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Tagung der Grünen Bildungswerkstatt am 22./23. Februar 2008 in Innsbruck |
Organisierten vorbildlich die Klimatagung: Jutta Seethaler von der Grünen Bildungswerkstatt Tirol (rechts) mit Moderatorin Monika Zwiesele-Natterer. Prof. Paul Burger von der Uni Basel bei der Beantwortung der Fragen nach seinem Vortrag zu den gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels.
Paul Burger: Klimawandel - Herausforderungen aus der gesellschaftlichen Perspektive
"Über die ökologischen Auswirkungen des Klimawandels gibt es viele ökologische Diskussionen - wenige aber über die gesellschaftlichen Auswirkungen", stellte Prof. Paul Burger, Titularprof. für Philosophie und seit 1998 Leiter des Bereichs Lehre des interfakultären Programms Mensch-Gesellschaft-Umwelt (MGU) an der Universität Basel einleitend fest.
Wie können wir die sozialen und kulturellen Probleme bewältigen, ohne in eine Tugenddiktatur zu verfallen und demokratische Werte, unsere Freiheit aufs Spiel zu setzen? Zunächst ging Burger auf die zu erwartenden Auswirkungen des Klimawandels am Beispiel der Schweiz ein. Gerechnet wird mit einer Zunahme von Extremereignissen, Problemen mit dem Wasserkreislauf, der Energieversorgung, veränderter Infrastruktur bei Bauten und Verkehr sowie gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Hitzewellen und die Ausbreitung von Zecken. Burger: "Die direkten Auswirkungen für die Schweiz selbst werden bis 2050 noch relativ gering sein. Weltweit wird 2050 aber eine Milliarde Menschen an Wassermangel leiden. In der bisherigen Diskussion sind die sozialen und gesellschaftlichen überregionalen Auswirkungen allerdings stark unterberücksichtigt."
Zu diese überregionalen Auswirkungen zähle die Veränderung ganzer Ökosysteme, wobei in den Mittelmeerländer die Hitze vermehrt Probleme verursachen wird. In den Küstenregionen sind Millionen von Menschen betroffen, die Anzahl von Hochrisiko-Gegenden wird zunehmen. Wasserknappheit führt zu Problemen bei der Trinkwasserversorgung ebenso wie zu Ernteausfällen. Erwartet wird zudem die Ausbreitung von Krankheitsträgern.
In unserer global vernetzten Welt erwartet Burger daraus Migrations- und Flüchtlingswellen, Verlust und Neubildung von kulturellen Identitäten, Nahrungsmittelknappheit und die Belastung der Gesundheitssysteme sowie der Gesellschaft durch häufiger benötigtes Krisenmanagement. Der gesellschaftliche Druck werfe soziale und Gerechtigkeits-Fragen auf. Vor allem wenig entwickelte Länder tragen ein größeres Risiko, internationale und nationale Konflikte um Wasser und Rohstoffe werden folgen.
Diesen Szenarien zufolge sieht Burger die Herausforderung, mit dem erheblichen Druck auf gesellschaftliche Strukturen hinsichtlich Konfliktmanagement, Einwanderung und kultureller Identität umzugehen. Strategien seien Anpassung und Verminderung. Dabei werde die Diskussion hinsichtlich Infrastruktureinrichtungen heute zu kurzsichtig geführt.
Reagieren müssen aber nicht nur institutionelle Strukturen, sondern jeder einzelne. Burger plädiert dafür, den Menschen ihre individuelle Verantwortung für das Gesamtsystem klar zu machen und sieht Handlungsbedarf beim Lebensstil: "Was ist ökologisch vertretbar? Müssen wir immer mit dem Flugzeug reisen? 25 % des Klimawandels geht auf das Konto von Methangas aus der Tierproduktion."
