalten traumatisierte Flüchtlinge psychologische Hilfe? Es kamen aber auch Anregungen - etwa Charity-Clubs wie Kiwanis, Rotary oder Lions bei der Flüchtlingsbetreuung vermehrt einzubinden und bereits integrierte Flüchtlinge als Dolmetscher einzusetzen. Weshalb manche Immobilien, die bislang von Einheimischen bewohnt waren, als Flüchtlingsunterkunft  angeboten und dann von der Flüchtlingskoordination abgelehnt werden, erklärte Bachmeier. Bei solchen Entscheidungen seien oft nicht eingehaltene Brandschutz-Vorschriften der Grund. Es kam aber auch schon vor, dass bezugsfertige Quartiere auf Druck der Nachbarn von Vermietern zurückgezogen wurden. Weitere Informationen zu Füchtlingen und Asyl in Tirol bieten die Website www.asyl-in-tirol.at sowie die UNHCR unter www.unhcr.at

"Wir bekommen mehr zurück als wir geben", waren sich an diesem Abend jene Menschen einig, die sich in der Betreuung der AsylwerberInnen engagieren - ob beruflich oder ehrenamtlich. "Man lernt auch viel über sich selbst", stellte Landesrätin Christine Baur fest und eine Mitarbeiterin der Tafel Wörgl schilderte ihre Erfahrungen mit Asylwerbern in Wörgl: "Das sind tolle Leute - sie sind sehr bescheiden und viele wollen selber helfen."  Wie sehr sich persönliches Engagement lohnen kann, schilderte ein Mitglied des Kiwanis-Club Kufstein: "Wir haben vier Jahre lang eine afghanische Familie begleitet. Ihnen bei der Wohnungssuche geholfen, sie emotional betreut. Der Vater hat jetzt einen Job bei der Pathologie in der Klinik Innsbruck, die beiden Töchter waren Klassenbeste in der Hauptschule."

Erfolgreiche Integration von Zuwanderern zählt übrigens historisch zu den Stärken der Stadt Wörgl. Daran erinnerte Stadtarchivar Hans Gwiggner kürzlich bei der Jahreshauptversammlung des Museumsvereines, als er feststellte, dass "seit 120 Jahren die zuagroasten Wörgler immer die Mehrheit waren."