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Vernissage mit Podiumsdiskussion zum Thema Integration am 26. Februar 2008 |
"Wir wollen das Thema Integration von der positiven Seite her beleuchten", erklärte Tagungshausleiterin Mag. Edith Bertel einleitend nach der Eröffnung der Vernissage durch eine Tanzgruppe aus Kindern und Jugendlichen vom serbischen Verein Jedinstvo in Wörgl (Fotos oben).
Die Plattform für Menschenrechte vereint 27 Institutionen und Privatpersonen und widmet sich dem Thema Integration in vielfältiger Weise - sie umfasst MigrantInnen ebenso wie andere diskriminierte Gruppen: Menschen mit Behinderung, Frauen, Jugendliche, Asylwerber, Schubhäftlinge, Flüchtlinge. Die Arbeit der Plattform besteht aus der Organisation von Veranstaltungen wie Flüchtlingsfesten, Café der Kulturen, Fest in der Schubhaft sowie jährlich Aktionen zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember.
"Zu unseren Aufgaben zählt auch das Monitoring - beobachten und dokumentieren von Menschenrechtsverletzungen in Österreich", berichtete Maria Sojer-Stani. Seit 2003 werden jährlich Menschenrechtsberichte herausgegeben. "Der Schwerpunkt unserer Arbeit liegt im Bereich Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlinge. Hier ist Lobbyarbeit besonders wichtig." Infos zur Plattform gibt´s auf www.menschenrechte-salzburg.at
"Mein Österreich - was bedeutet das für mich?" fragte Moderator Ovagem Agaidyan (Bild rechts) die am Podium versammelten Gäste zum Einstieg in die Podiumsdiskussion. Dort Platz genommen hatten Wörgls Bürgermeister LA Arno Abler, Dr. med. univ. Thrin Thran, Frauenärztin mit vietnamesischen Wurzeln, Kayahan Kaya, Geschäftsführer des Integrationszentrums Wörgl und Obmann des Atatürk-Vereins, die aus Deutschland zugezogene Juristin Irene Neurauther, Brigitte Schild-Meunier mit französischen Wurzeln, Obfrau des Vereins Karibu sowie Dr. Mauthner von der Plattform für Menschenrechte aus Salzburg (Auflistung von links).
Die Diskussion kreiste zunächst um Fragen der Nationalität - wer fühlt sich als Österreicher? "Ich sage, dass ich in Österreich wohne", schilderte Dr. Thrin Thran ihre charmante Taktik, auf diese Frage zu antworten. Für Brigitte Schild-Meunier ist die Frage schlicht nicht wichtig: "Der Mensch zählt, nicht die Nationalität. Meine Heimat bin ich."
So spielt die Sprache für die Integration zwar eine wichtige Rolle, allein entscheidet sie allerdings nicht darüber, ob sich zugewanderte Menschen hier zuhause fühlen. Die Ausgrenzung beginnt dabei schon bei Dialekten - wer als Deutscher geoutet wird, muss sich in Tirol allerhand Lästerungen anhören.
"Afrikaner leben seit hunderten Jahren in Amerika und sprechen englisch wie alle - trotzdem gibt es noch Rassismus", wandte ein Zuhörer ein und stellte fest, dass Menschen "nur wegen ihrer Hautfarbe schon diskriminiert werden". Eine Erfahrung, die auch die Kinder von Zuwandererfamilien in Österreich in zweiter und dritter Generation noch machen müssen.
Die Sprache löst nicht alle Probleme. Und dass es davon derzeit gerade in Wörgl genug gibt, wollten die Veranstalter eigentlich ausblenden. Ein junger Kurde aus dem Publikum meldete sich dazu mit einer Frage an den Bürgermeister zu Wort und thematisierte den schwelenden Konflikt rund um das Integrationzentrum: "Letztes Jahr wurde das Integrationszentrum Wörgl von der Gemeinde gegründet. Der Geschäftsführer ist Obmann des Atatürk-Vereins. Dieser Verein verbreitet die Ideologie und Ansichten der Kemalisten. Wie wollen Sie Integration mit einer Ideologie betreiben, die Minderheiten mit Blut unterdrückt hat?"
Der Moderator stellte auf diese Wortmeldung hin fest, dass die Wörgler Situation heute nicht zur Diskussion stehe. Da der Konflikt aber auch von anderen Podiumsgästen wahr genommen wurde, antwortete Bgm. Arno Abler darauf: "Ich habe diese Frage erwartet. Mir wurde zwar aufgetragen, dazu heute nicht zu reden, aber wenn das Thema hereingetragen wird, antworte ich. Für uns ist das kein zentrales Thema. Es gibt überall geschichtliche Altlasten, wir können keine Verantwortung für globale Entwicklungen übernehmen. In Wörgl kann das zentrale Thema nicht die Geschichte der Kurden unter Atatürk sein." Kayahan Kaya lehnte in der Schlussrunde ab, über die Vergangenheit zu reden. Er wolle sich lieber um Probleme heute betreffend die Jugend, Arbeitslosigkeit und Gesundheit kümmern.
Dass sich das Thema aber nicht auf die Vergangenheit reduzieren lässt, bringen die TV-Sendungen täglich ins Wohnzimmer - schließlich kämpft derzeit die türkische Armee ohne Zustimmung der Uno und des Iraks auf dessen Staatsgebiet gegen Kurden. Integrationspolitik, die einseitig ethnische Gruppen gegenüber anderen bevorzugt, bewirkt das Gegenteil - sie polarisiert.
Da Integrationspolitik Konfliktsituationen nicht einfach ausblenden kann, riet Dr. Mauthner, den Konflikt als Teil des Integrationsprozesses zu sehen und ihn auszutragen. Alles unter den Teppich zu kehren sei keine Lösung. "Auch Konfrontation ist Kommunikation", plädierte auch Brigitte Schild-Meunier dafür, das Gespräch zu suchen. Agaidyan Ovagem abschließend: "Es war nicht meine Absicht, die Meldung abzuwürgen. Wenn wir hier leben, müssen wir miteinander reden und streiten können."
Wörgl Stadtarchivar und Museumsobmann Hans Gwiggner wies auf die multikulturelle Geschichte Tirols im Laufe der Jahrhunderte anhand der Ortsnamen im Tiroler Unterland hin. Illyrer, Kelten, Römer, Bajuwaren - alle hinterließen hier ihre Spuren und wurden integriert. Seine Erklärung: "Aus den Bergen geht man nicht mehr weg. Bergvölker bleiben sitzen, sie sind alle sehr sesshaft und eigensinnig." Bild rechts: Tagungshausleiterin Mag.a Edith Bertel bedankte sich bei den Podiumsteilnehmern mit Schokolade.
"Typisch für Österreich sind Schwarzarbeit, Schwarzfahren, Schwarzgeld und Schwarz sehen. Ich bin schwarz, also bin ich ein typischer Österreicher!?" - mit Humor spickte Abdullahi Hashi aus Somalia (2. Foto v.l.) sein Statement zur Ausstellung "Mein Österreich", die noch bis 28. März 2008 im Tagungshaus Wörgl zu sehen ist und Integration als kulturelle Bereicherung erlebbar macht. Besuchergruppen können sich unter Tel. 05332/74146 oder unter info(at)tagungshaus.at für die Ausstellung anmelden.