Welche Eigenschaften sind also wichtig für eine moderne Gesellschaft, um mit dem Wandel klar zu kommen? Probleme wahr zu nehmen, zu thematisieren. Interessen feststellen und Maßnahmen aushandeln, die durchsetzungsfähig sind. Integration und damit Sicherheit gewährleisten. Die Einbindung der Akteure als Erfolgsfaktor sehen und nach dem Subsidiaritätsprinzip Verantwortung auf allen Ebenen einfordern - vom einzelnen ebenso wie von den Subsystemen, aus denen unsere Gesellschaft besteht: Staat, Wirtschaft, Rechts- und Bildungssystemen sowie der Zivilgesellschaft.
Was Information zu leisten vermag, schilderte Burger am Beispiel des Sportartikel-Unternehmens Nike. Als ein Film über die Schuhproduktion in China bekannt wurde, ging weltweit der Absatz um 25 % zurück.
Burgers These: Demokratische Gesellschaften erfüllen die Ansprüche, die gesellschaftlichen Herausforderungen des Klimawandels anzugehen, am besten. Liberalität und Demokratie seien auch das Ziel, wenn es um den Erhalt institutioneller Verlässlichkeit gehe.
Die Wende der Titanic - Die Wiener Deklaration für eine zukunftsfähige Weltordnung
Eine Wende der Herrschaft des angelsächsischen Kapitalismus hält der Rechts- und Sozialwissenschafter Herbert Rauch, Autor des Buches "Wende der Titanic" (www.oekom.de) für notwendig. Dem Gemeinwohl müsse wieder ein größerer Stellenwert eingeräumt werden. Europa sei in einer kritischen Phase, was die Zunahme der Armut betreffe.
Die "Schlauen und Starken" hätten sich zu viel "unter den Nagel gerissen", so Rauch: "In den 1970er Jahren betrug das Verhältnis von Arbeiter zu Manager-Lohn 1:30. Mittlerweile ist es bei 1 : 150.000 - dieses System ist außer Rand und Band geraten". Zweifel meldete Rauch auch an der Doktrin des Wirtschaftswachstums an: "Das war in Ordnung in der Wiederaufbauphase nach dem Krieg. Aber jetzt müssen wir zu anderen Lösungen kommen." Der Weg dazu sei der Diskurs. Zu den Forderungen, die dazu die Denkwerkstatt des European Sustainable Evelopement in der Wiener Deklaration aufgestellt hat, zählt auch eine Reform des Weltfinanzsystems.
Bild links: Herbert Rauch. Unter den Tagungsteilnehmern war auch LA Maria Scheiber (Bild Mitte links). Bild rechts: Hans von Storch.
Einsichten in das Machbare
Wissenschaft trifft Politik lautete das spannungsgeladene Motto des Tagungs-Nachmittages, das der Hamburger Meteorologe Prof. Hans von Storch mit statistischen Zahlen eröffnete, die sich nicht immer mit der gesellschaftlichen Wahrnehmung des Klimawandels decken. "Uns interessieren Sturmfluten und Anpassungen", schilderte er den Zugang des Institutes für Küstenforschung des GKSS Forschungszentrums Geesthacht bei Hamburg, dem der Prof. am Meteorologischen Institut der Uni Hamburg als Leiter vorsteht.
Storch kritisiert in der Klimadiskussion Überschneidungen von Politik und Wissenschaft und ortet ständig Kompetenzüberschreitungen: "Wissenschafter sollen emotionsarm sein und sich an den wissenschaftlichen Kompetenzrahmen halten." Was er auch strikt tat bei der Darlegung seiner Fakten. "Zwei Drittel des Klimawandels sind vom Menschen verursacht, ein Drittel kommt woanders her. Stimmten 1996 noch 60 % der Wissenschafter der Aussage zu, dass es zu einer globalen Erwärmung kommt, so waren es 2003 schon 80 %. Ich persönlich habe überhaupt keinen Zweifel daran."
