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Rede von Patrick Karrer, Polytechnische Schule Kufstein, beim Bundes-Jugendredewettbewerb |
Selbstmord
Er weiß einfach nicht mehr, was er machen soll. In der Schule läuft es schlecht, die Eltern machen enormen Stress. Nun hat ihn auch noch seine Freundin verlassen. Heute hat er wieder einen Fünfer zurückbekommen, sein Vater wird ihn wieder anschreien. Er wird dann abhauen, und sich wieder zulaufen lassen, so wie jedes Wochenende um seine Probleme zu vergessen. Er nimmt noch einen Schluck aus der Flasche, die er sich gekauft hat und spürt den Schnaps die Kehle hinunter brennen. Morgen würde er es beenden, das Leben, das ihm seit so langer Zeit sinnlos erschien.
Sehr geehrte Jury, liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Mein Name ist Patrick Karrer, ich besuche die Polytechnische Schule Kufstein und ich möchte heute über Selbstmord, über den Wunsch nach Erlösung reden. Ich wählte das vorangegangene Beispiel, weil ich den jungen Mann gekannt habe. Er machte nicht den Eindruck, sich umbringen zu wollen. Er feierte am Wochenende ausgelassen und riss im Rausch die besten Witze. Doch er wurde innerlich von seinem Leiden aufgefressen. Bis er dem Schmerz ein Ende bereitete, endgültig.
Er ist keineswegs ein Einzelfall. Nach Verkehrsunfällen ist Selbstmord die meistgenannte Todesursache bei Jugendlichen und Erwachsenen unter 20. Aber warum wollen manche junge Menschen gerade dann das Leben beenden, wenn es gerade erst anfängt?
Auf dem Weg ins Erwachsenenleben ist man mit vielen Problemen konfrontiert, die nicht so einfach zu bewältigen sind. Am besten kommt man mit dem ganzen Stress zurecht, wenn man liebe Menschen an seiner Seite hat, mit denen man seine Sorgen teilen kann. Manchmal fehlen aber diese Menschen, oder man glaubt, dass es sowieso keinen Sinn hat, weil man sich gar nicht vorstellen kann, dass es was nützen würde, mit jemandem darüber zu sprechen. Manche haben auch einfach nicht den Mut dazu, sich jemandem anzuvertrauen. Umso enger es wird, umso höher ist die Gefahr einer „Kurzschluss-Handlung“, also Dinge zu tun, die man nicht mehr rückgängig machen kann.
Denkt man über das Wort Selbstmord genau nach, so ist es logisch, dass es den Mord an der eigenen Person bedeutet, was jedoch ein Widerspruch in sich selbst ist. Mord bedeutet laut Lexikon einen Menschen aus niederen Beweggründen wie Habgier, Mordlust, Eifersucht oder Grausamkeit zu töten. Aber was hat dann Mord mit dem Akt, sich selbst auszulöschen, zu tun? Niemand tötet sich selbst aus Gründen, die einen Mord definieren. Daher wäre der Ausdruck „Freitod“ passender. Aber ist Selbstmord wirklich ein freier Tod? Wieder muss ich diese Frage mit Nein beantworten, da sich kein Mensch einfach aus freien Stücken heraus entschließt, sich das Leben zu nehmen. Auch Experten sind sich einig, dass es einen Freitod nicht gibt, da man ihn immer auf äußerliche und psychische Einwirkungen zurückführen kann, es also keine freie Entscheidung ist! Daher werde ich weiterhin den Ausdruck Selbstmord verwenden, da dieser allgemein gebraucht wird.
Fast alle Menschen in einer für sie ausweglosen Situation geben in irgendeiner Weise zu verstehen, dass es ihnen nicht gut geht, oder dass sie sogar schon fixe Absichten haben, sich das Leben zu nehmen. Leider sind diese Vorzeichen oft so versteckt, dass man sie nicht richtig deuten kann. Wenn einem aber auffällt, dass sich jemand immer mehr zurückzieht, dass ihm nichts mehr richtig Freude macht, dass er vielleicht sogar andeutet, dass er am liebsten sterben würde, dann sollte man das auf jeden Fall sehr ernst nehmen.
