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Jugendredewettbewerb - Bezirksausscheidung 2008
vero / 19.04.2008 13:29
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Wörgl  Tagungshaus  Kufstein  Bezirk  Redewettbewerb  Jugend  AnnaEtzelstorfer 

  Foto: Anna Etzelstorfer

Rede von Anna Etzelstorfer, 5. Klasse BRG Wörgl:

Wählen mit 16?

'I wöh an HC, dea hod oafoch de geilstn Aung!'

'Ma, Politik is wos, des geht bei oan Ohr eine, und beim ondan wieda außa!'

'Wos intressiad mi, wea in Österreich Präsident is?'

'Ja, die KPÖ gwing mit absoluter Mehrheit! Jawohl!'

'I wea gwiss ned am Sonntog um 9 in da Fria zum Wöhn aufsteh!'

 

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer, mein Name ist Anna Etzelstorfer, ich besuche die 5. Klasse des BRG Wörgl und bin 15 Jahre alt.

Zum Auftakt meiner Rede habe ich gleich eine Frage an Sie alle: Können Sie sich vorstellen, dass die Jugendlichen, von denen diese Zitate stammen, bei den kommenden Landtagswahlen tatsächlich mitwählen dürfen?

Die oben erwähnten Zitate stammen von 16- bzw. 17-jährigen Mädchen und Jungs, die ich zum Thema „Wählen ab 16“ befragt habe. Und Sie können mir glauben: Es war dies nicht das Haarsträubendste, was ich zu hören bekommen habe!

Bei der Tiroler Landtagswahl 2008 werden heuer erstmals auch 16-Jährige und 17-Jährige wählen dürfen. Nun freut sich die Tiroler Landesregierung auf über 17.000 neue Wählerinnen und Wähler. Sie scheint aber nicht zu wissen, was „Wählen mit 16“ wirklich bedeutet.

„Wählen mit 16“ bedeutet für mich derzeit vor allem viele junge Wahlberechtigte, die nicht wirklich eine politische Meinung haben – was man von einigen Erwachsenen aber genauso behaupten kann – und infolgedessen einfach den Sympathischsten wählen.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: JA, ich denke, wir Jugendlichen sind fast alle politisch zu ungebildet, um am 8. Juni zu entscheiden, wer in Tirol etwas zu sagen hat. Aber jetzt sind wir so weit, dass Jugendliche plötzlich wählen sollen, die noch kein einziges Jahr des Faches „Politische Bildung“ besucht haben.

„Wählen mit 16“ – JA! Aber nur, wenn das Drumherum stimmt. Wenn ab, sagen wir, 2009 das Pflichtfach „Politische Bildung“ ab der 8. Schulstufe eingeführt wird. Aber das wird nicht ohne Probleme gehen, es müssten Stundenkürzungen bei anderen Fächern vorgenommen werden oder es müsste die Anzahl der Unterrichtsstunden pro Woche dementsprechend erhöht werden. Widerstände und endlose Diskussionen sind vorprogrammiert.

Aber erst bei einem verpflichtenden Schulfach „Politische Bildung“ könnten die 16-Jährigen meiner Meinung nach wählen. Dann hätten sie eine Grundlage, vor allem aber ein Grundwissen über die politischen Parteien.

Hier muss ich allerdings einräumen, dass in allen Gymnasien das Fach „Geschichte und Politische Bildung“ unterrichtet wird. Allerdings fallen in diese „Politische Bildung“ meist nur Informationen über längst verjährte Staats- und Regierungsformen, wie zum Beispiel europäische Monarchien der vergangenen Jahrhunderte. Solche Lehrinhalte mögen zur Allgemeinbildung beitragen, in der Wahlzelle mit dem Wahlzettel des Jahres 2008 in der Hand nützen sie MIR wenig!

Aktuelles zu den verschiedenen Parteien wird derzeit in den seltensten Fällen gelehrt. Und ich gebe unumwunden zu, dass die Politik und die Wahlsysteme ein wahrer Dschungel für mich sind.

Aber wenn die Politiker und Politikerinnen wirklich wollen, dass wir mehr von Politik verstehen, sollten sie nicht nur das Wahlalter senken, sondern sie sollten sich auch um eine ausreichende politische Ausbildung kümmern. Geschätztes Publikum, Sie glauben, es wäre nicht schlimm? Etwa die Hälfte aller von mir Befragten konnten mir nicht einmal alle großen Parteien Österreichs nennen! Das finde ich armselig.

Wählen dürfen wir, aber wissen sollen wir nichts? Leute, sollten wir nicht besser etwas dagegen unternehmen? Sollten wir der Regierung nicht besser sagen, dass sie sich damit nur selbst ein Eigentor schießt, wenn sie politisch total ungebildete Leute wählen lässt, die einfach da ein Kreuzchen machen, wo es ästhetisch gesehen am besten hinpasst? Ist es das, was die Politiker und Politikerinnen von uns wollen? Oder wollen sie vielleicht doch politisch mündige Jungwähler und –wählerinnen, die informiert sind und genau wissen und begründen können, wie sie sich in der Wahlzelle entscheiden?

Es mag schon sein, dass sich einige Jugendliche von vornherein für Politik und Gesellschaft interessieren, aber nehmen Sie sich selbst – versetzen Sie sich zurück in Ihre Jugend. Was war damals wichtiger als der erste Freund, der gefälschte Ausweis und das frisierte Moped? Hätten Sie damals einen Gedanken an den Bundespräsidenten verschwendet oder wen Sie wählen würden, wenn Sie könnten?

Und hier liegt auch das meiner Meinung nach größte Problem, und zwar das mangelnde Interesse der Jugendlichen an der Politik.

Dem Desinteresse der jetzt 16-Jährigen könnte man beispielsweise mit Workshops oder Infotagen zu Leibe rücken.

 

Wenn man den Einstieg schafft und sich durch das künftige Schulfach „Politische Bildung“ für Politik zu interessieren beginnt, kennt man sich nach kurzer Zeit meist schon damit aus, finden Sie nicht auch?

 

Wählen mit 16 ist eine komplizierte Sache, derer sich die Politik meiner Meinung nach nur halbherzig angenommen hat. Aber vielleicht ist es noch nicht zu spät, um sich jetzt doch noch um die politisch verwirrte und desorientierte Jugend zu kümmern und um ihr die Sicht im Wahl- und Politikdschungel ein wenig zu verbessern.

Ich denke, unsere Politiker sollten sofort die folgenden drei Maßnahmen ergreifen:

1. Als eine Art „Erste Hilfe“-Maßnahme für die bereits 16-Jährigen würde ich Politworkshops und Infotage empfehlen. So können die Jugendlichen doch noch etwas über die Parteien in Österreich lernen und stehen nicht völlig ahnungslos in der Wahlzelle.

2. 'Politische Bildung' als Pflichtfach im Ausmaß von 2 Wochenstunden in jeder Schule ab der 8. Schulstufe.

3. Weil ich auch finde, dass Politik ein heikles Thema ist, sollte man speziell ausgebildete Lehrer für das Fach 'Politische Bildung' einsetzen. Diese Lehrerinnen und Lehrer sollten den Jugendlichen genaue, objektive und aktuelle Informationen über Politik geben, ohne die Schüler dabei in eine bestimmte politische Richtung zu lenken.

 

Wenn alle diese Maßnahmen verwirklicht werden, so ist das Ziel erreicht: Politisch MÜNDIGE Jugendliche von der ersten Wahl an!

Anna Etzelstorfer (Bildmitte) bei der Preisverteilung des Bezirksbewerbes.