Genährt wird Storchs Position durch statistische Fakten: "Die Tagesmitteltemperatur Dänemarks betrug 1870 7,1 Grad Celsius. Im Jahr 2000 war sie bei 8,5 Grad." Trotz Erwärmung sei aber die Anzahl der Stürme gleich geblieben: "Stürme werden von Temperaturgegensätzen ausgelöst, nicht von einer allgemeinen Erwärmung des Klimas. Dass die Sturmschäden steigen, ist darauf zurückzuführen, dass heute viel mehr Infrastruktur an den Küsten existiert." Wenn die Versicherungswirtschaft also mit dem Argument "mehr Stürme" hausieren geht, sei das nicht richtig - der extreme Anstieg der direkten ökonomischen Verluste sei Folge des sozialen Wandels und der wirtschaftlichen Entwicklung.
Um Zukunftsszenarien entwerfen zu können, werden Annahmen über die wirtschaftliche und soziale Entwicklung getroffen, was nur bedingte Vorhersagen ermögliche. Übereinstimmung herrsche in der Wissenschaft bei der Feststellung, dass bei einer weiterhin steigenden Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre das Wetter beeinflusst und der Klimawandel beschleunigt wird. Keine Übereinstimmung bestehe aber darin, wie sich das konkret auf Hurricans und den Wasserstand auswirke.
Was die Strategien Vermeiden und Anpassen angehe, sei das nur bedingt möglich. Emissionen der Vergangenheit können nicht mehr rückgängig gemacht werden und wirken weiter. Bei der Reduktion von Emissionen stelle sich die Wertfrage an die Politik: Wie geht man mit unvermeidbaren Schäden um? Als Illusion bezeichnet Hans von Storch das erklärte "Klimaziel", die Erwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf plus zwei Grad einzudämmen.
Hans von Storch argumentierte streng wissenschaftlich anhand von Messdaten: im Bild links die Temperaturzunahme, Bild Mitte die Sturmhäufigkeit, im Bild rechts die Schadensbilanz.
Deutschland setzt auf erneuerbare Energie und fördert Photovoltaik
"In Bayern ist keine Region mehr sicher vor Hochwasser. Und wer vom Hochwasser betroffen war, kann sich dagegen nicht mehr versichern lassen", schilderte Ruth Paulig, Diplom-Biologin, Kunsterzieherin und Abgeordnete zum bayerischen Landtag die faktischen Auswirkungen in Bayern. Das Aktionsprogramm für die Politik, das aus der Bedrohung durch den Klimawandel abgeleitet wird, lautet wie folgt:
Die Flächenversiegelung von 20 ha pro Tag auf 15 reduzieren, den Bergwald schützen, die Artenvielfalt stärken, in der Bodenpflege den Humusaufbau stärken, keine Bebauung mehr von Risikogebieten, natürliche Wasserrückhalteflächen schaffen, ein Aktionsprogramm für den Öko-Landbau sowie Anpassungen bei Architektur- und Ortsbildentwicklung sowie im Mobilitätsverhalten und in der Tourismuswirtschaft.
Als "Erfolgsgeschichte der Grün-Roten Regierung" bezeichnete Paulig die Förderung erneuerbarer Energien durch den Staat. 2007 kommen bereits 14 % des Stroms aus erneuerbarer Energie. Im Heizsektor geschehe noch zu wenig und zur Frage des Biosprits gibt´s deutliche Vorgaben: "Die Biomasse muss nachhaltig erzeugt werden und vor allem geht es darum, des Spritverbrauch zu verringern. Agrarsprit beim 10-Liter-Auto beizumischen ist Unsinn. Ziel muss weniger Verbrauch sein - hier hat unsere Autoindustrie viel verschlafen."
Nach der Schilderung der Klimaziele Deutschlands (Bild mitte) stellte Ruth Paulig das EEG vor (Bild rechts), das u.a. für die Einspeisung von Ökostrom ins Netz 20 Jahre Tarifsicherheit gewährt und damit auch äußerst lukrative Bedingungen für Solarstrom-Produzenten bietet. (Bilder zum Vergrößern anklicken). "Die Folgen seit dem Jahr 2000 sind, dass wir 2007 115 Millionen Tonnen CO2 eingespart haben, Deutschland Weltmarktführer bei der Windenergie ist und wir die Energie einer Großstadt wie Köln einsparen."