Man sollte deutlich ansprechen, dass man besorgt ist. Man soll sich Zeit nehmen zuzuhören und seine Hilfe anbieten, sich aber nicht überfordern, sondern rechtzeitig professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, wenn man nicht mehr weiter weiß. Wichtig ist, dass man sich in den anderen hineinfühlt und nicht mit: „Tu nicht so, ist doch nicht so schlimm, reiß dich zusammen“ antwortet. Man muss lernen den anderen zu verstehen, nur so kann man ihm helfen.
Wenn man selbst betroffen ist und niemanden hat, mit dem man reden will, oder Fragen zu diesem Thema hat, kann man sich anonym, kostenlos und vertraulich an verschiedenste Hilfestellen wie Rat auf Draht oder ähnliches wenden.
Auch ich wurde in meinem Leben viel zu oft mit Selbstmord konfrontiert. Ich habe innerhalb kürzester Zeit zwei Freunde verloren. Beide waren erst 19 Jahre alt.
Sie waren betrunken und doch fuhr einer mit seinem Auto nach Hause und der andere saß auf den Beifahrersitz. Sie kamen ins Schleudern und der Wagen rollte einen Hang hinunter. Der Beifahrer wurde aus dem Auto geschleudert und starb dabei.
Dadurch veränderte sich das Leben des Fahrers schlagartig. Er musste den Hinterbliebenen des Mannes viel Geld zahlen, doch am schlimmsten war das Gefühl seinen besten Freund getötet zu haben. Nach zwei Wochen erhängte er sich in seiner Wohnung.
Nun, nach knapp 4 Jahren, kann ich darüber reden, da ich genügend Zeit hatte, um damit abzuschließen. Doch für die Eltern der beiden muss das noch viel schwerer gewesen sein. Zu dieser Zeit hatte ich oft das Gefühl, Selbstmord wäre eine feige Tat und oft beschimpfte ich meinen Freund in Gedanken aus Schmerz und Zorn über seinen Verlust, weil er uns alle einfach im Stich gelassen hat.
Doch ist Selbstmord wirklich eine so feige Tat? Das muss jeder für sich alleine beantworten. Heute sehe ich es anders als vor 4 Jahren, da ich heute bewusster und fern vom Schmerz darüber nachdenken kann. Ich glaube, dass ein Jugendlicher extremen Situationen ausgeliefert sein muss, um sein Leben beenden zu wollen.
In der Schule und in der Freizeit sagt immer jeder, dass nichts so schlimm ist, dass es keinen Ausweg mehr gibt. Doch wenn man in so eine Situation kommt, kann einfach nicht glauben, dass z.B. ein Gespräch etwas bessern könnte. Wenn man nie darüber redet, staut es sich auf. Es frisst einen innerlich auf. Auch wenn heute hoffentlich jeder von Ihnen denkt, dass Selbstmord für ihn oder sie nie in Frage kommt, so kann es doch passieren, dass man bald keinen Ausweg mehr findet. An der Kante des Lebens loszulassen ist eben manchmal einfacher, als sich festzukrallen. So wie in dem Beispiel, von dem ich gerade erzählt habe. Alle beide waren immer gut drauf. Doch nach dem Unfall veränderte der Fahrer sich. Der früher so übermütige junge Mann wurde ruhig und nachdenklich. Aber er weinte nie in unserer Gegenwart. Er machte nicht den Eindruck, sich was antun zu wollen, doch um ehrlich zu sein, ich habe nicht auf Signale geachtet. Oft denke ich darüber nach, ob ich etwas hätte ändern können. Aber ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich tun würde, wenn ich mich für den Tod meines besten Freundes verantwortlich fühlen würde.
Ich will mit meiner Rede aussagen, dass Selbstmord kein Ausweg ist und dass er nur noch größeres Leid anrichtet, anstatt etwas gutzumachen. Wenn einer von Ihnen erfährt, dass ein Bekannter gerade eine harte Zeit durchmacht, dann achten Sie auf Zeichen, und seien sie noch so klein. Sprechen Sie sofort darüber, denn auf ein zweites Zeichen zu warten kann bereits zu viel Zeit kosten.
Danke!