Für die Förderung erneuerbarer Energien spricht auch die Arbeitsplatz-Statistik (Bild links): "Wir haben bereits 235.600 Arbeitsplätze in diesem Sektor." Als weitere Ziele sieht Paulig eine Steigerung der Ökoanbauflächen um 15 % sowie um 2 % bei den Betrieben und nimmt die Luftfahrt ins Visier: "Bei Flugtickets gibt es keine Mehrwertsteuer - so kann es nicht gehen."
Für die Zukunft sieht Paulig mit 2030 einen gravierenden Einschnitt: "Bis dahin läuft die Energiewelt noch mit dem bestehenden System. Dann wird es zu weitreichenden Änderungen im Lebensstil, Konsumverhalten, der Güterproduktion und Mobilität kommen müssen. " Ziel sei deshalb schon jetzt ein Umstellung der Produktionsmethoden in Richtung Resourcenschonung und Wiederverwertung. Für den Energieverbrauch jedes Bundesbürgers hieße das eine Verringerung des Energieverbrauches um den Faktor vier. Bis 2050 strebe man eine Reduktion der Treibhausgase um die Hälfte an.
Die anschließende Diskussion leitete Hans von Storch mit einer ernüchternden Bemerkung ein: "Um wieviel wurde der Temperaturanstieg durch die bisherigen Maßnahmen gebremst? Die Antwort lautet um null Grad! In der Klimapolitik gibt es keine Staatsgrenzen, da ist es egal, wo das CO2 freigesetzt wird. Wie ist Klimapolitik weltweit umsetzbar?"
Auf "Kommunikation auf globaler Ebene durch internationale Abkommen" setzt Ruth Paulig. Aber um dort Forderungen aufstellen zu können, müsse man erst im eigenen Land Rahmenbedingungen schaffen.
Die schwierige Position der Wissenschaft im Diskussionsprozess erläuterte Hans von Storch: "Als Wissenschafter dürfen wir weder Angst noch Mut machen. Wir teilen Gefahren mit, mit denen wir uns jetzt stärker auseinandersetzen müssen. Der Mensch will von der Wissenschaft Erklärungen. Deshalb können wir aber nicht sagen, was zu tun ist. Es ist Sache der Politik, hier Wertungen vor zu nehmen. Wir teilen die Überflutungsgefahr mit. Ob man dann Dämme baut oder Gebiet absiedelt, das ist die Entscheidung der Politiker."
Die allgemeine Diskussion wurde schließlich in drei Workshops mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten weitergeführt.
Zum Tagesabschluss wurden die Ergebnisse präsentiert.
Hannelore Weck-Hannemann ist Prof. für Politisch Ökonomie am Institut für Finanzwirtschaft, Fakultät Volkswirtschaft an der Uni Innsbruck und referierte über ihren Forschungsschwerpunkt im Bereich der Finanzwissenschaft und Theorie der Wirtschaftspolitik, ökonomische Theorie der Politik, Umweltökonomik/Naturgefahrenmanagement.
Wie teuer wird der Klimawandel - wie können wir uns absichern?
Die Schwierigkeiten bei der Kostenabschätzung des Klimawandels führte Prof. Hannelore Weck-Hannemann vor Augen. Wie bewertet man ein Menschenleben? Den Verlust von Lebensqualität? Was sagen bisherige Schätzungen dazu? "Wir wissen relativ wenig darüber", so Hannemann. Schäden werden vorwiegend als Risiken bewertet. Sir Nicholas Stern geht von Kosten in der Höhe von 5 % des Weltsozialproduktes aus, Bjorn Lomberg von einem Prozent.
Die große Bandbreite möglicher Auswirkungen macht Einschätzungen schwierig. "Auswirkungen in Österreich können Ernteausfälle durch Dürre, ein starker Einfluss auf den Wintertourismus sowie Wetterkatastrophen mit Muren, Hagel und Hochwasser sein. Da stellt sich immer die Frage: Wie ist der Mensch betroffen? Die Natur selbst kennt keine Katastrophen - erst mit dem Mensch wird das Risiko bewertet.
Bei der Bewertung betrachtet man drei Bereiche: Sachwerte wie Gebäude und Infrastruktur, Wirtschaft mit Verkehr- und Betriebsausfällen sowie den Sektor Mensch/Gesellschaft/Umwelt im Hinblick auf Tod und Lebensqualität. "Bei der Schadensbewertung wird Geld als Vergleichsmaßstab herangezogen", so Hannemann. Bei ökologischen Schäden können keine Marktwerte angesetzt werden. Leicht in den Zynismus abgleiten kann da auch die Bewertung von Menschenleben. In den Statistiken bewertet man Menschenleben mittlerweile mit einer Million Dollar je Todesopfer.
Wie also auf den Klimawandel reagieren? Zur Verfügung stehen Vorsorge- und Nachsorge-Maßnahmen, wobei auf die Effizienz der Umsetzung zu achten ist. Kosteneffiziente und anreizorientierte Strategien durch das Schaffen von Rahmenbedingungen bevorzugt Hannemann - besser als Subventionen von umweltfreundlichen Maßnahmen sei die Belastung von umweltbelastenden Technologien.
Bei den Anpassungsmaßnahmen sei nicht nur im Nachhinein, sondern auch vorbeugend vorzugehen. Da bei der Behebung von Elementarschäden der Markt versage, seien weiterhin Staatseingriffe nötig - etwa in Form von Versicherungspflichten bis zur Pflichtversicherung.
Als Instrumente stehen handelbare Zertifikate zur Verfügung. Entscheidend sei dabei, wie sie bei der Ausgabe vergeben werden. Hannemann: "Am besten wäre versteigern, aber das wird nirgends angewandt. Pro Kopf der Bevölkerung nach dem Motto jeder hat den gleichen Anteil am Nutzungsrecht der Natur wäre die gerechteste Variante. Bei den CO2-Zertifikaten vergab sie die EU nun an die Emittenten - das wird zwar angenommen, ist aber wenig zielführend."
Zum Instrumentarium der Umweltpolitik zählen nach wie vor Förderungen. Unsinnig sei allerdings, Umweltförderungen an Einkommensgrenzen zu koppeln.
Clemens Triebel begeisterte mit seinem Vortrag über die Einsatzmöglichkeiten erneuerbarer Energien und neuer Speichertechnologie. Mit einem Pilotprojekt führt die Solon AG jetzt die Vorteile der Umstellung vor und versorgt die Azoreninsel Graciosa vollständig mit Strom aus erneuerbarer Energie - und das billiger als mit dem bestehenden Dieselkraftwerk. Weiterer Zusatznutzen für die Inselbewohner: Sie können gratis mit dem Sonnenenergie betankten Motorrollern unterwegs sein.
Energieautark leben - Solon macht auf der Insel Graciosa vor, wie´s geht!
Wie erfolgreich Umweltpolitik zur Wirtschaftsbelebung beitragen kann, zeigte der Abschluss der Klimawandel-Tagung am Beispiel des mittlerweile internationalen Solar-Profis, der Solon AG: Clemens Triebel, Mitbegründer und Aufsichtsrat entkräftete die gern gegen Strom aus Sonnenlicht ins Rennen geschickten Argumente "Geht nicht und wenn, dann zu teuer."
Clemens Triebel setzt damit auch konsequent sein Lebenskonzept um. In jungen Jahren kam der Atomkraftgegner als Teil der Alternativbewegung nach Berlin und arbeitete in einem Kollektiv zur Erforschung der Solarenergie mit. 1996 begann er seine unternehmerische Laufbahn, rief die Solon AG ins Leben. Jetzt leitet er den Aufbau eines Projektierungsteams zur Durchführung von solaren Großprojekten mit gebäudeintegrierter Photovoltaik.
Nach fünf Jahren Durststrecke begann das junge Unternehmen zu boomen. Heute zählt die Solon AG 800 Beschäftigte in mehreren Ländern und erwirtschaftete 2007 einen Umsatz von 500 Millionen Euro. Ein Höhenflug, den Clemens Triebel auch auf das deutsche Einspeisegesetz für erneuerbare Energien zurückführt.
Damit wird die Stromerzeugung aus Wind, Sonnenenergie und Biomasse durch garantierte Einspeisetarife ins Netz unterstützt. Neben dem Kerngeschäft der Herstellung von innovativen Sonnenkollektoren - ein Standort dafür befindet sich in Steinach am Brenner in Tirol - bietet die Solon AG sich auch als Energielieferant an. In Bayern steht bereits das erste Photovoltaik-Sonnenkraftwerk, das bei einem Flächenbedarf von 70 ha 4000 Haushalte mit Strom versorgt. Unternehmensinfos gibt´s auf www.solonag.com
"Die Liebliche" als Selbstversorger"
"Die Liebliche" bedeutet der Name der Azoreninsel Graciosa, auf der die Solon AG jetzt den Praxisbeweis für die Effizienz und Machbarkeit autarker erneuerbarer Energieversorgung antritt und damit die bisherige Erfolgsgeschichte des Unternehmens fortsetzen will.
Auf Graciosa vermutete Solon, einer der sieben Weisen Griechenlands, schon in der Antike das sagenumwobene Atlantis. Heute zählt die 67 Quadratkilometer große Insel 5000 Einwohner, die von einem Dieselkraftwerk mit Strom versorgt werden. 40.000 Liter jagen in zwei Wochen dafür durch den Schornstein. "Das Öl kommt aus 5.000 km Entfernung in den Hafen von Rotterdam, wird nach Lissabon verschifft und von dort zu den Inseln - um hier im Tank zu landen", erklärte Triebel kopfschüttelnd und erklärte, wie´s besser und sogar billiger geht.
Mit seiner Idee fand er auf Graciosa offene Ohren. Für die Entwicklung des Konzeptes stellte der Energieversorger sämtliche Daten über Stromverläufe. Kombiniert mit jenen über Windstärke und Sonneneinstrahlung ergibt das nun folgende intelligente Lösung: Das bisherige Dieselkraftwerk bleibt als "Notstromlösung" stehen und wird auf Biodiesel umgerüstet. Der Strom kommt allerdings aus einem neuen Kraftwerk, das zu 80 Prozent aus Windenergie aus einem Windpark mit 12 Windkraftanlagen, Solon-Mover-Sonnenkollektoren mit 3 MW und zu fünf Prozent aus auf der Insel nachwachsender Biomasse in Form von Biosprit gespeist wird. Für den Anbau dieser Biomasse wird ein Prozent der Inselfläche benötigt. Um die Stromversorgung rund um die Uhr mit gleichbleibender Energie zu gewährleisten, ergänzt eine Großbatterie mit neuer Technologie aus Japan die Anlage.
"Die Bevölkerung der Insel will diese Lösung, das wurde mit einer Volksabstimmung beschlossen", so Triebel, dem die neue Großbatterie-Technik aus Japan den bisher fehlenden Baustein in der Stromspeicher-Technologie lieferte. "Entdeckt wurde diese Natrium-Schwefel-Technologie in Deutschland. Das Gemisch war den Deutschen nach einem Unfall aber zu gefährlich, uns so wurde sie den Japanern überlassen", erklärte Triebel. Dort suchte man schon lange nach einer Lösung für Erdbebengebiete. Dieseltanks können platzen und das Grundwasser verseuchen. Um das zu verhindern, entwickelten die Japaner nun jene selbst erdbebensicheren Großbatterien mit einer Lebensdauer von 15 bis 20 Jahren, die fünf mal dichter als Autobatterien Strom speichern. Die verwendeten Stoffe sind nicht giftig und lassen sich am Ende der Batterielaufzeit wieder hervorragend recyceln.
Mit der Frage "Und was kostet diese Umrüstung?" war die Spannung im Saal am Höhepunkt. "Diese Frage ist ja immer die politische Sprengkraft für erneuerbare Energien und wird am Stammtisch als Totschlag-Argument verwendet. Uns war klar, dass sich das rechnen muss - und es ist sogar billiger als andere Alternativen", so Triebel. Und dabei rechnet er noch auf der "sicheren Seite" - die 80 Millionen Euro Gesamtinvestitionsvolumen werden ohne Fördergeld mit Darlehen finanziert. Gerechnet über die Laufzeit von 20 Jahren ist vorsichtshalber schon nach 10 Jahren der Austausch der Großbatterie ebenso mit einbezogen wie die gesamte Wartung. "Und dabei können wir 20 Jahre lang einen Fixpreis garantieren - wer kann das heute sonst noch?" spielte Triebel auf die ständigen Preissteigerungen beim Öl an. Im Vergleich wurde zudem eine Ölpreissteigerung von jährlich nur sieben Prozent berücksichtigt - tatsächlich war sie 2007 beispielweise bei 50 %.
Die Inselbewohner überzeugte nicht nur die Tatsache, künftig energieautark zu leben, sondern auch der Preis: Im Solon-Kombi-Modell gibt´s die Kilowattstunde um 0,44 Euro. Bei einem vergleichbaren Wind-Diesel-Kraftwerk, bei dem aus technischen Gründen maximal 40 % der Energie aus Wind erzeugt würden, kostet eine Kilowattstunde bereits 0,51 Euro.
Und als Draufgabe gibt´s für die Insulaner noch ein besonderes Zuckerl: Da 60 % der Energie aus der Batterie gar nicht rauskommt, kam Solon auf die Idee, damit elektrobetriebene Motorroller aufzuladen. Die Flitzer kommen bei einer Reichweite von 50 km auf 100 Stundenkilometer. Triebel: "Beim gleichen Strompreis von 44 Cent können wir 4000 Inselbewohner gratis mit Maxi-Scootern fahren lassen!"
Die Silizium-Industrie rüstet auf
Noch billiger soll Solarstrom in etwa zwei Jahren werden. "Derzeit sind die Kapazitäten zur Herstellung des Siliziums für die Kollektoren begrenzt. Die Industrie baut hier aber derzeit kräftig aus. Danach wird der Rohstoff rund ein Drittel billiger. Spätestens in zehn Jahren ist Strom aus Sonnenenergie deutlich günstiger als alle anderen Energiequellen", ist Triebel überzeugt.
Als Szenario für die Elektrizitätsversorgung der Zukunft sieht Triebel die Lösung darin, den Großteil aus Windenergie, ein Füntel aus Solarenergie und fünf Prozent aus nachwachsender Biomasse zu erzeugen. Die Investitionskosten für Windkraftanlagen liegen bei einem Fünftel von jenen der Sonnenkraftwerke. Und was erneuerbare Energie aus Biomasse angeht, so sei es nicht verantwortbar, den "jetzigen Öl-Wahnsinn auf die Pflanzen rüberzuschieben" - das wäre der "größte Quatsch".
Die Solon AG gründete ein eigenes Forschungsunternehmen, das jetzt um fünf Millionen Euro einen Investitionspark in Berlin baut. Triebel: "Hier treten wir dann für Zweifler den Nachweis an, dass es geht!" Dass die Solon mit ihren intelligenten Energielösungen am Markt punkten wird, daran hat er ohnehin keinen Zweifel: "Die Leute, die die Schnauze vom jetzigen System voll haben, nehmen jeden Tag zu."
In der Wasserstofftechnologie sieht Triebel übrigens keine wirkliche Konkurrenz. "Überlegen Sie mal, wo die Energie zur Wasserstoffherstellung herkommt. Da kalkuliert die Atomindustrie mit einem Zuwachs durch Autokunden."
Innovationsgeist und Kreativität steckt nicht nur in den Produkten der Solon AG, sondern auch in ihrem Marketing. Besonders empfehlenswert: Der Kurzfilm Hail - The return of the sun > hier anklicken.
Die Referenten stellten sich in spannenden Diskussionen den Fragen des Auditoriums.